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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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weis machen, das war nach der alten Drehorgel gepfif-
fen. Hättest Du mich lieb, unmöglich könntest Du von
deinem Secretair einen Brief abschnurren lassen wie ein
Paternoster, er ist ein Philister daß er so was schreibt
und Dich selbst dazu macht, ich kann mir auch gar nicht
vorstellen, wie Du es mit ihm anstellst; sprichst Du ihm
denn den Inhalt deines Brief's vor, oder giebst Du ihm
deine Gedanken so im Rummel, daß er sie nachher rei-
henweis neben einander aufschichte? --

Verliebt bist Du und zwar in die Heldin deines
neuen Romans und das macht Dich so eingezogen und
so kalt gegen mich, Gott weiß welches Muster Dir hier
zum Ideal diente; ach Du hast einen eignen Geschmack
an Frauen, Werther's Lotte hatte mich nie erbaut, wär
ich nur damals bei der Hand gewesen, Werther hätte
sich nicht erschießen dürfen, und Lotte hätte sich geär-
gert daß ich ihn so schön trösten konnte.

So geht mir's auch im Wilhelm Meister, da sind
mir alle Frauen zuwieder, ich möchte sie alle zum Tem-
pel hinaus jagen, und darauf hatte ich auch gebaut,
Du würdest mich gleich lieb gewinnen, wenn Du mich
kennen lerntest, weil ich besser bin und liebenswürdiger
wie die ganze weibliche Comitee deiner Romane, ja
wahrhaftig das ist nicht viel gesagt, für Dich bin ich

weis machen, das war nach der alten Drehorgel gepfif-
fen. Hätteſt Du mich lieb, unmöglich könnteſt Du von
deinem Secretair einen Brief abſchnurren laſſen wie ein
Paternoſter, er iſt ein Philiſter daß er ſo was ſchreibt
und Dich ſelbſt dazu macht, ich kann mir auch gar nicht
vorſtellen, wie Du es mit ihm anſtellſt; ſprichſt Du ihm
denn den Inhalt deines Brief's vor, oder giebſt Du ihm
deine Gedanken ſo im Rummel, daß er ſie nachher rei-
henweis neben einander aufſchichte? —

Verliebt biſt Du und zwar in die Heldin deines
neuen Romans und das macht Dich ſo eingezogen und
ſo kalt gegen mich, Gott weiß welches Muſter Dir hier
zum Ideal diente; ach Du haſt einen eignen Geſchmack
an Frauen, Werther's Lotte hatte mich nie erbaut, wär
ich nur damals bei der Hand geweſen, Werther hätte
ſich nicht erſchießen dürfen, und Lotte hätte ſich geär-
gert daß ich ihn ſo ſchön tröſten konnte.

So geht mir's auch im Wilhelm Meiſter, da ſind
mir alle Frauen zuwieder, ich möchte ſie alle zum Tem-
pel hinaus jagen, und darauf hatte ich auch gebaut,
Du würdeſt mich gleich lieb gewinnen, wenn Du mich
kennen lernteſt, weil ich beſſer bin und liebenswürdiger
wie die ganze weibliche Comitee deiner Romane, ja
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[112/0122] weis machen, das war nach der alten Drehorgel gepfif- fen. Hätteſt Du mich lieb, unmöglich könnteſt Du von deinem Secretair einen Brief abſchnurren laſſen wie ein Paternoſter, er iſt ein Philiſter daß er ſo was ſchreibt und Dich ſelbſt dazu macht, ich kann mir auch gar nicht vorſtellen, wie Du es mit ihm anſtellſt; ſprichſt Du ihm denn den Inhalt deines Brief's vor, oder giebſt Du ihm deine Gedanken ſo im Rummel, daß er ſie nachher rei- henweis neben einander aufſchichte? — Verliebt biſt Du und zwar in die Heldin deines neuen Romans und das macht Dich ſo eingezogen und ſo kalt gegen mich, Gott weiß welches Muſter Dir hier zum Ideal diente; ach Du haſt einen eignen Geſchmack an Frauen, Werther's Lotte hatte mich nie erbaut, wär ich nur damals bei der Hand geweſen, Werther hätte ſich nicht erſchießen dürfen, und Lotte hätte ſich geär- gert daß ich ihn ſo ſchön tröſten konnte. So geht mir's auch im Wilhelm Meiſter, da ſind mir alle Frauen zuwieder, ich möchte ſie alle zum Tem- pel hinaus jagen, und darauf hatte ich auch gebaut, Du würdeſt mich gleich lieb gewinnen, wenn Du mich kennen lernteſt, weil ich beſſer bin und liebenswürdiger wie die ganze weibliche Comitee deiner Romane, ja wahrhaftig das iſt nicht viel geſagt, für Dich bin ich

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/122>, abgerufen am 24.11.2024.