wissen, recht viel lernen, und nur die Jugend nicht über¬ leben. -- Recht früh sterben!" Ach Günderode! athme aus um wieder aufzuathmen, Begeistrung zu trinken -- denn: Ist Natur nicht blos dieser Begeistrung Leben? -- Und wär Jugend etwas, wenns nicht ewig wär? -- Wie ich auf der Warte saß gestern, und sah wie die Natur den Frühling schon vorausträumte -- da fiel mirs ein, daß Jugend ja ein ewiger Lebensan¬ spruch ist, wer den aufgiebt allein, athmet nicht mehr auf, er läßt den Athem sinken. -- Ich weiß nicht was Du Jugend nennst? -- ists nicht jugendlich den Leib dem Geist aufopfern? -- strebt sie nicht mit al¬ len Kräften Geist zu werden? -- Was ist denn also die Zeit? -- nichts als Jungwerden. -- Leben muß man immer wollen, denn wenn der Tod kommt das ist grade wo die Jugend sich mündig fühlt zur Unsterblichkeit; wessen Jugend aber früher abstirbt wie kann der un¬ sterblich werden. -- Wer dächte: Ich will nicht über die Jahre hinaus wo ich mit zwanzig zähle, denn mit dreißig ist der Jugend der Stab gebrochen, der müßte einer sein der Zeit hätt so was zu denken, und stünd eben so gut müßig am Ufer als Ladung für den Cha¬ ronsnachen, mir deucht aber Dein Geist der wie die Natur blüthenaufathmend ist, kann nicht vor späterer
wiſſen, recht viel lernen, und nur die Jugend nicht über¬ leben. — Recht früh ſterben!“ Ach Günderode! athme aus um wieder aufzuathmen, Begeiſtrung zu trinken — denn: Iſt Natur nicht blos dieſer Begeiſtrung Leben? — Und wär Jugend etwas, wenns nicht ewig wär? — Wie ich auf der Warte ſaß geſtern, und ſah wie die Natur den Frühling ſchon vorausträumte — da fiel mirs ein, daß Jugend ja ein ewiger Lebensan¬ ſpruch iſt, wer den aufgiebt allein, athmet nicht mehr auf, er läßt den Athem ſinken. — Ich weiß nicht was Du Jugend nennſt? — iſts nicht jugendlich den Leib dem Geiſt aufopfern? — ſtrebt ſie nicht mit al¬ len Kräften Geiſt zu werden? — Was iſt denn alſo die Zeit? — nichts als Jungwerden. — Leben muß man immer wollen, denn wenn der Tod kommt das iſt grade wo die Jugend ſich mündig fühlt zur Unſterblichkeit; weſſen Jugend aber früher abſtirbt wie kann der un¬ ſterblich werden. — Wer dächte: Ich will nicht über die Jahre hinaus wo ich mit zwanzig zähle, denn mit dreißig iſt der Jugend der Stab gebrochen, der müßte einer ſein der Zeit hätt ſo was zu denken, und ſtünd eben ſo gut müßig am Ufer als Ladung für den Cha¬ ronsnachen, mir deucht aber Dein Geiſt der wie die Natur blüthenaufathmend iſt, kann nicht vor ſpäterer
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wiſſen, recht viel lernen, und nur die Jugend nicht über¬
leben. — Recht früh ſterben!“ Ach Günderode!
athme aus um wieder aufzuathmen, Begeiſtrung zu
trinken — denn: Iſt Natur nicht blos dieſer Begeiſtrung
Leben? — Und wär Jugend etwas, wenns nicht ewig
wär? — Wie ich auf der Warte ſaß geſtern, und ſah
wie die Natur den Frühling ſchon vorausträumte —
da fiel mirs ein, daß Jugend ja ein ewiger Lebensan¬
ſpruch iſt, wer den aufgiebt allein, athmet nicht mehr
auf, er läßt den Athem ſinken. — Ich weiß nicht
was Du Jugend nennſt? — iſts nicht jugendlich den
Leib dem Geiſt aufopfern? — ſtrebt ſie nicht mit al¬
len Kräften Geiſt zu werden? — Was iſt denn alſo
die Zeit? — nichts als Jungwerden. — Leben muß man
immer wollen, denn wenn der Tod kommt das iſt grade
wo die Jugend ſich mündig fühlt zur Unſterblichkeit;
weſſen Jugend aber früher abſtirbt wie kann der un¬
ſterblich werden. — Wer dächte: Ich will nicht über
die Jahre hinaus wo ich mit zwanzig zähle, denn mit
dreißig iſt der Jugend der Stab gebrochen, der müßte
einer ſein der Zeit hätt ſo was zu denken, und ſtünd
eben ſo gut müßig am Ufer als Ladung für den Cha¬
ronsnachen, mir deucht aber Dein Geiſt der wie die
Natur blüthenaufathmend iſt, kann nicht vor ſpäterer
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/155>, abgerufen am 24.11.2024.
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