Kunst, denn ich habe nie gezeichnet oder gemalt, son- dern nur immer den Künstlern zugesehen und mich ge- wundert über ihre beharrliche Ausdauer in der Beschrän- kung, indem sie nur das achten was einmal Sprachge- brauch in der Kunst geworden, und wohl das bekannte gedankenlose Wort achten, nie aber den Gedanken, der erst das Wort heiligen soll. Kein herkömmlicher Prozeß kann den Geist und den Propheten und den Gott in einem ewigen Frieden in dem Kunstwerk vereinen. Der Goethe wie ich ihn hier mit zitternder Hand, aber mit feuriger muthiger Anschauung gezeichnet habe, weicht schon vom graden Weg der Bildhauer ab, denn er senkt sich unmerklich nach jener Seite wo die im Augen- blick der Begeistrung vernachläßigte Lorbeerkrone in der losen Hand ruht. Die Seele von höherer Macht be- herrscht, die Muse in Liebesergüssen beschwörend, wäh- rend die kindliche Psyche das Geheimniß seiner Seele durch die Leier ausspricht, ihr Füßchen findet keinen an- dern Platz, sie muß sich auf dem Deinen den höhe- ren Standpunkt erklettern; die Brust bietet sich den Strahlen der Sonne, den Arm dem der Kranz anver- traut ist haben wir mit der Unterlage des Mantels weich gebettet. Der Geist steigt im Flammenhaar über dem Haupt empor, umringt von einer Inschrift die Du
Kunſt, denn ich habe nie gezeichnet oder gemalt, ſon- dern nur immer den Künſtlern zugeſehen und mich ge- wundert über ihre beharrliche Ausdauer in der Beſchrän- kung, indem ſie nur das achten was einmal Sprachge- brauch in der Kunſt geworden, und wohl das bekannte gedankenloſe Wort achten, nie aber den Gedanken, der erſt das Wort heiligen ſoll. Kein herkömmlicher Prozeß kann den Geiſt und den Propheten und den Gott in einem ewigen Frieden in dem Kunſtwerk vereinen. Der Goethe wie ich ihn hier mit zitternder Hand, aber mit feuriger muthiger Anſchauung gezeichnet habe, weicht ſchon vom graden Weg der Bildhauer ab, denn er ſenkt ſich unmerklich nach jener Seite wo die im Augen- blick der Begeiſtrung vernachläßigte Lorbeerkrone in der loſen Hand ruht. Die Seele von höherer Macht be- herrſcht, die Muſe in Liebesergüſſen beſchwörend, wäh- rend die kindliche Pſyche das Geheimniß ſeiner Seele durch die Leier ausſpricht, ihr Füßchen findet keinen an- dern Platz, ſie muß ſich auf dem Deinen den höhe- ren Standpunkt erklettern; die Bruſt bietet ſich den Strahlen der Sonne, den Arm dem der Kranz anver- traut iſt haben wir mit der Unterlage des Mantels weich gebettet. Der Geiſt ſteigt im Flammenhaar über dem Haupt empor, umringt von einer Inſchrift die Du
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Kunſt, denn ich habe nie gezeichnet oder gemalt, ſon-
dern nur immer den Künſtlern zugeſehen und mich ge-
wundert über ihre beharrliche Ausdauer in der Beſchrän-
kung, indem ſie nur das achten was einmal Sprachge-
brauch in der Kunſt geworden, und wohl das bekannte
gedankenloſe Wort achten, nie aber den Gedanken, der
erſt das Wort heiligen ſoll. Kein herkömmlicher Prozeß
kann den Geiſt und den Propheten und den Gott in
einem ewigen Frieden in dem Kunſtwerk vereinen. Der
Goethe wie ich ihn hier mit zitternder Hand, aber mit
feuriger muthiger Anſchauung gezeichnet habe, weicht
ſchon vom graden Weg der Bildhauer ab, denn er
ſenkt ſich unmerklich nach jener Seite wo die im Augen-
blick der Begeiſtrung vernachläßigte Lorbeerkrone in der
loſen Hand ruht. Die Seele von höherer Macht be-
herrſcht, die Muſe in Liebesergüſſen beſchwörend, wäh-
rend die kindliche Pſyche das Geheimniß ſeiner Seele
durch die Leier ausſpricht, ihr Füßchen findet keinen an-
dern Platz, ſie muß ſich auf dem Deinen den höhe-
ren Standpunkt erklettern; die Bruſt bietet ſich den
Strahlen der Sonne, den Arm dem der Kranz anver-
traut iſt haben wir mit der Unterlage des Mantels
weich gebettet. Der Geiſt ſteigt im Flammenhaar über
dem Haupt empor, umringt von einer Inſchrift die Du
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/331>, abgerufen am 24.11.2024.
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