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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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ich gelassenen Flugs über Berg und Thal zu Dir. --
Ach, lasse alles sein, mache deine lieben Augen zu, leb
in mir einen Augenblick, vergesse was zwischen uns
liegt, die weiten Meilen und auch die lange Zeit. --
Von da aus, wo ich Dich zum letztenmal sah, sehe mich
an; -- ständ ich doch vor Dir! -- könnt ich's Dir deut-
lich machen! -- der tiefe Schauder, der mich schüttelt,
wenn ich eine Weile der Welt mit zugesehen habe, wenn
ich dann hinter mich sehe in die Einsamkeit und fühle
wie fremd mir alles ist. Wie kömmt's, daß ich dennoch
grüne und blühe in dieser Öde? -- Wo kömmt mir der
Thau, die Nahrung, die Wärme, der Seegen her? --
von dieser Liebe zwischen uns, in der ich mich selbst so
lieblich fühle. -- Wenn ich bei Dir wär, ich wollte Dir
viel wiedergeben für alles. -- Es ist Beethoven, von
dem ich Dir jetzt sprechen will, und bei dem ich der Welt
und deiner vergessen habe; ich bin zwar unmündig, aber
ich irre darum nicht, wenn ich ausspreche (was jetzt viel-
leicht keiner versteht und glaubt), er schreite weit der
Bildung der ganzen Menschheit voran, und ob wir ihn
je einholen? -- ich zweifle; möge er nur leben bis das
gewaltige und erhabene Räthsel, was in seinem Geiste
liegt, zu seiner höchsten Vollendung herangereift ist, ja-
möge er sein höchstes Ziel erreichen, gewiß dann läßt

ich gelaſſenen Flugs über Berg und Thal zu Dir. —
Ach, laſſe alles ſein, mache deine lieben Augen zu, leb
in mir einen Augenblick, vergeſſe was zwiſchen uns
liegt, die weiten Meilen und auch die lange Zeit. —
Von da aus, wo ich Dich zum letztenmal ſah, ſehe mich
an; — ſtänd ich doch vor Dir! — könnt ich's Dir deut-
lich machen! — der tiefe Schauder, der mich ſchüttelt,
wenn ich eine Weile der Welt mit zugeſehen habe, wenn
ich dann hinter mich ſehe in die Einſamkeit und fühle
wie fremd mir alles iſt. Wie kömmt's, daß ich dennoch
grüne und blühe in dieſer Öde? — Wo kömmt mir der
Thau, die Nahrung, die Wärme, der Seegen her? —
von dieſer Liebe zwiſchen uns, in der ich mich ſelbſt ſo
lieblich fühle. — Wenn ich bei Dir wär, ich wollte Dir
viel wiedergeben für alles. — Es iſt Beethoven, von
dem ich Dir jetzt ſprechen will, und bei dem ich der Welt
und deiner vergeſſen habe; ich bin zwar unmündig, aber
ich irre darum nicht, wenn ich ausſpreche (was jetzt viel-
leicht keiner verſteht und glaubt), er ſchreite weit der
Bildung der ganzen Menſchheit voran, und ob wir ihn
je einholen? — ich zweifle; möge er nur leben bis das
gewaltige und erhabene Räthſel, was in ſeinem Geiſte
liegt, zu ſeiner höchſten Vollendung herangereift iſt, ja-
möge er ſein höchſtes Ziel erreichen, gewiß dann läßt

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[191/0201] ich gelaſſenen Flugs über Berg und Thal zu Dir. — Ach, laſſe alles ſein, mache deine lieben Augen zu, leb in mir einen Augenblick, vergeſſe was zwiſchen uns liegt, die weiten Meilen und auch die lange Zeit. — Von da aus, wo ich Dich zum letztenmal ſah, ſehe mich an; — ſtänd ich doch vor Dir! — könnt ich's Dir deut- lich machen! — der tiefe Schauder, der mich ſchüttelt, wenn ich eine Weile der Welt mit zugeſehen habe, wenn ich dann hinter mich ſehe in die Einſamkeit und fühle wie fremd mir alles iſt. Wie kömmt's, daß ich dennoch grüne und blühe in dieſer Öde? — Wo kömmt mir der Thau, die Nahrung, die Wärme, der Seegen her? — von dieſer Liebe zwiſchen uns, in der ich mich ſelbſt ſo lieblich fühle. — Wenn ich bei Dir wär, ich wollte Dir viel wiedergeben für alles. — Es iſt Beethoven, von dem ich Dir jetzt ſprechen will, und bei dem ich der Welt und deiner vergeſſen habe; ich bin zwar unmündig, aber ich irre darum nicht, wenn ich ausſpreche (was jetzt viel- leicht keiner verſteht und glaubt), er ſchreite weit der Bildung der ganzen Menſchheit voran, und ob wir ihn je einholen? — ich zweifle; möge er nur leben bis das gewaltige und erhabene Räthſel, was in ſeinem Geiſte liegt, zu ſeiner höchſten Vollendung herangereift iſt, ja- möge er ſein höchſtes Ziel erreichen, gewiß dann läßt

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/201>, abgerufen am 22.11.2024.