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[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.

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das Wort in's Fleisch. -- Du weißt, daß die Liebe die
einzige Gebärerin ist; -- daß, was sie nicht darbringt
dem himmlischen Erzeuger, nicht zur ewigen Sipp-
schaft gehöre? -- was ist Wissen, das nicht von der
Liebe ausgeht? -- was ist Erfahrung, die sie nicht
giebt? -- was ist Bedürfniß, das nicht nach ihr strebt?
-- was ist Handeln, das nicht sie übt? -- wenn Du
die Hand ausstreckst und hast den Willen nicht die
Liebe zu erreichen, was hast Du da? -- oder was er-
fassest Du? -- Der Baum, den Du mit allen Wurzeln
in die Grube einbettest, dem Du die fruchtbare Erde
zuträgst, die Bäche zuleitest, damit Er, der nicht wan-
dern kann, alles habe was ihn gedeihen macht, der
blüht Dir, und Deine Sorge schenkst Du ihm darum;
ich auch thue alles, damit sein Andenken mir blühe. --
Die Liebe thut alles sich zu lieb und doch verläßt der
Liebende sich selber und geht der Liebe nach.

Ende des Tagebuchs.

das Wort in's Fleiſch. — Du weißt, daß die Liebe die
einzige Gebärerin iſt; — daß, was ſie nicht darbringt
dem himmliſchen Erzeuger, nicht zur ewigen Sipp-
ſchaft gehöre? — was iſt Wiſſen, das nicht von der
Liebe ausgeht? — was iſt Erfahrung, die ſie nicht
giebt? — was iſt Bedürfniß, das nicht nach ihr ſtrebt?
— was iſt Handeln, das nicht ſie übt? — wenn Du
die Hand ausſtreckſt und haſt den Willen nicht die
Liebe zu erreichen, was haſt Du da? — oder was er-
faſſeſt Du? — Der Baum, den Du mit allen Wurzeln
in die Grube einbetteſt, dem Du die fruchtbare Erde
zuträgſt, die Bäche zuleiteſt, damit Er, der nicht wan-
dern kann, alles habe was ihn gedeihen macht, der
blüht Dir, und Deine Sorge ſchenkſt Du ihm darum;
ich auch thue alles, damit ſein Andenken mir blühe. —
Die Liebe thut alles ſich zu lieb und doch verläßt der
Liebende ſich ſelber und geht der Liebe nach.

Ende des Tagebuchs.

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[243/0253] das Wort in's Fleiſch. — Du weißt, daß die Liebe die einzige Gebärerin iſt; — daß, was ſie nicht darbringt dem himmliſchen Erzeuger, nicht zur ewigen Sipp- ſchaft gehöre? — was iſt Wiſſen, das nicht von der Liebe ausgeht? — was iſt Erfahrung, die ſie nicht giebt? — was iſt Bedürfniß, das nicht nach ihr ſtrebt? — was iſt Handeln, das nicht ſie übt? — wenn Du die Hand ausſtreckſt und haſt den Willen nicht die Liebe zu erreichen, was haſt Du da? — oder was er- faſſeſt Du? — Der Baum, den Du mit allen Wurzeln in die Grube einbetteſt, dem Du die fruchtbare Erde zuträgſt, die Bäche zuleiteſt, damit Er, der nicht wan- dern kann, alles habe was ihn gedeihen macht, der blüht Dir, und Deine Sorge ſchenkſt Du ihm darum; ich auch thue alles, damit ſein Andenken mir blühe. — Die Liebe thut alles ſich zu lieb und doch verläßt der Liebende ſich ſelber und geht der Liebe nach. Ende des Tagebuchs.

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Zitationshilfe: [Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/253>, abgerufen am 04.12.2024.