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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

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sanft, wie weich er sich einem anschmiegt, mein Gesicht
war ganz glatt davon, und wir sind auch glücklich
wieder nach Haus gekommen. -- Ich bin so froh, daß
ich unbedeutend bin, da brauch ich keine gescheute Ge¬
danken mehr aufzugablen, wenn ich Dir schreib, ich
brauch nur zu erzählen, sonst meint ich, ich dürfte nicht
schreiben ohne ein bischen Moral oder sonst was Klu¬
ges, womit man den Briefinhalt ein bischen beschwert,
jetzt denk ich nicht mehr dran einen Gedanken zurecht
zu meislen oder zusammen zu leimen, das müssen jetzt
andre thun, wenn ichs schreiben soll, ich selbst denk nicht
mehr. Ach von dem Einfältigsten, Ungelehrtesten ver¬
standen und gefühlt zu werden ist auch was werth;
und dann dem Einzigen, der mich versteht, der für mich
klug ist, keine Langeweile zu machen, das kommt auf
Dich an.

Wir waren am Rhein und sind wieder den andern
Tag zurück spät Abends, so ist heut schon Donnerstag,
es war schön in Rüdesheim, die Tonie hatte dort über
Jemand zu sprechen, der als Geistlicher in unser Haus
soll, ich guckte indeß auf der Bremserin aus dem großen
schwarzen Gewölb auf die Wiese im Abendschein, es
flogen als die Schmetterlinge über mich hinaus, denn
da oben auf der Burg wächst so viel Tymian und Gin¬

ſanft, wie weich er ſich einem anſchmiegt, mein Geſicht
war ganz glatt davon, und wir ſind auch glücklich
wieder nach Haus gekommen. — Ich bin ſo froh, daß
ich unbedeutend bin, da brauch ich keine geſcheute Ge¬
danken mehr aufzugablen, wenn ich Dir ſchreib, ich
brauch nur zu erzählen, ſonſt meint ich, ich dürfte nicht
ſchreiben ohne ein bischen Moral oder ſonſt was Klu¬
ges, womit man den Briefinhalt ein bischen beſchwert,
jetzt denk ich nicht mehr dran einen Gedanken zurecht
zu meislen oder zuſammen zu leimen, das müſſen jetzt
andre thun, wenn ichs ſchreiben ſoll, ich ſelbſt denk nicht
mehr. Ach von dem Einfältigſten, Ungelehrteſten ver¬
ſtanden und gefühlt zu werden iſt auch was werth;
und dann dem Einzigen, der mich verſteht, der für mich
klug iſt, keine Langeweile zu machen, das kommt auf
Dich an.

Wir waren am Rhein und ſind wieder den andern
Tag zurück ſpät Abends, ſo iſt heut ſchon Donnerstag,
es war ſchön in Rüdesheim, die Tonie hatte dort über
Jemand zu ſprechen, der als Geiſtlicher in unſer Haus
ſoll, ich guckte indeß auf der Bremſerin aus dem großen
ſchwarzen Gewölb auf die Wieſe im Abendſchein, es
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[139/0155] ſanft, wie weich er ſich einem anſchmiegt, mein Geſicht war ganz glatt davon, und wir ſind auch glücklich wieder nach Haus gekommen. — Ich bin ſo froh, daß ich unbedeutend bin, da brauch ich keine geſcheute Ge¬ danken mehr aufzugablen, wenn ich Dir ſchreib, ich brauch nur zu erzählen, ſonſt meint ich, ich dürfte nicht ſchreiben ohne ein bischen Moral oder ſonſt was Klu¬ ges, womit man den Briefinhalt ein bischen beſchwert, jetzt denk ich nicht mehr dran einen Gedanken zurecht zu meislen oder zuſammen zu leimen, das müſſen jetzt andre thun, wenn ichs ſchreiben ſoll, ich ſelbſt denk nicht mehr. Ach von dem Einfältigſten, Ungelehrteſten ver¬ ſtanden und gefühlt zu werden iſt auch was werth; und dann dem Einzigen, der mich verſteht, der für mich klug iſt, keine Langeweile zu machen, das kommt auf Dich an. Wir waren am Rhein und ſind wieder den andern Tag zurück ſpät Abends, ſo iſt heut ſchon Donnerstag, es war ſchön in Rüdesheim, die Tonie hatte dort über Jemand zu ſprechen, der als Geiſtlicher in unſer Haus ſoll, ich guckte indeß auf der Bremſerin aus dem großen ſchwarzen Gewölb auf die Wieſe im Abendſchein, es flogen als die Schmetterlinge über mich hinaus, denn da oben auf der Burg wächſt ſo viel Tymian und Gin¬

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/155>, abgerufen am 28.11.2024.