Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

ben. -- Es ist halt überall ruhig, oder vielmehr öde.
Daß die Wahrheit sei, dazu gehört nicht einer; aber
daß die Wahrheit sich an ihnen bewähre dazu gehören
alle Menschen. Mann! dessen Fleisch und Bein so von
der Schönheit deiner Seele durchdrungen ist, wie darf
ich Leib und Seele so beisammen lieb haben! -- oft
denk ich bei mir ich möchte besser und herrlicher sein
damit ich doch die Ansprüche an Dich rechtfertigen
könnte aber kann ich's? -- Dann muß ich an Dich
denken, Dich vor mir sehen, und habe nichts wenn mir
die Liebe nicht als Verdienst gelten soll? -- solche Liebe
ist nicht unfruchtbar. -- Und doch darf ich nicht nach-
denken, ich könnte mir den Tod dran holen, ist was
dran gelegen? -- ja wohl! ich hab eine Wiege in dei-
nem Herzen und wer mich da heraus stielt, sei es Tod
oder Leben der raubt Dir ein Kind. Ein Kopfkissen
möcht ich mit Dir haben, aber ein hartes; sag es nie-
mand daß ich so bei Dir liegen möchte, in tiefster
Ruh an deiner Seite. Es giebt viele Auswege und
Durchgänge in der Welt, einsame Wälder und Höhlen
die kein End haben, aber keiner ist so zum Schlaf zum
Wohlsein eingerichtet als nur Gottes Schooß; ich denk
mir's da breit und behaglich, und daß einer mit dem
Kopf auf des andern Brust ruhe, und daß ein warmer

ben. — Es iſt halt überall ruhig, oder vielmehr öde.
Daß die Wahrheit ſei, dazu gehört nicht einer; aber
daß die Wahrheit ſich an ihnen bewähre dazu gehören
alle Menſchen. Mann! deſſen Fleiſch und Bein ſo von
der Schönheit deiner Seele durchdrungen iſt, wie darf
ich Leib und Seele ſo beiſammen lieb haben! — oft
denk ich bei mir ich möchte beſſer und herrlicher ſein
damit ich doch die Anſprüche an Dich rechtfertigen
könnte aber kann ich's? — Dann muß ich an Dich
denken, Dich vor mir ſehen, und habe nichts wenn mir
die Liebe nicht als Verdienſt gelten ſoll? — ſolche Liebe
iſt nicht unfruchtbar. — Und doch darf ich nicht nach-
denken, ich könnte mir den Tod dran holen, iſt was
dran gelegen? — ja wohl! ich hab eine Wiege in dei-
nem Herzen und wer mich da heraus ſtielt, ſei es Tod
oder Leben der raubt Dir ein Kind. Ein Kopfkiſſen
möcht ich mit Dir haben, aber ein hartes; ſag es nie-
mand daß ich ſo bei Dir liegen möchte, in tiefſter
Ruh an deiner Seite. Es giebt viele Auswege und
Durchgänge in der Welt, einſame Wälder und Höhlen
die kein End haben, aber keiner iſt ſo zum Schlaf zum
Wohlſein eingerichtet als nur Gottes Schooß; ich denk
mir's da breit und behaglich, und daß einer mit dem
Kopf auf des andern Bruſt ruhe, und daß ein warmer

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0244" n="234"/>
ben. &#x2014; Es i&#x017F;t halt überall ruhig, oder vielmehr öde.<lb/>
Daß die Wahrheit &#x017F;ei, dazu gehört nicht einer; aber<lb/>
daß die Wahrheit &#x017F;ich an ihnen bewähre dazu gehören<lb/>
alle Men&#x017F;chen. Mann! de&#x017F;&#x017F;en Flei&#x017F;ch und Bein &#x017F;o von<lb/>
der Schönheit deiner Seele durchdrungen i&#x017F;t, wie darf<lb/>
ich Leib und Seele &#x017F;o bei&#x017F;ammen lieb haben! &#x2014; oft<lb/>
denk ich bei mir ich möchte be&#x017F;&#x017F;er und herrlicher &#x017F;ein<lb/>
damit ich doch die An&#x017F;prüche an Dich rechtfertigen<lb/>
könnte aber kann ich's? &#x2014; Dann muß ich an Dich<lb/>
denken, Dich vor mir &#x017F;ehen, und habe nichts wenn mir<lb/>
die Liebe nicht als Verdien&#x017F;t gelten &#x017F;oll? &#x2014; &#x017F;olche Liebe<lb/>
i&#x017F;t nicht unfruchtbar. &#x2014; Und doch darf ich nicht nach-<lb/>
denken, ich könnte mir den Tod dran holen, i&#x017F;t was<lb/>
dran gelegen? &#x2014; ja wohl! ich hab eine Wiege in dei-<lb/>
nem Herzen und wer mich da heraus &#x017F;tielt, &#x017F;ei es Tod<lb/>
oder Leben der raubt Dir ein Kind. <hi rendition="#g">Ein</hi> Kopfki&#x017F;&#x017F;en<lb/>
möcht ich mit Dir haben, aber ein hartes; &#x017F;ag es nie-<lb/>
mand daß ich &#x017F;o bei Dir liegen möchte, in tief&#x017F;ter<lb/>
Ruh an deiner Seite. Es giebt viele Auswege und<lb/>
Durchgänge in der Welt, ein&#x017F;ame Wälder und Höhlen<lb/>
die kein End haben, aber keiner i&#x017F;t &#x017F;o zum Schlaf zum<lb/>
Wohl&#x017F;ein eingerichtet als nur Gottes Schooß; ich denk<lb/>
mir's da breit und behaglich, und daß einer mit dem<lb/>
Kopf auf des andern Bru&#x017F;t ruhe, und daß ein warmer<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[234/0244] ben. — Es iſt halt überall ruhig, oder vielmehr öde. Daß die Wahrheit ſei, dazu gehört nicht einer; aber daß die Wahrheit ſich an ihnen bewähre dazu gehören alle Menſchen. Mann! deſſen Fleiſch und Bein ſo von der Schönheit deiner Seele durchdrungen iſt, wie darf ich Leib und Seele ſo beiſammen lieb haben! — oft denk ich bei mir ich möchte beſſer und herrlicher ſein damit ich doch die Anſprüche an Dich rechtfertigen könnte aber kann ich's? — Dann muß ich an Dich denken, Dich vor mir ſehen, und habe nichts wenn mir die Liebe nicht als Verdienſt gelten ſoll? — ſolche Liebe iſt nicht unfruchtbar. — Und doch darf ich nicht nach- denken, ich könnte mir den Tod dran holen, iſt was dran gelegen? — ja wohl! ich hab eine Wiege in dei- nem Herzen und wer mich da heraus ſtielt, ſei es Tod oder Leben der raubt Dir ein Kind. Ein Kopfkiſſen möcht ich mit Dir haben, aber ein hartes; ſag es nie- mand daß ich ſo bei Dir liegen möchte, in tiefſter Ruh an deiner Seite. Es giebt viele Auswege und Durchgänge in der Welt, einſame Wälder und Höhlen die kein End haben, aber keiner iſt ſo zum Schlaf zum Wohlſein eingerichtet als nur Gottes Schooß; ich denk mir's da breit und behaglich, und daß einer mit dem Kopf auf des andern Bruſt ruhe, und daß ein warmer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/244
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/244>, abgerufen am 24.11.2024.