[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.sie verwelkt nicht, sie löst sich nur von dem Stamm, Goethe, Du bist schön! ich will Dich nicht zum zwei- ſie verwelkt nicht, ſie löſt ſich nur von dem Stamm, Goethe, Du biſt ſchön! ich will Dich nicht zum zwei- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0234" n="224"/> ſie verwelkt nicht, ſie löſt ſich nur von dem Stamm,<lb/> der ihre Blüthe trug, aber ihre Blüthe ſinkt nicht in<lb/> den Staub, ſie iſt beflügelt und ſteigt himmelan.</p><lb/> <p>Goethe, Du biſt ſchön! ich will Dich nicht zum zwei-<lb/> tenmal in Verſuchung führen, wie damals in der Bi-<lb/> bliothek, Deiner Büſte gegenüber, die in Deinem vierzig-<lb/> ſten Jahr das vollkommne Ebenmaaß Deiner höchſten<lb/> Schönheit ausdrückte; da ſtandſt Du in grünem Man-<lb/> tel gewickelt an den Pfeiler gelehnt, forſchend, ob ich<lb/> doch endlich in dieſen verjüngten Zügen den gegenwär-<lb/> tigen Freund erkenne, ich aber that nicht dergleichen,<lb/> ach Scherz, und geheime Luſt ließen mir's nicht über<lb/> die Lippen. „<hi rendition="#g">Nun?</hi>“ — fragte er ungeduldig: der<lb/> muß ein ſchöner Mann geweſen ſein, ſagte ich. — „Ja<lb/> wahrlich! dieſer konnte wohl ſagen zu ſeiner Zeit, er<lb/> ſei ein ſchöner Mann,“ ſagte er erzürnt; ich wollte an<lb/> ihn herangehen, er wies mich ab, einen Augenblick war<lb/> ich betroffen; — halte Stand wie dies Bild, rief ich,<lb/> ſo will ich Dich wieder ſanft ſchmeicheln, willſt Du<lb/> nicht? — nun ſo laß ich den Lebenden und küſſe den<lb/> Stein ſo lange, bis Du eiferſüchtig wirſt. — Ich um-<lb/> faßte die Büſte und küßte dieſe erhabne Stirn und dieſe<lb/> Marmorlippen, ich lehnte Wang an Wange, da hob<lb/> er mich plötzlich weg und hielt mich hoch in ſeinen Ar-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [224/0234]
ſie verwelkt nicht, ſie löſt ſich nur von dem Stamm,
der ihre Blüthe trug, aber ihre Blüthe ſinkt nicht in
den Staub, ſie iſt beflügelt und ſteigt himmelan.
Goethe, Du biſt ſchön! ich will Dich nicht zum zwei-
tenmal in Verſuchung führen, wie damals in der Bi-
bliothek, Deiner Büſte gegenüber, die in Deinem vierzig-
ſten Jahr das vollkommne Ebenmaaß Deiner höchſten
Schönheit ausdrückte; da ſtandſt Du in grünem Man-
tel gewickelt an den Pfeiler gelehnt, forſchend, ob ich
doch endlich in dieſen verjüngten Zügen den gegenwär-
tigen Freund erkenne, ich aber that nicht dergleichen,
ach Scherz, und geheime Luſt ließen mir's nicht über
die Lippen. „Nun?“ — fragte er ungeduldig: der
muß ein ſchöner Mann geweſen ſein, ſagte ich. — „Ja
wahrlich! dieſer konnte wohl ſagen zu ſeiner Zeit, er
ſei ein ſchöner Mann,“ ſagte er erzürnt; ich wollte an
ihn herangehen, er wies mich ab, einen Augenblick war
ich betroffen; — halte Stand wie dies Bild, rief ich,
ſo will ich Dich wieder ſanft ſchmeicheln, willſt Du
nicht? — nun ſo laß ich den Lebenden und küſſe den
Stein ſo lange, bis Du eiferſüchtig wirſt. — Ich um-
faßte die Büſte und küßte dieſe erhabne Stirn und dieſe
Marmorlippen, ich lehnte Wang an Wange, da hob
er mich plötzlich weg und hielt mich hoch in ſeinen Ar-
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