Jahres geschlagen, wer würde mich bemitleiden? -- Ach und wer bin ich daß ich meine Anklage meinen Fluch dürfte verlauten lassen? -- Jeder hat das Recht sich den höchsten Geschicken zu vermählen dem es so rast im Herzen wie mir, ach ich hab auch zu nichts mehr Lust und Vertrauen; der kalte Winterwind der heute stürmt mit dem bin ich nicht im Wiederspruch der belügt mich doch nicht. Vor sechs Wochen waren noch schöne Tage wir machten eine Re[i]se in's Gebürg, wie wir uns dem Kettenwerk der felsigen Alpen näherten, das hat mäch- tig in mir gearbeitet, die Asche fiel vom Herzen es strömte Frühlingsgluth in den matten Schein der Herbst- sonne. Es war herrlich unter den Tannen und Fichten auf der Hochalme, sie neigten im Windesrauschen ihre Wipfel zu einander; war ich ein Kätzchen, in ihrem Schatten hätte mich des Kaisers Majestät nicht geblen- det. -- Hier lag ich am jähen Abhang, und überschaute das enge Thal, dem verkuppelt mit Bergen hierogly- phische Felswände entstiegen. Ich war allein auf steil- ster Höhe und übersah unzählige Schluchten, die ge- fühlvollen Entzückungsprediger waren zurückgeblieben es war für sie zu steil. -- Wären wir beide doch dort beisammen im Sommer, und stiegen Hand in Hand be- dachtsam, langsam, einsam den gefahrsamen Pfad hinab,
Jahres geſchlagen, wer würde mich bemitleiden? — Ach und wer bin ich daß ich meine Anklage meinen Fluch dürfte verlauten laſſen? — Jeder hat das Recht ſich den höchſten Geſchicken zu vermählen dem es ſo raſt im Herzen wie mir, ach ich hab auch zu nichts mehr Luſt und Vertrauen; der kalte Winterwind der heute ſtürmt mit dem bin ich nicht im Wiederſpruch der belügt mich doch nicht. Vor ſechs Wochen waren noch ſchöne Tage wir machten eine Re[i]ſe in's Gebürg, wie wir uns dem Kettenwerk der felſigen Alpen näherten, das hat mäch- tig in mir gearbeitet, die Aſche fiel vom Herzen es ſtrömte Frühlingsgluth in den matten Schein der Herbſt- ſonne. Es war herrlich unter den Tannen und Fichten auf der Hochalme, ſie neigten im Windesrauſchen ihre Wipfel zu einander; war ich ein Kätzchen, in ihrem Schatten hätte mich des Kaiſers Majeſtät nicht geblen- det. — Hier lag ich am jähen Abhang, und überſchaute das enge Thal, dem verkuppelt mit Bergen hierogly- phiſche Felswände entſtiegen. Ich war allein auf ſteil- ſter Höhe und überſah unzählige Schluchten, die ge- fühlvollen Entzückungsprediger waren zurückgeblieben es war für ſie zu ſteil. — Wären wir beide doch dort beiſammen im Sommer, und ſtiegen Hand in Hand be- dachtſam, langſam, einſam den gefahrſamen Pfad hinab,
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Jahres geſchlagen, wer würde mich bemitleiden? — Ach
und wer bin ich daß ich meine Anklage meinen Fluch
dürfte verlauten laſſen? — Jeder hat das Recht ſich
den höchſten Geſchicken zu vermählen dem es ſo raſt im
Herzen wie mir, ach ich hab auch zu nichts mehr Luſt
und Vertrauen; der kalte Winterwind der heute ſtürmt
mit dem bin ich nicht im Wiederſpruch der belügt mich
doch nicht. Vor ſechs Wochen waren noch ſchöne Tage
wir machten eine Reiſe in's Gebürg, wie wir uns dem
Kettenwerk der felſigen Alpen näherten, das hat mäch-
tig in mir gearbeitet, die Aſche fiel vom Herzen es
ſtrömte Frühlingsgluth in den matten Schein der Herbſt-
ſonne. Es war herrlich unter den Tannen und Fichten
auf der Hochalme, ſie neigten im Windesrauſchen ihre
Wipfel zu einander; war ich ein Kätzchen, in ihrem
Schatten hätte mich des Kaiſers Majeſtät nicht geblen-
det. — Hier lag ich am jähen Abhang, und überſchaute
das enge Thal, dem verkuppelt mit Bergen hierogly-
phiſche Felswände entſtiegen. Ich war allein auf ſteil-
ſter Höhe und überſah unzählige Schluchten, die ge-
fühlvollen Entzückungsprediger waren zurückgeblieben
es war für ſie zu ſteil. — Wären wir beide doch dort
beiſammen im Sommer, und ſtiegen Hand in Hand be-
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/159>, abgerufen am 21.11.2024.
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