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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840.

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Geist der Erde, des Wassers sich deutlich machen? --
Ist der Duft der Blumen, ihr Schmelz, wohl das Sehnen
der Erde -- die Begeistrung des Wassers die in den offnen
Kelchen, Freiheit hat aufzusteigen zur Sonne, zu dem
was sie lieben? -- Die dunkle Erde stößt aus dem
Innersten ihre duftenden Seufzer auf aus den Kel¬
chen ihrer Pflanzen, die aus ihrem Busen aufblühen,
hinauf in die fessellose Freiheit? -- Das Wasser das von
seinen kräuselnden Wellen sich immer weiter treiben läßt,
hier in der Blume Stengel, im Saft des Baumes ge¬
mischt mit allen Kräften der Natur, steigt, nimmt Ge¬
stalt an, wird zum Geist, zum Wort, das die Andacht
seiner Triebe aushaucht. -- Was ist denn aber die Luft?
-- ist die nicht Vermittler zwischen Allen? der Genius
der Welt, der leitet, Leben giebt, ewig den Geist durch¬
athmet? -- Was ist aber Geistesathem? -- ist der nicht
Erkenntniß, Streben emporzusteigen, sich abzulösen vom
Mutterschooß und aufzusteigen zum Geist? ist Ath¬
men im sinnlichen Leben nicht dasselbe? -- drängen sich
die Gefühle nicht in Seufzern auf? -- Ohne dies ewige
Einsaugen des himmlischen Elements kann der Leib nicht
leben, und der Geist stirbt jeden Augenblick ohne jenen
leitenden Genius, der sein eigentlicher Lebensathem ist.

Geiſt der Erde, des Waſſers ſich deutlich machen? —
Iſt der Duft der Blumen, ihr Schmelz, wohl das Sehnen
der Erde — die Begeiſtrung des Waſſers die in den offnen
Kelchen, Freiheit hat aufzuſteigen zur Sonne, zu dem
was ſie lieben? — Die dunkle Erde ſtößt aus dem
Innerſten ihre duftenden Seufzer auf aus den Kel¬
chen ihrer Pflanzen, die aus ihrem Buſen aufblühen,
hinauf in die feſſelloſe Freiheit? — Das Waſſer das von
ſeinen kräuſelnden Wellen ſich immer weiter treiben läßt,
hier in der Blume Stengel, im Saft des Baumes ge¬
miſcht mit allen Kräften der Natur, ſteigt, nimmt Ge¬
ſtalt an, wird zum Geiſt, zum Wort, das die Andacht
ſeiner Triebe aushaucht. — Was iſt denn aber die Luft?
— iſt die nicht Vermittler zwiſchen Allen? der Genius
der Welt, der leitet, Leben giebt, ewig den Geiſt durch¬
athmet? — Was iſt aber Geiſtesathem? — iſt der nicht
Erkenntniß, Streben emporzuſteigen, ſich abzulöſen vom
Mutterſchooß und aufzuſteigen zum Geiſt? iſt Ath¬
men im ſinnlichen Leben nicht daſſelbe? — drängen ſich
die Gefühle nicht in Seufzern auf? — Ohne dies ewige
Einſaugen des himmliſchen Elements kann der Leib nicht
leben, und der Geiſt ſtirbt jeden Augenblick ohne jenen
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[186/0200] Geiſt der Erde, des Waſſers ſich deutlich machen? — Iſt der Duft der Blumen, ihr Schmelz, wohl das Sehnen der Erde — die Begeiſtrung des Waſſers die in den offnen Kelchen, Freiheit hat aufzuſteigen zur Sonne, zu dem was ſie lieben? — Die dunkle Erde ſtößt aus dem Innerſten ihre duftenden Seufzer auf aus den Kel¬ chen ihrer Pflanzen, die aus ihrem Buſen aufblühen, hinauf in die feſſelloſe Freiheit? — Das Waſſer das von ſeinen kräuſelnden Wellen ſich immer weiter treiben läßt, hier in der Blume Stengel, im Saft des Baumes ge¬ miſcht mit allen Kräften der Natur, ſteigt, nimmt Ge¬ ſtalt an, wird zum Geiſt, zum Wort, das die Andacht ſeiner Triebe aushaucht. — Was iſt denn aber die Luft? — iſt die nicht Vermittler zwiſchen Allen? der Genius der Welt, der leitet, Leben giebt, ewig den Geiſt durch¬ athmet? — Was iſt aber Geiſtesathem? — iſt der nicht Erkenntniß, Streben emporzuſteigen, ſich abzulöſen vom Mutterſchooß und aufzuſteigen zum Geiſt? iſt Ath¬ men im ſinnlichen Leben nicht daſſelbe? — drängen ſich die Gefühle nicht in Seufzern auf? — Ohne dies ewige Einſaugen des himmliſchen Elements kann der Leib nicht leben, und der Geiſt ſtirbt jeden Augenblick ohne jenen leitenden Genius, der ſein eigentlicher Lebensathem iſt.

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/200>, abgerufen am 24.11.2024.