weg war sagte Jacobi, nun die Bettine hat dem Sai- ler das Herz gewonnen; wer ist der Mann? fragte ich. Wie! sie kennen Sailer nicht, haben ihn nie nennen hören, den allgemein gefeierten, geliebten, den Philoso- phen Gottes, so gut wie Plato der göttliche Philosoph ist? -- Diese Worte haben mir von Jacobi gefallen, ich freue mich unendlich auf den Sailer, er ist Professor in Landshut. Während dem Carneval ist hier ein Strom von Festen die einen wahren Strudel bilden, so greifen sie in einander; es werden wöchentlich neue Opern ge- geben die meinen alten Winter sehr im Athem erhalten, ich hör' manches mit großem Antheil, wollt ich ihm sa- gen was ich dadurch lerne er würde es nicht begreifen. Am Rhein haben wir über Musik geschrieben, ich weiß nicht mehr was; ich hab Dir noch mehr zu sagen, neues, für mich erstaunungswürdiges, kaum zu fassen für mei- nen schwachen Geist, und doch erfahre ich's nur durch mich selbst. Soll ich da nicht glauben, daß ich einen Dämon habe der mich belehrt, ja es kommt alles auf die Frage an, je tiefer Du fragst je gewaltiger ist die Antwort, der Genius bleibt keine schuldig; aber wir scheuen uns zu fragen und noch mehr, die Antwort zu vernehmen und zu begreifen denn das kostet Mühe und Schmerzen, anders können wir nichts lernen, wo sollten
weg war ſagte Jacobi, nun die Bettine hat dem Sai- ler das Herz gewonnen; wer iſt der Mann? fragte ich. Wie! ſie kennen Sailer nicht, haben ihn nie nennen hören, den allgemein gefeierten, geliebten, den Philoſo- phen Gottes, ſo gut wie Plato der göttliche Philoſoph iſt? — Dieſe Worte haben mir von Jacobi gefallen, ich freue mich unendlich auf den Sailer, er iſt Profeſſor in Landshut. Während dem Carneval iſt hier ein Strom von Feſten die einen wahren Strudel bilden, ſo greifen ſie in einander; es werden wöchentlich neue Opern ge- geben die meinen alten Winter ſehr im Athem erhalten, ich hör' manches mit großem Antheil, wollt ich ihm ſa- gen was ich dadurch lerne er würde es nicht begreifen. Am Rhein haben wir über Muſik geſchrieben, ich weiß nicht mehr was; ich hab Dir noch mehr zu ſagen, neues, für mich erſtaunungswürdiges, kaum zu faſſen für mei- nen ſchwachen Geiſt, und doch erfahre ich's nur durch mich ſelbſt. Soll ich da nicht glauben, daß ich einen Dämon habe der mich belehrt, ja es kommt alles auf die Frage an, je tiefer Du fragſt je gewaltiger iſt die Antwort, der Genius bleibt keine ſchuldig; aber wir ſcheuen uns zu fragen und noch mehr, die Antwort zu vernehmen und zu begreifen denn das koſtet Mühe und Schmerzen, anders können wir nichts lernen, wo ſollten
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0021"n="11"/>
weg war ſagte Jacobi, nun die Bettine hat dem Sai-<lb/>
ler das Herz gewonnen; wer iſt der Mann? fragte ich.<lb/>
Wie! ſie kennen Sailer nicht, haben ihn nie nennen<lb/>
hören, den allgemein gefeierten, geliebten, den Philoſo-<lb/>
phen Gottes, ſo gut wie Plato der göttliche Philoſoph<lb/>
iſt? — Dieſe Worte haben mir von Jacobi gefallen,<lb/>
ich freue mich unendlich auf den Sailer, er iſt Profeſſor<lb/>
in Landshut. Während dem Carneval iſt hier ein Strom<lb/>
von Feſten die einen wahren Strudel bilden, ſo greifen<lb/>ſie in einander; es werden wöchentlich neue Opern ge-<lb/>
geben die meinen alten Winter ſehr im Athem erhalten,<lb/>
ich hör' manches mit großem Antheil, wollt ich ihm ſa-<lb/>
gen was ich dadurch lerne er würde es nicht begreifen.<lb/>
Am Rhein haben wir über Muſik geſchrieben, ich weiß<lb/>
nicht mehr was; ich hab Dir noch mehr zu ſagen, neues,<lb/>
für mich erſtaunungswürdiges, kaum zu faſſen für mei-<lb/>
nen ſchwachen Geiſt, und doch erfahre ich's nur durch<lb/>
mich ſelbſt. Soll ich da nicht glauben, daß ich einen<lb/>
Dämon habe der mich belehrt, ja es kommt alles auf<lb/>
die Frage an, je tiefer Du fragſt je gewaltiger iſt die<lb/>
Antwort, der Genius bleibt keine ſchuldig; aber wir<lb/>ſcheuen uns zu fragen und noch mehr, die Antwort zu<lb/>
vernehmen und zu begreifen denn das koſtet Mühe und<lb/>
Schmerzen, anders können wir nichts lernen, wo ſollten<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[11/0021]
weg war ſagte Jacobi, nun die Bettine hat dem Sai-
ler das Herz gewonnen; wer iſt der Mann? fragte ich.
Wie! ſie kennen Sailer nicht, haben ihn nie nennen
hören, den allgemein gefeierten, geliebten, den Philoſo-
phen Gottes, ſo gut wie Plato der göttliche Philoſoph
iſt? — Dieſe Worte haben mir von Jacobi gefallen,
ich freue mich unendlich auf den Sailer, er iſt Profeſſor
in Landshut. Während dem Carneval iſt hier ein Strom
von Feſten die einen wahren Strudel bilden, ſo greifen
ſie in einander; es werden wöchentlich neue Opern ge-
geben die meinen alten Winter ſehr im Athem erhalten,
ich hör' manches mit großem Antheil, wollt ich ihm ſa-
gen was ich dadurch lerne er würde es nicht begreifen.
Am Rhein haben wir über Muſik geſchrieben, ich weiß
nicht mehr was; ich hab Dir noch mehr zu ſagen, neues,
für mich erſtaunungswürdiges, kaum zu faſſen für mei-
nen ſchwachen Geiſt, und doch erfahre ich's nur durch
mich ſelbſt. Soll ich da nicht glauben, daß ich einen
Dämon habe der mich belehrt, ja es kommt alles auf
die Frage an, je tiefer Du fragſt je gewaltiger iſt die
Antwort, der Genius bleibt keine ſchuldig; aber wir
ſcheuen uns zu fragen und noch mehr, die Antwort zu
vernehmen und zu begreifen denn das koſtet Mühe und
Schmerzen, anders können wir nichts lernen, wo ſollten
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/21>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.