[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.die Klüfte, denk' nur, mit heißem Ruderschlag überfliege Heute ist ein andrer Tag: die böse Furcht ist ge- die Klüfte, denk' nur, mit heißem Ruderſchlag überfliege Heute iſt ein andrer Tag: die böſe Furcht iſt ge- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0098" n="88"/> die Klüfte, denk' nur, mit heißem Ruderſchlag überfliege<lb/> ich die Zeit, das Leben; ich jage ſie hinter mich die Mi-<lb/> nuten der Trennung, und nun, Ihr Inſeln der Seligen,<lb/> findet mein Anker keinen Grund. Wildes Geſtad'! —<lb/> feindſeliger Strand! — Ihr laſſet mich nicht landen,<lb/> nicht nahen des Freundes Bruſt, der kennt die Geheim-<lb/> niſſe und den göttlichen Urſprung und meines Lebens<lb/> Ziel. Er hat, daß ich ihn ſchauen lerne, des Lichtes<lb/> unbefleckten Glanz mir im Geiſte geweckt, er hat beglei-<lb/> tend in raſchen Liedern die Genüſſe, die Leiden der Liebe,<lb/> mich gelehrt zwiſchen beiden voranſchreitend, den Schick-<lb/> ſalsſchweſtern, mit leuchtender Fackel des Eros zu be-<lb/> ſtrahlen den Weg.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>Heute iſt ein andrer Tag: die böſe Furcht iſt ge-<lb/> ſtillt, es tobt nicht, es brauſt nicht mehr im Herzen, die<lb/> Klage unterbricht nicht mehr der Liebe glanzerfüllte<lb/> Stille. — Ach heute iſt die Sonne nicht hinab, ihre letz-<lb/> ten Strahlen breiten ſich unter Deine Schritte; ſie wan-<lb/> delt die Sonne, ſie ſteht nicht ſtill, ſie führt Dich ein<lb/> bei mir, wo Dämmerung Dir winkt und der von Vio-<lb/> len geflochtene Kranz. O liebſter! — dann ſteh' ich<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [88/0098]
die Klüfte, denk' nur, mit heißem Ruderſchlag überfliege
ich die Zeit, das Leben; ich jage ſie hinter mich die Mi-
nuten der Trennung, und nun, Ihr Inſeln der Seligen,
findet mein Anker keinen Grund. Wildes Geſtad'! —
feindſeliger Strand! — Ihr laſſet mich nicht landen,
nicht nahen des Freundes Bruſt, der kennt die Geheim-
niſſe und den göttlichen Urſprung und meines Lebens
Ziel. Er hat, daß ich ihn ſchauen lerne, des Lichtes
unbefleckten Glanz mir im Geiſte geweckt, er hat beglei-
tend in raſchen Liedern die Genüſſe, die Leiden der Liebe,
mich gelehrt zwiſchen beiden voranſchreitend, den Schick-
ſalsſchweſtern, mit leuchtender Fackel des Eros zu be-
ſtrahlen den Weg.
Heute iſt ein andrer Tag: die böſe Furcht iſt ge-
ſtillt, es tobt nicht, es brauſt nicht mehr im Herzen, die
Klage unterbricht nicht mehr der Liebe glanzerfüllte
Stille. — Ach heute iſt die Sonne nicht hinab, ihre letz-
ten Strahlen breiten ſich unter Deine Schritte; ſie wan-
delt die Sonne, ſie ſteht nicht ſtill, ſie führt Dich ein
bei mir, wo Dämmerung Dir winkt und der von Vio-
len geflochtene Kranz. O liebſter! — dann ſteh' ich
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