[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.Decke spielt, grade so unsicher brennt eine Flamme in Dem Freund. Es ist als ob jeder Athemzug sich wieder aus der Ver- So weit habe ich in der Nacht geschrieben, heut am Spiegel
Decke ſpielt, grade ſo unſicher brennt eine Flamme in Dem Freund. Es iſt als ob jeder Athemzug ſich wieder aus der Ver- So weit habe ich in der Nacht geſchrieben, heut am Spiegel
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0226" n="216"/> Decke ſpielt, grade ſo unſicher brennt eine Flamme in<lb/> meiner Bruſt, ich bin ihrer nicht gewiß, ob ſie nicht auf-<lb/> lodere, und Dich und mich verſehre. Du drückteſt meine<lb/> Hände, Du gingſt ohne mich zu küſſen. Ich blieb al-<lb/> lein; erſt: wie es ſonderbar mit Liebenden iſt, war ich<lb/> ruhig, ich fühlte mich von Glanz umgeben und von<lb/> Glanz erfüllt, aber plötzlich durchdrang mich der Schmerz,<lb/> daß Du gegangen warſt. Wem ſollte ich's klagen, daß<lb/> ich Dich nicht mehr hatte? ich trat vor den Spiegel, da<lb/> ſah mein blaſſes Antlitz heraus, ſo ſchmerzlich ſah das<lb/> Auge mich an, daß ich vor Mitleid gegen mich ſelbſt, in<lb/> Thränen ausbrach.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <opener> <salute>Dem Freund.</salute> </opener><lb/> <p>Es iſt als ob jeder Athemzug ſich wieder aus der Ver-<lb/> gangenheit erhebe, was ich vergeſſen zu haben glaubte<lb/> greift mit Macht in mich ein, und erregt auf's neue<lb/> das Feuer verhaltner Schmerzen.</p><lb/> <p>So weit habe ich in der Nacht geſchrieben, heut am<lb/> Tag ſchreibe ich noch als pſychologiſche Merkwürdigkeit<lb/> her auf welche <choice><sic>wnnderbare</sic><corr>wunderbare</corr></choice> Weiſe ich mich beſchwichtigte,<lb/> wie die geängſtete mit aller Willenskraft der Jugend aus-<lb/> gerüſtete Seele ſich half. — Auf dem Tiſch vor dem<lb/> <fw place="bottom" type="catch"><choice><sic>lampe,</sic><corr>Spiegel</corr></choice></fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [216/0226]
Decke ſpielt, grade ſo unſicher brennt eine Flamme in
meiner Bruſt, ich bin ihrer nicht gewiß, ob ſie nicht auf-
lodere, und Dich und mich verſehre. Du drückteſt meine
Hände, Du gingſt ohne mich zu küſſen. Ich blieb al-
lein; erſt: wie es ſonderbar mit Liebenden iſt, war ich
ruhig, ich fühlte mich von Glanz umgeben und von
Glanz erfüllt, aber plötzlich durchdrang mich der Schmerz,
daß Du gegangen warſt. Wem ſollte ich's klagen, daß
ich Dich nicht mehr hatte? ich trat vor den Spiegel, da
ſah mein blaſſes Antlitz heraus, ſo ſchmerzlich ſah das
Auge mich an, daß ich vor Mitleid gegen mich ſelbſt, in
Thränen ausbrach.
Dem Freund.
Es iſt als ob jeder Athemzug ſich wieder aus der Ver-
gangenheit erhebe, was ich vergeſſen zu haben glaubte
greift mit Macht in mich ein, und erregt auf's neue
das Feuer verhaltner Schmerzen.
So weit habe ich in der Nacht geſchrieben, heut am
Tag ſchreibe ich noch als pſychologiſche Merkwürdigkeit
her auf welche wunderbare Weiſe ich mich beſchwichtigte,
wie die geängſtete mit aller Willenskraft der Jugend aus-
gerüſtete Seele ſich half. — Auf dem Tiſch vor dem
Spiegel
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