[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.O lieber Freund! -- hätte ich nun den lebendigen Aber damals in der Gewitternacht unter dem Baum Ich allein jenseits der Klausur, unter dem Baum O lieber Freund! — hätte ich nun den lebendigen Aber damals in der Gewitternacht unter dem Baum Ich allein jenſeits der Klauſur, unter dem Baum <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0055" n="45"/> <p>O lieber Freund! — hätte ich nun den lebendigen<lb/> Pulsſchlag gefühlt unter dieſes Baumes Rinde, dann<lb/> hätte ich mich nicht gefürchtet; dies kleine Bewegen,<lb/> dies Schlagen in der Bruſt kann Vertrauen erregen,<lb/> und kann den Feigen zum Helden umwandeln; denn<lb/> wahrlich! — fühlt' ich Dein Herz an meinem ſchlagen<lb/> und führteſt Du mich in den Tod, ich eilte triumphirend<lb/> mit Dir!</p><lb/> <p>Aber damals in der Gewitternacht unter dem Baum<lb/> da fürchtete ich mich, mein Herz ſchlug heftig, das<lb/> ſchöne Lied: „<hi rendition="#g">Wie iſt Natur ſo hold und gut die<lb/> mich am Buſen hält</hi>“ das konnte ich damals noch<lb/> nicht ſingen, ich empfand mich allein mitten im Gebraus<lb/> der Stürme, doch war mir ſo wohl, mein Herz ward<lb/> feurig. — Da läuteten die Sturmglocken des Kloſter-<lb/> thurms, die Parzen und Muſen eilten im Nachtgewand<lb/> mit ihren geweihten Kerzen, in das gewölbte Chor, ich<lb/> ſah unter meinem ſturmzerzauſten Baum die eilenden<lb/> Lichter durch die langen Gänge ſchwirren; bald tönte<lb/> ihr <hi rendition="#aq">ora pro nobis</hi> herüber im Wind, ſo oft es blitzte<lb/> zogen ſie die geweihte Glocke an, ſo weit ihr Schall<lb/> trug, ſo weit ſchlug das Gewitter nicht ein.</p><lb/> <p>Ich allein jenſeits der Klauſur, unter dem Baum<lb/> in der ſchreckenvollen Nacht! und jene alle, die Pflege-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [45/0055]
O lieber Freund! — hätte ich nun den lebendigen
Pulsſchlag gefühlt unter dieſes Baumes Rinde, dann
hätte ich mich nicht gefürchtet; dies kleine Bewegen,
dies Schlagen in der Bruſt kann Vertrauen erregen,
und kann den Feigen zum Helden umwandeln; denn
wahrlich! — fühlt' ich Dein Herz an meinem ſchlagen
und führteſt Du mich in den Tod, ich eilte triumphirend
mit Dir!
Aber damals in der Gewitternacht unter dem Baum
da fürchtete ich mich, mein Herz ſchlug heftig, das
ſchöne Lied: „Wie iſt Natur ſo hold und gut die
mich am Buſen hält“ das konnte ich damals noch
nicht ſingen, ich empfand mich allein mitten im Gebraus
der Stürme, doch war mir ſo wohl, mein Herz ward
feurig. — Da läuteten die Sturmglocken des Kloſter-
thurms, die Parzen und Muſen eilten im Nachtgewand
mit ihren geweihten Kerzen, in das gewölbte Chor, ich
ſah unter meinem ſturmzerzauſten Baum die eilenden
Lichter durch die langen Gänge ſchwirren; bald tönte
ihr ora pro nobis herüber im Wind, ſo oft es blitzte
zogen ſie die geweihte Glocke an, ſo weit ihr Schall
trug, ſo weit ſchlug das Gewitter nicht ein.
Ich allein jenſeits der Klauſur, unter dem Baum
in der ſchreckenvollen Nacht! und jene alle, die Pflege-
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