Nun kam gestern ein Brief von Elemente an mich mit feierlichen Mahnungen, doch mein Leben, nicht zu verscherzen, so innig so herzlich, als wär ich eine Blu¬ menknospe die auf seinem Stamm wüchse und der Stamm treibt sorglich alle Kräfte dahin daß sie sich aufthue, aber die Knospe ist so fest daß nicht Regen und nicht Sonnenschein sie weckt -- was kann ich da? -- der Christian straft mich mit Worten es sei kein Ernst in mir, und wenn ich wollte nach Italien reisen, so sollt ich Winkelmanns Kunstgeschichte studieren; und Italienisch lernen das hab ich probiert, aber die Kunst¬ geschicht wie sollt ich mit der mich abgeben wenn ich dran denk daß ich nach Italien reisen sollt. Ei laß doch alles mit Augen sehen, und wenn ich trunken bin vor Seligkeit daß dort andre Bäume andre Blu¬ men und Früchte sind, wenn ein schönerer Himmel über mir wogt, wenn Menschen, Knaben, Jünglinge die mir verwandter sind im Blut in der Faulheit, als die kalten deutschen fleißigen Brodstudenten, mir begeg¬ nen auf der Straß mich sanft grüßen, umkehren, mich noch einmal grüßen, feuriger, -- ei werd ich da noch das geringste vom Winkelmann, von der alten Geschichte
Montag.
Nun kam geſtern ein Brief von Elemente an mich mit feierlichen Mahnungen, doch mein Leben, nicht zu verſcherzen, ſo innig ſo herzlich, als wär ich eine Blu¬ menknospe die auf ſeinem Stamm wüchſe und der Stamm treibt ſorglich alle Kräfte dahin daß ſie ſich aufthue, aber die Knospe iſt ſo feſt daß nicht Regen und nicht Sonnenſchein ſie weckt — was kann ich da? — der Chriſtian ſtraft mich mit Worten es ſei kein Ernſt in mir, und wenn ich wollte nach Italien reiſen, ſo ſollt ich Winkelmanns Kunſtgeſchichte ſtudieren; und Italieniſch lernen das hab ich probiert, aber die Kunſt¬ geſchicht wie ſollt ich mit der mich abgeben wenn ich dran denk daß ich nach Italien reiſen ſollt. Ei laß doch alles mit Augen ſehen, und wenn ich trunken bin vor Seligkeit daß dort andre Bäume andre Blu¬ men und Früchte ſind, wenn ein ſchönerer Himmel über mir wogt, wenn Menſchen, Knaben, Jünglinge die mir verwandter ſind im Blut in der Faulheit, als die kalten deutſchen fleißigen Brodſtudenten, mir begeg¬ nen auf der Straß mich ſanft grüßen, umkehren, mich noch einmal grüßen, feuriger, — ei werd ich da noch das geringſte vom Winkelmann, von der alten Geſchichte
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0123"n="109"/><prendition="#right">Montag.</p><lb/><p>Nun kam geſtern ein Brief von Elemente an mich<lb/>
mit feierlichen Mahnungen, doch mein Leben, nicht zu<lb/>
verſcherzen, ſo innig ſo herzlich, als wär ich eine Blu¬<lb/>
menknospe die auf ſeinem Stamm wüchſe und der<lb/>
Stamm treibt ſorglich alle Kräfte dahin daß ſie ſich<lb/>
aufthue, aber die Knospe iſt ſo feſt daß nicht Regen<lb/>
und nicht Sonnenſchein ſie weckt — was kann ich da?<lb/>— der Chriſtian ſtraft mich mit Worten es ſei kein<lb/>
Ernſt in mir, und wenn ich wollte nach Italien reiſen,<lb/>ſo ſollt ich Winkelmanns Kunſtgeſchichte ſtudieren; und<lb/>
Italieniſch lernen das hab ich probiert, aber die Kunſt¬<lb/>
geſchicht wie ſollt ich mit der mich abgeben wenn ich<lb/>
dran denk daß ich nach Italien reiſen ſollt. Ei laß<lb/>
doch alles mit Augen ſehen, und wenn ich trunken<lb/>
bin vor Seligkeit daß dort andre Bäume andre Blu¬<lb/>
men und Früchte ſind, wenn ein ſchönerer Himmel<lb/>
über mir wogt, wenn Menſchen, Knaben, Jünglinge<lb/>
die mir verwandter ſind im Blut in der Faulheit, als<lb/>
die kalten deutſchen fleißigen Brodſtudenten, mir begeg¬<lb/>
nen auf der Straß mich ſanft grüßen, umkehren, mich<lb/>
noch einmal grüßen, feuriger, — ei werd ich da noch<lb/>
das geringſte vom Winkelmann, von der alten Geſchichte<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[109/0123]
Montag.
Nun kam geſtern ein Brief von Elemente an mich
mit feierlichen Mahnungen, doch mein Leben, nicht zu
verſcherzen, ſo innig ſo herzlich, als wär ich eine Blu¬
menknospe die auf ſeinem Stamm wüchſe und der
Stamm treibt ſorglich alle Kräfte dahin daß ſie ſich
aufthue, aber die Knospe iſt ſo feſt daß nicht Regen
und nicht Sonnenſchein ſie weckt — was kann ich da?
— der Chriſtian ſtraft mich mit Worten es ſei kein
Ernſt in mir, und wenn ich wollte nach Italien reiſen,
ſo ſollt ich Winkelmanns Kunſtgeſchichte ſtudieren; und
Italieniſch lernen das hab ich probiert, aber die Kunſt¬
geſchicht wie ſollt ich mit der mich abgeben wenn ich
dran denk daß ich nach Italien reiſen ſollt. Ei laß
doch alles mit Augen ſehen, und wenn ich trunken
bin vor Seligkeit daß dort andre Bäume andre Blu¬
men und Früchte ſind, wenn ein ſchönerer Himmel
über mir wogt, wenn Menſchen, Knaben, Jünglinge
die mir verwandter ſind im Blut in der Faulheit, als
die kalten deutſchen fleißigen Brodſtudenten, mir begeg¬
nen auf der Straß mich ſanft grüßen, umkehren, mich
noch einmal grüßen, feuriger, — ei werd ich da noch
das geringſte vom Winkelmann, von der alten Geſchichte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/123>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.