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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

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stiller, stiller Rhein! Noch gestern Abend war alles so
herrlich; aus der dunklen Mitternacht trat mir eine
große Welt entgegen. Als ich von meinem Bett auf-
stand in die kühle Nachtluft am Fenster, da war der
Mond schon eine halbe Stunde aufgegangen und hatte
die Welten alle unter sich getrieben; er warf einen frucht-
baren Schein über die Weinberge; -- ich nahm das
volle Laub des Weinstocks, der an meinem Fenster hin-
aufwächst, im Arm und nahm Abschied von ihm; kei-
nem Lebendigen hätte ich den Augenblick dieser Liebe
gegönnt; wär' ich bei Dir gewesen, -- ich hätte geschmei-
chelt, gebeten und geküßt.


Nur das sei mir gegönnt! -- und ach, es wird
mir nicht leicht, es auszusprechen, was ich will, wenn
mich manchmal der Athem drückt, daß ich laut schreien
möchte.

Es überfliegt mich zuweilen in diesen engbegränzten
Gegenden, wo die Berge übereinander klettern und den
Nebel tragen, und in den tiefen kühlen Thälern die
Einsamkeit gefangen halten, ein Jauchzen, das wie ein

ſtiller, ſtiller Rhein! Noch geſtern Abend war alles ſo
herrlich; aus der dunklen Mitternacht trat mir eine
große Welt entgegen. Als ich von meinem Bett auf-
ſtand in die kühle Nachtluft am Fenſter, da war der
Mond ſchon eine halbe Stunde aufgegangen und hatte
die Welten alle unter ſich getrieben; er warf einen frucht-
baren Schein über die Weinberge; — ich nahm das
volle Laub des Weinſtocks, der an meinem Fenſter hin-
aufwächſt, im Arm und nahm Abſchied von ihm; kei-
nem Lebendigen hätte ich den Augenblick dieſer Liebe
gegönnt; wär' ich bei Dir geweſen, — ich hätte geſchmei-
chelt, gebeten und geküßt.


Nur das ſei mir gegönnt! — und ach, es wird
mir nicht leicht, es auszuſprechen, was ich will, wenn
mich manchmal der Athem drückt, daß ich laut ſchreien
möchte.

Es überfliegt mich zuweilen in dieſen engbegränzten
Gegenden, wo die Berge übereinander klettern und den
Nebel tragen, und in den tiefen kühlen Thälern die
Einſamkeit gefangen halten, ein Jauchzen, das wie ein

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[342/0374] ſtiller, ſtiller Rhein! Noch geſtern Abend war alles ſo herrlich; aus der dunklen Mitternacht trat mir eine große Welt entgegen. Als ich von meinem Bett auf- ſtand in die kühle Nachtluft am Fenſter, da war der Mond ſchon eine halbe Stunde aufgegangen und hatte die Welten alle unter ſich getrieben; er warf einen frucht- baren Schein über die Weinberge; — ich nahm das volle Laub des Weinſtocks, der an meinem Fenſter hin- aufwächſt, im Arm und nahm Abſchied von ihm; kei- nem Lebendigen hätte ich den Augenblick dieſer Liebe gegönnt; wär' ich bei Dir geweſen, — ich hätte geſchmei- chelt, gebeten und geküßt. Schlangenbad, 17. Auguſt. Nur das ſei mir gegönnt! — und ach, es wird mir nicht leicht, es auszuſprechen, was ich will, wenn mich manchmal der Athem drückt, daß ich laut ſchreien möchte. Es überfliegt mich zuweilen in dieſen engbegränzten Gegenden, wo die Berge übereinander klettern und den Nebel tragen, und in den tiefen kühlen Thälern die Einſamkeit gefangen halten, ein Jauchzen, das wie ein

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/374>, abgerufen am 21.11.2024.