So will ich deine Lieb' als Gast empfangen; Da sie entfliehet wie ein satt Verlangen, Vergönnt mein Herz Ihr keine Heimath mehr.
Narziß.
O sieh den Frühling! gleicht er nicht der Liebe? Er lächelt wonnig, freundlich, und das trübe Gewölk des Winters, niemand schaut es mehr! Er ist nicht Gast, er herrscht in allen Dingen, Er küßt sie Alle, und ein neues Ringen Und Regen wird in allen Wesen wach. Und dennoch reißt er sich aus Tellas Armen, Auch andre Zonen soll sein Hauch erwärmen, Auch Andern bringt er neuen, schönen Tag.
Violetta.
Hast du die heil'ge Treue nie gekennet?
Narziß.
Mir ist nicht Treue was ihr also nennet, Mir ist nicht treulos was euch treulos ist! -- Wer den Moment des höchsten Lebens theilet, Vergessend nicht, in Liebe selig weilet; Beurtheilt noch, und noch berechnend, mißt; Den nenn' ich treulos, -- ihm ist nicht zu trauen, Sein kalt Bewußtsein wird dich klar durchschauen Und deines Selbstvergessens Richter sein. Doch ich bin treu! Erfüllt vom Gegenstande
Violetta.
So will ich deine Lieb' als Gaſt empfangen; Da ſie entfliehet wie ein ſatt Verlangen, Vergönnt mein Herz Ihr keine Heimath mehr.
Narziß.
O ſieh den Frühling! gleicht er nicht der Liebe? Er lächelt wonnig, freundlich, und das trübe Gewölk des Winters, niemand ſchaut es mehr! Er iſt nicht Gaſt, er herrſcht in allen Dingen, Er küßt ſie Alle, und ein neues Ringen Und Regen wird in allen Weſen wach. Und dennoch reißt er ſich aus Tellas Armen, Auch andre Zonen ſoll ſein Hauch erwärmen, Auch Andern bringt er neuen, ſchönen Tag.
Violetta.
Haſt du die heil'ge Treue nie gekennet?
Narziß.
Mir iſt nicht Treue was ihr alſo nennet, Mir iſt nicht treulos was euch treulos iſt! — Wer den Moment des höchſten Lebens theilet, Vergeſſend nicht, in Liebe ſelig weilet; Beurtheilt noch, und noch berechnend, mißt; Den nenn' ich treulos, — ihm iſt nicht zu trauen, Sein kalt Bewußtſein wird dich klar durchſchauen Und deines Selbſtvergeſſens Richter ſein. Doch ich bin treu! Erfüllt vom Gegenſtande
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0066"n="50"/><prendition="#c"><hirendition="#g">Violetta.</hi></p><lb/><p>So will ich deine Lieb' als Gaſt empfangen;<lb/>
Da ſie entfliehet wie ein ſatt Verlangen,<lb/>
Vergönnt mein Herz Ihr keine Heimath mehr.</p><lb/><prendition="#c"><hirendition="#g">Narziß.</hi></p><lb/><p>O ſieh den Frühling! gleicht er nicht der Liebe?<lb/>
Er lächelt wonnig, freundlich, und das trübe<lb/>
Gewölk des Winters, niemand ſchaut es mehr!<lb/>
Er iſt nicht Gaſt, er herrſcht in allen Dingen,<lb/>
Er küßt ſie Alle, und ein neues Ringen<lb/>
Und Regen wird in allen Weſen wach.<lb/>
Und dennoch reißt er ſich aus Tellas Armen,<lb/>
Auch andre Zonen ſoll ſein Hauch erwärmen,<lb/>
Auch Andern bringt er neuen, ſchönen Tag.</p><lb/><prendition="#c"><hirendition="#g">Violetta.</hi></p><lb/><p>Haſt du die heil'ge Treue nie gekennet?</p><lb/><prendition="#c"><hirendition="#g">Narziß.</hi></p><lb/><p>Mir iſt nicht Treue was ihr alſo nennet,<lb/>
Mir iſt nicht treulos was euch treulos iſt! —<lb/>
Wer den Moment des höchſten Lebens theilet,<lb/>
Vergeſſend nicht, in Liebe ſelig weilet;<lb/>
Beurtheilt noch, und noch berechnend, mißt;<lb/>
Den nenn' ich treulos, — ihm iſt nicht zu trauen,<lb/>
Sein kalt Bewußtſein wird dich klar durchſchauen<lb/>
Und deines Selbſtvergeſſens Richter ſein.<lb/>
Doch ich bin treu! Erfüllt vom Gegenſtande<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[50/0066]
Violetta.
So will ich deine Lieb' als Gaſt empfangen;
Da ſie entfliehet wie ein ſatt Verlangen,
Vergönnt mein Herz Ihr keine Heimath mehr.
Narziß.
O ſieh den Frühling! gleicht er nicht der Liebe?
Er lächelt wonnig, freundlich, und das trübe
Gewölk des Winters, niemand ſchaut es mehr!
Er iſt nicht Gaſt, er herrſcht in allen Dingen,
Er küßt ſie Alle, und ein neues Ringen
Und Regen wird in allen Weſen wach.
Und dennoch reißt er ſich aus Tellas Armen,
Auch andre Zonen ſoll ſein Hauch erwärmen,
Auch Andern bringt er neuen, ſchönen Tag.
Violetta.
Haſt du die heil'ge Treue nie gekennet?
Narziß.
Mir iſt nicht Treue was ihr alſo nennet,
Mir iſt nicht treulos was euch treulos iſt! —
Wer den Moment des höchſten Lebens theilet,
Vergeſſend nicht, in Liebe ſelig weilet;
Beurtheilt noch, und noch berechnend, mißt;
Den nenn' ich treulos, — ihm iſt nicht zu trauen,
Sein kalt Bewußtſein wird dich klar durchſchauen
Und deines Selbſtvergeſſens Richter ſein.
Doch ich bin treu! Erfüllt vom Gegenſtande
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/66>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.