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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840.

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hab ich also Deinen Brief unverletzt entlassen aus wah¬
rer Pietät weil er Dein gehört, und weil ich mich nicht
in die Geheimnisse eindringen will die Gott Dir durch
meine Hand vertraut, denn sonst würde er nicht so
schnell das Gedächtniß von mir nehmen, um so mehr
kannst Du an das drinn glauben was vielleicht Dich
berührt.

Christian der mir nach Frankfurt so ernste und
liebende Briefe geschrieben hatte, vor denen ich mich
oft schämte, weil sie viel höhere Kräfte mir zutrauten
und wecken sollten als je erwachen werden, der geht
hier um mich herum und betastet mein Ingenium, und
entdeckt daß die Fundgruben des Genies zum Theil leer
sind, und die Felder des Wissens steinigter Acker, und
das Licht der Begeistrung lauter Nebel, doch verläßt
er mich nicht und sorgt für Lehrer. Der Schäfer sollte
Geschichte mit mir treiben, da er aber sehr ernst und
gründlich ist und durchaus will daß der freie aufge¬
weckte Mensch mit vollem Interesse dabei sei, so konnte
ers nicht mit mir aushalten, es ging gegen sein Ge¬
wissen, er hat dem Christian bedeutet es sei besser mich
auf andre Weise zu beschäftigen; da ich eine Nerven¬
angreifende Empfindung habe wenn ich Zahlen wahr¬

hab ich alſo Deinen Brief unverletzt entlaſſen aus wah¬
rer Pietät weil er Dein gehört, und weil ich mich nicht
in die Geheimniſſe eindringen will die Gott Dir durch
meine Hand vertraut, denn ſonſt würde er nicht ſo
ſchnell das Gedächtniß von mir nehmen, um ſo mehr
kannſt Du an das drinn glauben was vielleicht Dich
berührt.

Chriſtian der mir nach Frankfurt ſo ernſte und
liebende Briefe geſchrieben hatte, vor denen ich mich
oft ſchämte, weil ſie viel höhere Kräfte mir zutrauten
und wecken ſollten als je erwachen werden, der geht
hier um mich herum und betaſtet mein Ingenium, und
entdeckt daß die Fundgruben des Genies zum Theil leer
ſind, und die Felder des Wiſſens ſteinigter Acker, und
das Licht der Begeiſtrung lauter Nebel, doch verläßt
er mich nicht und ſorgt für Lehrer. Der Schäfer ſollte
Geſchichte mit mir treiben, da er aber ſehr ernſt und
gründlich iſt und durchaus will daß der freie aufge¬
weckte Menſch mit vollem Intereſſe dabei ſei, ſo konnte
ers nicht mit mir aushalten, es ging gegen ſein Ge¬
wiſſen, er hat dem Chriſtian bedeutet es ſei beſſer mich
auf andre Weiſe zu beſchäftigen; da ich eine Nerven¬
angreifende Empfindung habe wenn ich Zahlen wahr¬

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[100/0114] hab ich alſo Deinen Brief unverletzt entlaſſen aus wah¬ rer Pietät weil er Dein gehört, und weil ich mich nicht in die Geheimniſſe eindringen will die Gott Dir durch meine Hand vertraut, denn ſonſt würde er nicht ſo ſchnell das Gedächtniß von mir nehmen, um ſo mehr kannſt Du an das drinn glauben was vielleicht Dich berührt. Chriſtian der mir nach Frankfurt ſo ernſte und liebende Briefe geſchrieben hatte, vor denen ich mich oft ſchämte, weil ſie viel höhere Kräfte mir zutrauten und wecken ſollten als je erwachen werden, der geht hier um mich herum und betaſtet mein Ingenium, und entdeckt daß die Fundgruben des Genies zum Theil leer ſind, und die Felder des Wiſſens ſteinigter Acker, und das Licht der Begeiſtrung lauter Nebel, doch verläßt er mich nicht und ſorgt für Lehrer. Der Schäfer ſollte Geſchichte mit mir treiben, da er aber ſehr ernſt und gründlich iſt und durchaus will daß der freie aufge¬ weckte Menſch mit vollem Intereſſe dabei ſei, ſo konnte ers nicht mit mir aushalten, es ging gegen ſein Ge¬ wiſſen, er hat dem Chriſtian bedeutet es ſei beſſer mich auf andre Weiſe zu beſchäftigen; da ich eine Nerven¬ angreifende Empfindung habe wenn ich Zahlen wahr¬

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/114>, abgerufen am 24.11.2024.