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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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ein kurzes Wort hin, nickt freundlich zu unbedeutenden
Dingen, hält die Hände auf dem Rücken, das macht
sich alles; nur zuweilen speit er aus, und zwar herzhaft,
das trifft nicht, da geht die ganze Illusion zum Teufel.

Die Verwirrung, die das Magische in jeder Kunst
bei den Philistern veranlaßt, ist bei der Musik auf den
höchsten Grad gestiegen; Zelter zum Beispiel läßt nichts
die Mauth passiren was er nicht schon versteht und ei-
gentlich ist das doch nur Musik was grade da beginnt,
wo der Verstand nicht mehr ausreicht, und die ewig
vernichtenden Quergeister, die es so gut meinen, wenn
sie zuförderst das Verständliche in der Kunst fordern:
daß die nicht begreifen daß sie das höchste Element ei-
ner göttlichen Sprache herabwürdigen, wenn sie es nur
mit dem ausfüllen was sie verstehen, indem sie ja doch
nur das Gemeine verstehen, und daß sie höhere Offen-
barung nie erfahren wenn sie ewig gescheuter sein wollen,
wie ihre Botschafter die Phantasie und die Begeistrung.
Obschon in der Musik die Zauberformeln ewig lebendig
sind, so spricht sie der Philister vor Schreck, sie nicht
zu verstehen, oft nur halb oft rückwärts aus, und nun
stehen die sonst so beweglichen, blitzenden, naßkalt, lang-
wierig, beschwerlich, und freilich unverständlich im Weg.

Dagegen ist der Begeisterte ein anderer: mit heim-

ein kurzes Wort hin, nickt freundlich zu unbedeutenden
Dingen, hält die Hände auf dem Rücken, das macht
ſich alles; nur zuweilen ſpeit er aus, und zwar herzhaft,
das trifft nicht, da geht die ganze Illuſion zum Teufel.

Die Verwirrung, die das Magiſche in jeder Kunſt
bei den Philiſtern veranlaßt, iſt bei der Muſik auf den
höchſten Grad geſtiegen; Zelter zum Beiſpiel läßt nichts
die Mauth paſſiren was er nicht ſchon verſteht und ei-
gentlich iſt das doch nur Muſik was grade da beginnt,
wo der Verſtand nicht mehr ausreicht, und die ewig
vernichtenden Quergeiſter, die es ſo gut meinen, wenn
ſie zuförderſt das Verſtändliche in der Kunſt fordern:
daß die nicht begreifen daß ſie das höchſte Element ei-
ner göttlichen Sprache herabwürdigen, wenn ſie es nur
mit dem ausfüllen was ſie verſtehen, indem ſie ja doch
nur das Gemeine verſtehen, und daß ſie höhere Offen-
barung nie erfahren wenn ſie ewig geſcheuter ſein wollen,
wie ihre Botſchafter die Phantaſie und die Begeiſtrung.
Obſchon in der Muſik die Zauberformeln ewig lebendig
ſind, ſo ſpricht ſie der Philiſter vor Schreck, ſie nicht
zu verſtehen, oft nur halb oft rückwärts aus, und nun
ſtehen die ſonſt ſo beweglichen, blitzenden, naßkalt, lang-
wierig, beſchwerlich, und freilich unverſtändlich im Weg.

Dagegen iſt der Begeiſterte ein anderer: mit heim-

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[283/0293] ein kurzes Wort hin, nickt freundlich zu unbedeutenden Dingen, hält die Hände auf dem Rücken, das macht ſich alles; nur zuweilen ſpeit er aus, und zwar herzhaft, das trifft nicht, da geht die ganze Illuſion zum Teufel. Die Verwirrung, die das Magiſche in jeder Kunſt bei den Philiſtern veranlaßt, iſt bei der Muſik auf den höchſten Grad geſtiegen; Zelter zum Beiſpiel läßt nichts die Mauth paſſiren was er nicht ſchon verſteht und ei- gentlich iſt das doch nur Muſik was grade da beginnt, wo der Verſtand nicht mehr ausreicht, und die ewig vernichtenden Quergeiſter, die es ſo gut meinen, wenn ſie zuförderſt das Verſtändliche in der Kunſt fordern: daß die nicht begreifen daß ſie das höchſte Element ei- ner göttlichen Sprache herabwürdigen, wenn ſie es nur mit dem ausfüllen was ſie verſtehen, indem ſie ja doch nur das Gemeine verſtehen, und daß ſie höhere Offen- barung nie erfahren wenn ſie ewig geſcheuter ſein wollen, wie ihre Botſchafter die Phantaſie und die Begeiſtrung. Obſchon in der Muſik die Zauberformeln ewig lebendig ſind, ſo ſpricht ſie der Philiſter vor Schreck, ſie nicht zu verſtehen, oft nur halb oft rückwärts aus, und nun ſtehen die ſonſt ſo beweglichen, blitzenden, naßkalt, lang- wierig, beſchwerlich, und freilich unverſtändlich im Weg. Dagegen iſt der Begeiſterte ein anderer: mit heim-

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/293>, abgerufen am 23.11.2024.