den Wagen noch einmal zu begegnen, ich werde das nie vergessen wie er im Felde stand und sein kleines Schnupf- tüchelchen im Winde wehen ließ, und die Thränen ihn hinderten aufzusehen wie der Wagen an ihm vorbei- rollte; die Schwaben hab ich lieb.
Mehrere der geliebtesten Schüler Savigny's beglei- teten uns bis Salzburg, der erste und älteste, Nepomuk Ringseis, ein treuer Hausfreund, hat ein Gesicht wie aus Stahl gegossen, alte Ritterphysiognomie, kleiner, scharfer Mund, schwarzer Schnauzbart, Augen, aus de- nen die Funken fahren, in seiner Brust hämmert's wie in einer Schmiede, will vor Begeisterung zerspringen, und da er ein feuriger Christ ist, so möchte er den Ju- piter aus der Rumpelkammer der alten Gottheiten vor- kriegen, um ihn zu Taufen und zu bekehren.
Der zweite, ein Herr von Schenk, hat weit mehr feine Bildung, hat Schauspieler kennen lernen, decla- mirt öffentlich, war verliebt ganz glühend, oder ist es noch, mußte seine Gefühle in Poesie ausströmen, lauter Sonette, lacht sich selbst aus über seine Galanterie, blonder Lockenkopf, etwas starke Nase, angenehm, kind- lich, äußerst ausgezeichnet im Studieren. Der dritte, der Italiener Salvotti, schön im weiten grünen Mantel,
den Wagen noch einmal zu begegnen, ich werde das nie vergeſſen wie er im Felde ſtand und ſein kleines Schnupf- tüchelchen im Winde wehen ließ, und die Thränen ihn hinderten aufzuſehen wie der Wagen an ihm vorbei- rollte; die Schwaben hab ich lieb.
Mehrere der geliebteſten Schüler Savigny's beglei- teten uns bis Salzburg, der erſte und älteſte, Nepomuk Ringseis, ein treuer Hausfreund, hat ein Geſicht wie aus Stahl gegoſſen, alte Ritterphyſiognomie, kleiner, ſcharfer Mund, ſchwarzer Schnauzbart, Augen, aus de- nen die Funken fahren, in ſeiner Bruſt hämmert's wie in einer Schmiede, will vor Begeiſterung zerſpringen, und da er ein feuriger Chriſt iſt, ſo möchte er den Ju- piter aus der Rumpelkammer der alten Gottheiten vor- kriegen, um ihn zu Taufen und zu bekehren.
Der zweite, ein Herr von Schenk, hat weit mehr feine Bildung, hat Schauſpieler kennen lernen, decla- mirt öffentlich, war verliebt ganz glühend, oder iſt es noch, mußte ſeine Gefühle in Poeſie ausſtrömen, lauter Sonette, lacht ſich ſelbſt aus über ſeine Galanterie, blonder Lockenkopf, etwas ſtarke Naſe, angenehm, kind- lich, äußerſt ausgezeichnet im Studieren. Der dritte, der Italiener Salvotti, ſchön im weiten grünen Mantel,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0191"n="181"/>
den Wagen noch einmal zu begegnen, ich werde das nie<lb/>
vergeſſen wie er im Felde ſtand und ſein kleines Schnupf-<lb/>
tüchelchen im Winde wehen ließ, und die Thränen ihn<lb/>
hinderten aufzuſehen wie der Wagen an ihm vorbei-<lb/>
rollte; die Schwaben hab ich lieb.</p><lb/><p>Mehrere der geliebteſten Schüler Savigny's beglei-<lb/>
teten uns bis Salzburg, der erſte und älteſte, Nepomuk<lb/>
Ringseis, ein treuer Hausfreund, hat ein Geſicht wie<lb/>
aus Stahl gegoſſen, alte Ritterphyſiognomie, kleiner,<lb/>ſcharfer Mund, ſchwarzer Schnauzbart, Augen, aus de-<lb/>
nen die Funken fahren, in ſeiner Bruſt hämmert's wie<lb/>
in einer Schmiede, will vor Begeiſterung zerſpringen,<lb/>
und da er ein feuriger Chriſt iſt, ſo möchte er den Ju-<lb/>
piter aus der Rumpelkammer der alten Gottheiten vor-<lb/>
kriegen, um ihn zu Taufen und zu bekehren.</p><lb/><p>Der zweite, ein Herr von Schenk, hat weit mehr<lb/>
feine Bildung, hat Schauſpieler kennen lernen, decla-<lb/>
mirt öffentlich, war verliebt ganz glühend, oder iſt es<lb/>
noch, mußte ſeine Gefühle in Poeſie ausſtrömen, lauter<lb/>
Sonette, lacht ſich ſelbſt aus über ſeine Galanterie,<lb/>
blonder Lockenkopf, etwas ſtarke Naſe, angenehm, kind-<lb/>
lich, äußerſt ausgezeichnet im Studieren. Der dritte,<lb/>
der Italiener Salvotti, ſchön im weiten grünen Mantel,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[181/0191]
den Wagen noch einmal zu begegnen, ich werde das nie
vergeſſen wie er im Felde ſtand und ſein kleines Schnupf-
tüchelchen im Winde wehen ließ, und die Thränen ihn
hinderten aufzuſehen wie der Wagen an ihm vorbei-
rollte; die Schwaben hab ich lieb.
Mehrere der geliebteſten Schüler Savigny's beglei-
teten uns bis Salzburg, der erſte und älteſte, Nepomuk
Ringseis, ein treuer Hausfreund, hat ein Geſicht wie
aus Stahl gegoſſen, alte Ritterphyſiognomie, kleiner,
ſcharfer Mund, ſchwarzer Schnauzbart, Augen, aus de-
nen die Funken fahren, in ſeiner Bruſt hämmert's wie
in einer Schmiede, will vor Begeiſterung zerſpringen,
und da er ein feuriger Chriſt iſt, ſo möchte er den Ju-
piter aus der Rumpelkammer der alten Gottheiten vor-
kriegen, um ihn zu Taufen und zu bekehren.
Der zweite, ein Herr von Schenk, hat weit mehr
feine Bildung, hat Schauſpieler kennen lernen, decla-
mirt öffentlich, war verliebt ganz glühend, oder iſt es
noch, mußte ſeine Gefühle in Poeſie ausſtrömen, lauter
Sonette, lacht ſich ſelbſt aus über ſeine Galanterie,
blonder Lockenkopf, etwas ſtarke Naſe, angenehm, kind-
lich, äußerſt ausgezeichnet im Studieren. Der dritte,
der Italiener Salvotti, ſchön im weiten grünen Mantel,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/191>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.