[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.schwieg. "Ich bin leicht zu betrügen, mich kann jeder ſchwieg. „Ich bin leicht zu betrügen, mich kann jeder <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0220" n="210"/> ſchwieg. „Ich bin leicht zu betrügen, mich kann jeder<lb/> betrügen, betrüge mich nicht, mir iſt lieber die Wahrheit<lb/> und wenn ſie auch ſchmerzt, als daß ich umgangen<lb/> werde.“ Wenn ich dann aufgeregt durch ſolche Reden<lb/> Dir mein Herz ausſprach, da ſagteſt Du: „Ja du biſt<lb/> wahr, ſo was kann nur die Liebe ſagen.“ — Goethe<lb/> hör' mich an! — Heute ſpricht auch die Liebe aus mir;<lb/> heute am dreißigſten März, acht Tage nach dem, wel-<lb/> chen man als den Tag Deines Todes bezeichnet, ſeit<lb/> welchem Tag alle Deine Rechte mir im Buſen ſich gel-<lb/> tend machen als läg ich noch zu Deinen Füßen; heute<lb/> will die Liebe Dir klagen: Du! oben — <hi rendition="#g">über</hi> den Wol-<lb/> ken, nicht getrübt durch ihre Schwere, nicht geſtört durch<lb/> ihre Thränen; können Klagen in Dein Ohr dringen? —<lb/> O löſe meine Klagen auf, und erlöſe mich, mache mich<lb/> frei von dieſer Sehnſucht erkannt zu werden und daß<lb/> man meiner auch bedürfen möge, — haſt <hi rendition="#g">Du</hi> nicht mich<lb/> erkannt? — ja mit prophetiſcher Stimme ſchlummernde<lb/> Kräfte der Begeiſtrung in mir geweckt, die mir ewige<lb/> Jugend zuſagen, die mich weit über die Fähigkeit der<lb/> Menſchen ſich mir zu nähern hinwegtragen? Haſt Du<lb/> mir nicht reichlich erſetzt im erſten Einklang mit meinem<lb/> Herzen, alles was je mir konnte entzogen werden? Du<lb/> an den zu denken mir leiſes Gewittern im Herzen er-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [210/0220]
ſchwieg. „Ich bin leicht zu betrügen, mich kann jeder
betrügen, betrüge mich nicht, mir iſt lieber die Wahrheit
und wenn ſie auch ſchmerzt, als daß ich umgangen
werde.“ Wenn ich dann aufgeregt durch ſolche Reden
Dir mein Herz ausſprach, da ſagteſt Du: „Ja du biſt
wahr, ſo was kann nur die Liebe ſagen.“ — Goethe
hör' mich an! — Heute ſpricht auch die Liebe aus mir;
heute am dreißigſten März, acht Tage nach dem, wel-
chen man als den Tag Deines Todes bezeichnet, ſeit
welchem Tag alle Deine Rechte mir im Buſen ſich gel-
tend machen als läg ich noch zu Deinen Füßen; heute
will die Liebe Dir klagen: Du! oben — über den Wol-
ken, nicht getrübt durch ihre Schwere, nicht geſtört durch
ihre Thränen; können Klagen in Dein Ohr dringen? —
O löſe meine Klagen auf, und erlöſe mich, mache mich
frei von dieſer Sehnſucht erkannt zu werden und daß
man meiner auch bedürfen möge, — haſt Du nicht mich
erkannt? — ja mit prophetiſcher Stimme ſchlummernde
Kräfte der Begeiſtrung in mir geweckt, die mir ewige
Jugend zuſagen, die mich weit über die Fähigkeit der
Menſchen ſich mir zu nähern hinwegtragen? Haſt Du
mir nicht reichlich erſetzt im erſten Einklang mit meinem
Herzen, alles was je mir konnte entzogen werden? Du
an den zu denken mir leiſes Gewittern im Herzen er-
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