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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

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der Toilette fertig werden können, um bei'm Fürst Pri-
mas zu Mittag zu essen. Ach! sie wußten nicht was
ich wußte, -- daß nämlich unter dem Wust von fal-
schen Locken, von goldnen Kämmen, Blonden, in roth-
sammtner Tasche ein Schatz verborgen war, um den
ich beide Schachteln ins Wasser geworfen haben würde,
mit allem was mein und nicht mein gehörte, und daß,
wenn diese nicht drinn gewesen wär', so würde ich mich
über die Rückfahrt der Schachteln gefreut haben. In
dieser Tasche liegt verborgen ein Veilchenstrauß, den
Ihr Herr Sohn, in Weimar in Gesellschaft bei Wie-
land, mir heimlich im Vorübergehen zuwarf. -- Frau
Mutter, damals war ich eifersüchtig auf den Wolf-
gang und glaubte, die Veilchen seien ihm von Frauen-
hand geschenkt; er aber sagte: kannst Du nicht zu-
frieden sein, daß ich sie Dir gebe? -- ich nahm heim-
lich seine Hand und zog sie an mein Herz, er trank
aus seinem Glas und stellte es vor mich, daß ich auch
draus trinken sollte; ich nahm es mit der linken Hand
und trank, und lachte ihn aus, denn ich wußte, daß
er es hier hingestellt hatte, damit ich seine Hand los-
lassen sollte. Er sagte: hast Du solche List, so wirst
Du auch wohl mich zu fesseln wissen mein Leben lang.
Ich sag' Ihr, mach' Sie sich nicht breit, daß ich Ihr

der Toilette fertig werden können, um bei'm Fürſt Pri-
mas zu Mittag zu eſſen. Ach! ſie wußten nicht was
ich wußte, — daß nämlich unter dem Wuſt von fal-
ſchen Locken, von goldnen Kämmen, Blonden, in roth-
ſammtner Taſche ein Schatz verborgen war, um den
ich beide Schachteln ins Waſſer geworfen haben würde,
mit allem was mein und nicht mein gehörte, und daß,
wenn dieſe nicht drinn geweſen wär', ſo würde ich mich
über die Rückfahrt der Schachteln gefreut haben. In
dieſer Taſche liegt verborgen ein Veilchenſtrauß, den
Ihr Herr Sohn, in Weimar in Geſellſchaft bei Wie-
land, mir heimlich im Vorübergehen zuwarf. — Frau
Mutter, damals war ich eiferſüchtig auf den Wolf-
gang und glaubte, die Veilchen ſeien ihm von Frauen-
hand geſchenkt; er aber ſagte: kannſt Du nicht zu-
frieden ſein, daß ich ſie Dir gebe? — ich nahm heim-
lich ſeine Hand und zog ſie an mein Herz, er trank
aus ſeinem Glas und ſtellte es vor mich, daß ich auch
draus trinken ſollte; ich nahm es mit der linken Hand
und trank, und lachte ihn aus, denn ich wußte, daß
er es hier hingeſtellt hatte, damit ich ſeine Hand los-
laſſen ſollte. Er ſagte: haſt Du ſolche Liſt, ſo wirſt
Du auch wohl mich zu feſſeln wiſſen mein Leben lang.
Ich ſag' Ihr, mach' Sie ſich nicht breit, daß ich Ihr

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[15/0047] der Toilette fertig werden können, um bei'm Fürſt Pri- mas zu Mittag zu eſſen. Ach! ſie wußten nicht was ich wußte, — daß nämlich unter dem Wuſt von fal- ſchen Locken, von goldnen Kämmen, Blonden, in roth- ſammtner Taſche ein Schatz verborgen war, um den ich beide Schachteln ins Waſſer geworfen haben würde, mit allem was mein und nicht mein gehörte, und daß, wenn dieſe nicht drinn geweſen wär', ſo würde ich mich über die Rückfahrt der Schachteln gefreut haben. In dieſer Taſche liegt verborgen ein Veilchenſtrauß, den Ihr Herr Sohn, in Weimar in Geſellſchaft bei Wie- land, mir heimlich im Vorübergehen zuwarf. — Frau Mutter, damals war ich eiferſüchtig auf den Wolf- gang und glaubte, die Veilchen ſeien ihm von Frauen- hand geſchenkt; er aber ſagte: kannſt Du nicht zu- frieden ſein, daß ich ſie Dir gebe? — ich nahm heim- lich ſeine Hand und zog ſie an mein Herz, er trank aus ſeinem Glas und ſtellte es vor mich, daß ich auch draus trinken ſollte; ich nahm es mit der linken Hand und trank, und lachte ihn aus, denn ich wußte, daß er es hier hingeſtellt hatte, damit ich ſeine Hand los- laſſen ſollte. Er ſagte: haſt Du ſolche Liſt, ſo wirſt Du auch wohl mich zu feſſeln wiſſen mein Leben lang. Ich ſag' Ihr, mach' Sie ſich nicht breit, daß ich Ihr

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/47>, abgerufen am 21.11.2024.