das muß unverletztes Forschen nach Wahrheit sein; da mein ich mit, es darf sich kein andrer Wille drein mi¬ schen, als blos die Begierde zur Antwort. -- Frage ist Liebe, und Antwort Gegenliebe. Wo die Frage blos Liebe zum Dämon ist, da antwortet er, der Lieb kann Geist nicht widerstehen, wie ich nicht und Du nicht. So lang ich vom Socrates weiß, geh ich dem Gedan¬ ken nach, wie Er einen Dämon zu haben; er hatte wohl ein inneres Heiligthum, ein Asyl wo der Dämon zu ihm kommen mochte, ich hab in mir gesucht nach dieser Thüre zum Alleinsein, wo ich diesem Weisheitsgeist ins Gesicht sehen könnt, flehend um Lieb. Aber Du hast recht, ein muthwilliger Wind jagt meine Gedanken wie Spreu auseinander, ich werd fortgerissen von einem zum andern von meiner Zerstreutheit, dann ists so nüchtern in mir, und so beschämend öde wenn ich mich sammeln will, wie soll da der Geist sich einfinden, wo es so leer ist, der Socrates hatte wohl große Thaten gethan vor¬ her, und nie seinen Genius verleugnet, dann kam er zu ihm. -- Ich sag als zu mir, laß nur ab, der Geist würde von selber kommen, könnt deine Natur ihn her¬ bergen. Ich denk als der Geist muß entspringen aus vereinigten Naturkräften und ich hab so keine Feuer¬ natur die sich so concentriren kann daß der Geist aus
4
das muß unverletztes Forſchen nach Wahrheit ſein; da mein ich mit, es darf ſich kein andrer Wille drein mi¬ ſchen, als blos die Begierde zur Antwort. — Frage iſt Liebe, und Antwort Gegenliebe. Wo die Frage blos Liebe zum Dämon iſt, da antwortet er, der Lieb kann Geiſt nicht widerſtehen, wie ich nicht und Du nicht. So lang ich vom Socrates weiß, geh ich dem Gedan¬ ken nach, wie Er einen Dämon zu haben; er hatte wohl ein inneres Heiligthum, ein Aſyl wo der Dämon zu ihm kommen mochte, ich hab in mir geſucht nach dieſer Thüre zum Alleinſein, wo ich dieſem Weisheitsgeiſt ins Geſicht ſehen könnt, flehend um Lieb. Aber Du haſt recht, ein muthwilliger Wind jagt meine Gedanken wie Spreu auseinander, ich werd fortgeriſſen von einem zum andern von meiner Zerſtreutheit, dann iſts ſo nüchtern in mir, und ſo beſchämend öde wenn ich mich ſammeln will, wie ſoll da der Geiſt ſich einfinden, wo es ſo leer iſt, der Socrates hatte wohl große Thaten gethan vor¬ her, und nie ſeinen Genius verleugnet, dann kam er zu ihm. — Ich ſag als zu mir, laß nur ab, der Geiſt würde von ſelber kommen, könnt deine Natur ihn her¬ bergen. Ich denk als der Geiſt muß entſpringen aus vereinigten Naturkräften und ich hab ſo keine Feuer¬ natur die ſich ſo concentriren kann daß der Geiſt aus
4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0089"n="73"/>
das muß unverletztes Forſchen nach Wahrheit ſein; da<lb/>
mein ich mit, es darf ſich kein andrer Wille drein mi¬<lb/>ſchen, als blos die Begierde zur Antwort. — Frage iſt<lb/>
Liebe, und Antwort Gegenliebe. Wo die Frage blos<lb/>
Liebe zum Dämon iſt, da antwortet er, der Lieb kann<lb/>
Geiſt nicht widerſtehen, wie ich nicht und Du nicht.<lb/>
So lang ich vom Socrates weiß, geh ich dem Gedan¬<lb/>
ken nach, wie Er einen Dämon zu haben; er hatte wohl<lb/>
ein inneres Heiligthum, ein Aſyl wo der Dämon zu<lb/>
ihm kommen mochte, ich hab in mir geſucht nach dieſer<lb/>
Thüre zum Alleinſein, wo ich dieſem Weisheitsgeiſt ins<lb/>
Geſicht ſehen könnt, flehend um Lieb. Aber Du haſt<lb/>
recht, ein muthwilliger Wind jagt meine Gedanken wie<lb/>
Spreu auseinander, ich werd fortgeriſſen von einem zum<lb/>
andern von meiner Zerſtreutheit, dann iſts ſo nüchtern<lb/>
in mir, und ſo beſchämend öde wenn ich mich ſammeln<lb/>
will, wie ſoll da der Geiſt ſich einfinden, wo es ſo leer<lb/>
iſt, der Socrates hatte wohl große Thaten gethan vor¬<lb/>
her, und nie ſeinen Genius verleugnet, dann kam er zu<lb/>
ihm. — Ich ſag als zu mir, laß nur ab, der Geiſt<lb/>
würde von ſelber kommen, könnt deine Natur ihn her¬<lb/>
bergen. Ich denk als der Geiſt muß entſpringen aus<lb/>
vereinigten Naturkräften und ich hab ſo keine Feuer¬<lb/>
natur die ſich ſo concentriren kann daß der Geiſt aus<lb/><fwplace="bottom"type="sig">4<lb/></fw></p></div></div></body></text></TEI>
[73/0089]
das muß unverletztes Forſchen nach Wahrheit ſein; da
mein ich mit, es darf ſich kein andrer Wille drein mi¬
ſchen, als blos die Begierde zur Antwort. — Frage iſt
Liebe, und Antwort Gegenliebe. Wo die Frage blos
Liebe zum Dämon iſt, da antwortet er, der Lieb kann
Geiſt nicht widerſtehen, wie ich nicht und Du nicht.
So lang ich vom Socrates weiß, geh ich dem Gedan¬
ken nach, wie Er einen Dämon zu haben; er hatte wohl
ein inneres Heiligthum, ein Aſyl wo der Dämon zu
ihm kommen mochte, ich hab in mir geſucht nach dieſer
Thüre zum Alleinſein, wo ich dieſem Weisheitsgeiſt ins
Geſicht ſehen könnt, flehend um Lieb. Aber Du haſt
recht, ein muthwilliger Wind jagt meine Gedanken wie
Spreu auseinander, ich werd fortgeriſſen von einem zum
andern von meiner Zerſtreutheit, dann iſts ſo nüchtern
in mir, und ſo beſchämend öde wenn ich mich ſammeln
will, wie ſoll da der Geiſt ſich einfinden, wo es ſo leer
iſt, der Socrates hatte wohl große Thaten gethan vor¬
her, und nie ſeinen Genius verleugnet, dann kam er zu
ihm. — Ich ſag als zu mir, laß nur ab, der Geiſt
würde von ſelber kommen, könnt deine Natur ihn her¬
bergen. Ich denk als der Geiſt muß entſpringen aus
vereinigten Naturkräften und ich hab ſo keine Feuer¬
natur die ſich ſo concentriren kann daß der Geiſt aus
4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/89>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.