wahre Ästhetik im hellen Spiegel der Schöpfung liege, wie Reif, Thau und Nebel, Regenbogen, Wind, Schnee, Hagel, Donner und die drohenden Kometen, die Nord- scheine etc. einen ganz andern Geist herbeiziehen. Der Gott, der den Winden Flügel anbindet, der wird sie euerm Geist auch anbinden.
Am 15. October.
Merkst Du denn nicht daß mein Datum immer zu- rück statt vorwärts geht? -- ich habe mir nämlich eine List ausgesonnen; da die Zeit mich immer weiter trägt, und nie zu Dir, so will ich zurückgehen bis auf den Tag, wo ich bei Dir war, und dort will ich stehen blei- ben und will von dem: In Zukunft; und: Mit der Zeit; und: Bald, gar nichts mehr wissen, sondern dem allen den Rücken kehren, ich will der Zukunft ein Schloß vor die Thür legen, und somit Dir auch den Weg ver- sperren, daß Du nirgends als zu mir kannst.
Schreib mir über die Musik, damit ich sie schicken kann, wenn Du sie nicht hast, ich schicke so gern etwas, dann bitte ich an die Frau meinen lieblichsten Gruß, des Sohns gedenke ich auch, Du aber schreib mir an einem hellen Tag; ich bilde mir immer ein, daß ich Dir
6**
wahre Äſthetik im hellen Spiegel der Schöpfung liege, wie Reif, Thau und Nebel, Regenbogen, Wind, Schnee, Hagel, Donner und die drohenden Kometen, die Nord- ſcheine ꝛc. einen ganz andern Geiſt herbeiziehen. Der Gott, der den Winden Flügel anbindet, der wird ſie euerm Geiſt auch anbinden.
Am 15. October.
Merkſt Du denn nicht daß mein Datum immer zu- rück ſtatt vorwärts geht? — ich habe mir nämlich eine Liſt ausgeſonnen; da die Zeit mich immer weiter trägt, und nie zu Dir, ſo will ich zurückgehen bis auf den Tag, wo ich bei Dir war, und dort will ich ſtehen blei- ben und will von dem: In Zukunft; und: Mit der Zeit; und: Bald, gar nichts mehr wiſſen, ſondern dem allen den Rücken kehren, ich will der Zukunft ein Schloß vor die Thür legen, und ſomit Dir auch den Weg ver- ſperren, daß Du nirgends als zu mir kannſt.
Schreib mir über die Muſik, damit ich ſie ſchicken kann, wenn Du ſie nicht haſt, ich ſchicke ſo gern etwas, dann bitte ich an die Frau meinen lieblichſten Gruß, des Sohns gedenke ich auch, Du aber ſchreib mir an einem hellen Tag; ich bilde mir immer ein, daß ich Dir
6**
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0139"n="129"/>
wahre Äſthetik im hellen Spiegel der Schöpfung liege,<lb/>
wie Reif, Thau und Nebel, Regenbogen, Wind, Schnee,<lb/>
Hagel, Donner und die drohenden Kometen, die Nord-<lb/>ſcheine ꝛc. einen ganz andern Geiſt herbeiziehen. Der<lb/>
Gott, der den Winden Flügel anbindet, der wird ſie<lb/>
euerm Geiſt auch anbinden.</p></div><lb/><divn="2"><dateline><hirendition="#et">Am 15. October.</hi></dateline><lb/><p>Merkſt Du denn nicht daß mein Datum immer zu-<lb/>
rück ſtatt vorwärts geht? — ich habe mir nämlich eine<lb/>
Liſt ausgeſonnen; da die Zeit mich immer weiter trägt,<lb/>
und nie zu Dir, ſo will <hirendition="#g">ich</hi> zurückgehen bis auf den<lb/>
Tag, wo ich bei Dir war, und dort will ich ſtehen blei-<lb/>
ben und will von dem: <hirendition="#g">In Zukunft</hi>; und: <hirendition="#g">Mit der<lb/>
Zeit</hi>; und: <hirendition="#g">Bald</hi>, gar nichts mehr wiſſen, ſondern dem<lb/>
allen den Rücken kehren, ich will der Zukunft ein Schloß<lb/>
vor die Thür legen, und ſomit Dir auch den Weg ver-<lb/>ſperren, daß Du nirgends als zu mir kannſt.</p><lb/><p>Schreib mir über die Muſik, damit ich ſie ſchicken<lb/>
kann, wenn Du ſie nicht haſt, ich ſchicke ſo gern etwas,<lb/>
dann bitte ich an die Frau meinen lieblichſten Gruß,<lb/>
des Sohns gedenke ich auch, Du aber ſchreib mir an<lb/>
einem hellen Tag; ich bilde mir immer ein, daß ich Dir<lb/><fwplace="bottom"type="sig">6**</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[129/0139]
wahre Äſthetik im hellen Spiegel der Schöpfung liege,
wie Reif, Thau und Nebel, Regenbogen, Wind, Schnee,
Hagel, Donner und die drohenden Kometen, die Nord-
ſcheine ꝛc. einen ganz andern Geiſt herbeiziehen. Der
Gott, der den Winden Flügel anbindet, der wird ſie
euerm Geiſt auch anbinden.
Am 15. October.
Merkſt Du denn nicht daß mein Datum immer zu-
rück ſtatt vorwärts geht? — ich habe mir nämlich eine
Liſt ausgeſonnen; da die Zeit mich immer weiter trägt,
und nie zu Dir, ſo will ich zurückgehen bis auf den
Tag, wo ich bei Dir war, und dort will ich ſtehen blei-
ben und will von dem: In Zukunft; und: Mit der
Zeit; und: Bald, gar nichts mehr wiſſen, ſondern dem
allen den Rücken kehren, ich will der Zukunft ein Schloß
vor die Thür legen, und ſomit Dir auch den Weg ver-
ſperren, daß Du nirgends als zu mir kannſt.
Schreib mir über die Muſik, damit ich ſie ſchicken
kann, wenn Du ſie nicht haſt, ich ſchicke ſo gern etwas,
dann bitte ich an die Frau meinen lieblichſten Gruß,
des Sohns gedenke ich auch, Du aber ſchreib mir an
einem hellen Tag; ich bilde mir immer ein, daß ich Dir
6**
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/139>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.