[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.Die Sonne geht unter, ihr Purpurzelt breitet sich Die Sonne geht unter, ihr Purpurzelt breitet ſich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0198" n="188"/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>Die Sonne geht unter, ihr Purpurzelt breitet ſich<lb/> über Deinen Garten, ich ſitze hier allein und überſehe<lb/> die Wege, die Du durch dieſe Auen geleitet haſt, alle<lb/> ſind verlaſſen, nirgend wandelt einer. — ſo einſam iſt's,<lb/> ſo ganz bis in die Ferne, und ſo lange ſchon hab' ich.<lb/> darauf gewartet alles ſoll ſchweigen, dann wollt' ich<lb/> ich mich beſinnen und mit Dir ſprechen — und jetzt fühl<lb/> ich mich ſo verzagt in der allmächtigen Stille. — Den<lb/> Vogel im Buſch hab' ich verſcheucht, die Glockenblumen<lb/> ſchlafen. Der Mond und der Abendſtern winken ein-<lb/> ander, wo ſoll ich mich hinwenden? der Baum in deſſen<lb/> Rinde Du manchen Namen eingeſchnitten haſt den hab<lb/> ich verlaſſen und bin herab gegangen zur Hausthür und<lb/> hab die Stirne auf das Schloß gelegt, das Deine Hand<lb/> wie oft aufgedrückt, und haſt mit Freu<supplied>n</supplied>den da geſeſſen<lb/> und auch einſame Stunden verbracht. Du allein mit<lb/> Deinem Genius haſt's nicht gefühlt das ſchauervolle der<lb/> Einſamkeit, glorreich triumphirend im Wettgefühl der<lb/> Empfindung und Begeiſtrung gingen ſie vorüber dieſe<lb/> ſtillen Abende. O Goethe, was denkſt Du von meiner<lb/> Liebe? — die ſo ewig an Dich heran brauſ't wie die<lb/> Fluth an's Ufer, und möchte mit Dir ſprechen und kann<lb/> nichts ſagen, als nur ſeufzen. Ja! ſage doch: was<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [188/0198]
Die Sonne geht unter, ihr Purpurzelt breitet ſich
über Deinen Garten, ich ſitze hier allein und überſehe
die Wege, die Du durch dieſe Auen geleitet haſt, alle
ſind verlaſſen, nirgend wandelt einer. — ſo einſam iſt's,
ſo ganz bis in die Ferne, und ſo lange ſchon hab' ich.
darauf gewartet alles ſoll ſchweigen, dann wollt' ich
ich mich beſinnen und mit Dir ſprechen — und jetzt fühl
ich mich ſo verzagt in der allmächtigen Stille. — Den
Vogel im Buſch hab' ich verſcheucht, die Glockenblumen
ſchlafen. Der Mond und der Abendſtern winken ein-
ander, wo ſoll ich mich hinwenden? der Baum in deſſen
Rinde Du manchen Namen eingeſchnitten haſt den hab
ich verlaſſen und bin herab gegangen zur Hausthür und
hab die Stirne auf das Schloß gelegt, das Deine Hand
wie oft aufgedrückt, und haſt mit Freunden da geſeſſen
und auch einſame Stunden verbracht. Du allein mit
Deinem Genius haſt's nicht gefühlt das ſchauervolle der
Einſamkeit, glorreich triumphirend im Wettgefühl der
Empfindung und Begeiſtrung gingen ſie vorüber dieſe
ſtillen Abende. O Goethe, was denkſt Du von meiner
Liebe? — die ſo ewig an Dich heran brauſ't wie die
Fluth an's Ufer, und möchte mit Dir ſprechen und kann
nichts ſagen, als nur ſeufzen. Ja! ſage doch: was
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