Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

säuerliche Kräuter frißt denn sie schmazt. Die Menschen
seh ich nicht gerne essen, da fühl ich mich beschämt. Der
Geruch aus der Küche wo allerlei bereitet wird, kränkt
mich, da wird gesotten und gebraten und gespickt; Du
weißt vielleicht nicht was das ist? -- Das ist eine ge-
waltig große Nähnadel in die wird Speck eingefädelt,
und damit wird das Fleisch der Thiere benäht, da setzen
sich die vornehmen, gebildeten Männer die den Staat
regieren an die Tafel und kauen in Gesellschaft. In
Wien wie sie den Tyrolern Verzeihung für die Revo-
lution ausgemacht haben, die sie doch selbst angezettelt
hatten, und haben den Hofer an die Franzosen verkauft,
das ist alles bei Tafel ausgemacht worden, mit trunk-
nem Muth ließ sich das ohne sonderliche Gewissensbisse
einrichten.

Die Diplomaten haben zwar die List des Teufels,
der Teufel hat sie aber doch zum besten, das sieht man
an ihren närrischen Gesichtern, auf denen der Teufel alle
ihre Intriguen abmalt. In was liegt denn die höchste
Würde als nur im Dienst der Menschheit, welche herr-
liche Aufgabe für den Landesherrn, daß alle Kinder
kommen und flehen gieb uns unser täglich Brod? --
und daß er sagen kann: da habt! nehmt alles, denn ich
bedarf nur daß Ihr versorgt seid, ja wahrlich! was

ſäuerliche Kräuter frißt denn ſie ſchmazt. Die Menſchen
ſeh ich nicht gerne eſſen, da fühl ich mich beſchämt. Der
Geruch aus der Küche wo allerlei bereitet wird, kränkt
mich, da wird geſotten und gebraten und geſpickt; Du
weißt vielleicht nicht was das iſt? — Das iſt eine ge-
waltig große Nähnadel in die wird Speck eingefädelt,
und damit wird das Fleiſch der Thiere benäht, da ſetzen
ſich die vornehmen, gebildeten Männer die den Staat
regieren an die Tafel und kauen in Geſellſchaft. In
Wien wie ſie den Tyrolern Verzeihung für die Revo-
lution ausgemacht haben, die ſie doch ſelbſt angezettelt
hatten, und haben den Hofer an die Franzoſen verkauft,
das iſt alles bei Tafel ausgemacht worden, mit trunk-
nem Muth ließ ſich das ohne ſonderliche Gewiſſensbiſſe
einrichten.

Die Diplomaten haben zwar die Liſt des Teufels,
der Teufel hat ſie aber doch zum beſten, das ſieht man
an ihren närriſchen Geſichtern, auf denen der Teufel alle
ihre Intriguen abmalt. In was liegt denn die höchſte
Würde als nur im Dienſt der Menſchheit, welche herr-
liche Aufgabe für den Landesherrn, daß alle Kinder
kommen und flehen gieb uns unſer täglich Brod? —
und daß er ſagen kann: da habt! nehmt alles, denn ich
bedarf nur daß Ihr verſorgt ſeid, ja wahrlich! was

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0238" n="228"/>
&#x017F;äuerliche Kräuter frißt denn &#x017F;ie &#x017F;chmazt. Die Men&#x017F;chen<lb/>
&#x017F;eh ich nicht gerne e&#x017F;&#x017F;en, da fühl ich mich be&#x017F;chämt. Der<lb/>
Geruch aus der Küche wo allerlei bereitet wird, kränkt<lb/>
mich, da wird ge&#x017F;otten und gebraten und ge&#x017F;pickt; Du<lb/>
weißt vielleicht nicht was das i&#x017F;t? &#x2014; Das i&#x017F;t eine ge-<lb/>
waltig große Nähnadel in die wird Speck eingefädelt,<lb/>
und damit wird das Flei&#x017F;ch der Thiere benäht, da &#x017F;etzen<lb/>
&#x017F;ich die vornehmen, gebildeten Männer die den Staat<lb/>
regieren an die Tafel und kauen in Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft. In<lb/>
Wien wie &#x017F;ie den Tyrolern Verzeihung für die Revo-<lb/>
lution ausgemacht haben, die &#x017F;ie doch &#x017F;elb&#x017F;t angezettelt<lb/>
hatten, und haben den Hofer an die Franzo&#x017F;en verkauft,<lb/>
das i&#x017F;t alles bei Tafel ausgemacht worden, mit trunk-<lb/>
nem Muth ließ &#x017F;ich das ohne &#x017F;onderliche Gewi&#x017F;&#x017F;ensbi&#x017F;&#x017F;e<lb/>
einrichten.</p><lb/>
          <p>Die Diplomaten haben zwar die Li&#x017F;t des Teufels,<lb/>
der Teufel hat &#x017F;ie aber doch zum be&#x017F;ten, das &#x017F;ieht man<lb/>
an ihren närri&#x017F;chen Ge&#x017F;ichtern, auf denen der Teufel alle<lb/>
ihre Intriguen abmalt. In was liegt denn die höch&#x017F;te<lb/>
Würde als nur im Dien&#x017F;t der Men&#x017F;chheit, welche herr-<lb/>
liche Aufgabe für den Landesherrn, daß alle Kinder<lb/>
kommen und flehen gieb uns un&#x017F;er täglich Brod? &#x2014;<lb/>
und daß er &#x017F;agen kann: da habt! nehmt alles, denn ich<lb/>
bedarf nur daß Ihr ver&#x017F;orgt &#x017F;eid, ja wahrlich! was<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[228/0238] ſäuerliche Kräuter frißt denn ſie ſchmazt. Die Menſchen ſeh ich nicht gerne eſſen, da fühl ich mich beſchämt. Der Geruch aus der Küche wo allerlei bereitet wird, kränkt mich, da wird geſotten und gebraten und geſpickt; Du weißt vielleicht nicht was das iſt? — Das iſt eine ge- waltig große Nähnadel in die wird Speck eingefädelt, und damit wird das Fleiſch der Thiere benäht, da ſetzen ſich die vornehmen, gebildeten Männer die den Staat regieren an die Tafel und kauen in Geſellſchaft. In Wien wie ſie den Tyrolern Verzeihung für die Revo- lution ausgemacht haben, die ſie doch ſelbſt angezettelt hatten, und haben den Hofer an die Franzoſen verkauft, das iſt alles bei Tafel ausgemacht worden, mit trunk- nem Muth ließ ſich das ohne ſonderliche Gewiſſensbiſſe einrichten. Die Diplomaten haben zwar die Liſt des Teufels, der Teufel hat ſie aber doch zum beſten, das ſieht man an ihren närriſchen Geſichtern, auf denen der Teufel alle ihre Intriguen abmalt. In was liegt denn die höchſte Würde als nur im Dienſt der Menſchheit, welche herr- liche Aufgabe für den Landesherrn, daß alle Kinder kommen und flehen gieb uns unſer täglich Brod? — und daß er ſagen kann: da habt! nehmt alles, denn ich bedarf nur daß Ihr verſorgt ſeid, ja wahrlich! was

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/238
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/238>, abgerufen am 24.11.2024.