was meine Ohren von Dir vernahmen das war Keim des ewigen Lebens, der vom Herzen aus mit fruchten- der Wärme gehegt ward. Sieh ich durcheile mit die- sen Erinnerungen die Vergangenheit. Zurück! von Klippe zu Klippe abwärts, in's Thal einsamer Jugend; hier Dich findend, das bewegte Herz an deiner Brust be- schwichtigend, fühl ich mich zu dieser Begeistrung auf- geregt, mit der der Geist des Himmels in menschlicher Empfindung sich offenbart.
Dich auszusprechen wär wohl das kräftigste Insie- gel meiner Liebe ja es bewiese, als ein Erzeugniß gött- licher Natur meine Verwandtschaft mit Dir. Es wär ein gelöstes Räthsel, gleich dem lange verschlossnen Berg- strom der endlich zum Lichte sich drängt, den ungeheu- ren Sturz mit wollüstiger Begeistrung erleidend, in ei- nem Lebensmoment, durch welchen, nach welchem ein höheres Dasein beginnt. -- Du Vernichter der Du den freien Willen von mir genommen, Du Erzeuger! der Du die Empfindung des Erwachens in mich geboren; mit tausend elektrischen Funken aus dem Reiche heiliger Natur mich durchzuckt. Durch Dich hab ich das Ge- winde der jungen Rebe lieben lernen, auf ihre bereiften Früchte fielen meiner Sehnsucht Thränen. Das junge Gras hab ich um deinetwillen geküßt, die offne Brust
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was meine Ohren von Dir vernahmen das war Keim des ewigen Lebens, der vom Herzen aus mit fruchten- der Wärme gehegt ward. Sieh ich durcheile mit die- ſen Erinnerungen die Vergangenheit. Zurück! von Klippe zu Klippe abwärts, in's Thal einſamer Jugend; hier Dich findend, das bewegte Herz an deiner Bruſt be- ſchwichtigend, fühl ich mich zu dieſer Begeiſtrung auf- geregt, mit der der Geiſt des Himmels in menſchlicher Empfindung ſich offenbart.
Dich auszuſprechen wär wohl das kräftigſte Inſie- gel meiner Liebe ja es bewieſe, als ein Erzeugniß gött- licher Natur meine Verwandtſchaft mit Dir. Es wär ein gelöſtes Räthſel, gleich dem lange verſchloſſnen Berg- ſtrom der endlich zum Lichte ſich drängt, den ungeheu- ren Sturz mit wollüſtiger Begeiſtrung erleidend, in ei- nem Lebensmoment, durch welchen, nach welchem ein höheres Daſein beginnt. — Du Vernichter der Du den freien Willen von mir genommen, Du Erzeuger! der Du die Empfindung des Erwachens in mich geboren; mit tauſend elektriſchen Funken aus dem Reiche heiliger Natur mich durchzuckt. Durch Dich hab ich das Ge- winde der jungen Rebe lieben lernen, auf ihre bereiften Früchte fielen meiner Sehnſucht Thränen. Das junge Gras hab ich um deinetwillen geküßt, die offne Bruſt
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was meine Ohren von Dir vernahmen das war Keim
des ewigen Lebens, der vom Herzen aus mit fruchten-
der Wärme gehegt ward. Sieh ich durcheile mit die-
ſen Erinnerungen die Vergangenheit. Zurück! von Klippe
zu Klippe abwärts, in's Thal einſamer Jugend; hier
Dich findend, das bewegte Herz an deiner Bruſt be-
ſchwichtigend, fühl ich mich zu dieſer Begeiſtrung auf-
geregt, mit der der Geiſt des Himmels in menſchlicher
Empfindung ſich offenbart.
Dich auszuſprechen wär wohl das kräftigſte Inſie-
gel meiner Liebe ja es bewieſe, als ein Erzeugniß gött-
licher Natur meine Verwandtſchaft mit Dir. Es wär
ein gelöſtes Räthſel, gleich dem lange verſchloſſnen Berg-
ſtrom der endlich zum Lichte ſich drängt, den ungeheu-
ren Sturz mit wollüſtiger Begeiſtrung erleidend, in ei-
nem Lebensmoment, durch welchen, nach welchem ein
höheres Daſein beginnt. — Du Vernichter der Du den
freien Willen von mir genommen, Du Erzeuger! der
Du die Empfindung des Erwachens in mich geboren;
mit tauſend elektriſchen Funken aus dem Reiche heiliger
Natur mich durchzuckt. Durch Dich hab ich das Ge-
winde der jungen Rebe lieben lernen, auf ihre bereiften
Früchte fielen meiner Sehnſucht Thränen. Das junge
Gras hab ich um deinetwillen geküßt, die offne Bruſt
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/322>, abgerufen am 24.11.2024.
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