[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.empfunden hast, wenn Du allein durch Wälder und So lang' wir Kinder sind im Gemüth, so lang' empfunden haſt, wenn Du allein durch Wälder und So lang' wir Kinder ſind im Gemüth, ſo lang' <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0024" n="14"/> empfunden haſt, wenn Du allein durch Wälder und<lb/> Thäler ſtreifſt; oder wenn Du vom Schattenlager die<lb/> weite Ebene am Mittag überſchauſt, dann glaub' ich,<lb/> daß Du die Sprache der <hi rendition="#g">Stille</hi> in der Natur verſtehſt;<lb/> ich glaub', daß ſie mit Dir Gedanken wechſelt, daß Du<lb/> in ihr Deine höhere Natur geſpiegelt empfindeſt, und<lb/> wenn auch ſchmerzlich oft durch ſie erſchüttert, ſo glaub'<lb/> ich doch nicht, daß Du Dich vor ihr fürchteſt, wie an-<lb/> dre Menſchen.</p><lb/> <p>So lang' wir Kinder ſind im Gemüth, ſo lang'<lb/> übt die Natur Mutterpflege an uns; ſie flößt Nahrung<lb/> ein von der der Geiſt wächſt, dann entfaltet ſie ſich<lb/> zum Genius; ſie forde<supplied>r</supplied>t auf zum Höchſten, zum Selbſt-<lb/> verſtändniß, ſie will Einſicht in die inneren Tiefen; und<lb/> welcher Zwieſpalt auch in dieſen ſein möchte, welcher<lb/> Vernichtung auch preiß gegeben, — das Vertrauen in<lb/> die höhere Natur, als in unſeren Genius, wird die ur-<lb/> ſprüngliche Schönheit wieder herſtellen. Das ſag' ich<lb/> heute vor Schlafengehen zu Dir; zu Dir ſpreche ich<lb/> hier, getrennt durch Länder und Flüſſe, getrennt, weil<lb/> Du meiner nicht denkſt; und jeder, der es wüßte, der<lb/> würde es Wahnwitz nennen; und ich rede zu Dir aus<lb/> meiner tiefſten Seele, und ob Du ſchon mit Deinen<lb/> Sinnen mich nicht wahrnimmſt, ſo dringt mein Geiſt<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [14/0024]
empfunden haſt, wenn Du allein durch Wälder und
Thäler ſtreifſt; oder wenn Du vom Schattenlager die
weite Ebene am Mittag überſchauſt, dann glaub' ich,
daß Du die Sprache der Stille in der Natur verſtehſt;
ich glaub', daß ſie mit Dir Gedanken wechſelt, daß Du
in ihr Deine höhere Natur geſpiegelt empfindeſt, und
wenn auch ſchmerzlich oft durch ſie erſchüttert, ſo glaub'
ich doch nicht, daß Du Dich vor ihr fürchteſt, wie an-
dre Menſchen.
So lang' wir Kinder ſind im Gemüth, ſo lang'
übt die Natur Mutterpflege an uns; ſie flößt Nahrung
ein von der der Geiſt wächſt, dann entfaltet ſie ſich
zum Genius; ſie fordert auf zum Höchſten, zum Selbſt-
verſtändniß, ſie will Einſicht in die inneren Tiefen; und
welcher Zwieſpalt auch in dieſen ſein möchte, welcher
Vernichtung auch preiß gegeben, — das Vertrauen in
die höhere Natur, als in unſeren Genius, wird die ur-
ſprüngliche Schönheit wieder herſtellen. Das ſag' ich
heute vor Schlafengehen zu Dir; zu Dir ſpreche ich
hier, getrennt durch Länder und Flüſſe, getrennt, weil
Du meiner nicht denkſt; und jeder, der es wüßte, der
würde es Wahnwitz nennen; und ich rede zu Dir aus
meiner tiefſten Seele, und ob Du ſchon mit Deinen
Sinnen mich nicht wahrnimmſt, ſo dringt mein Geiſt
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