Ich hab von dieser Predigt in einem Brief an den Voigt geschrieben, weil ich ihm nichts besseres zu erzäh¬ len wußte, so hat er mir geantwortet: "der innere Sinn greift mehr um sich wie alles Regiment der Welt, der Flügelsame des Geistes kann nicht abgesperrt werden, der treibt umher, und der Wind der geistigen Natur überwältigt alle Vorkehrungen, drum ists lächerlich was die Menschen sich für Mühe geben alles in der Zucht halten zu wollen, oder durch etwas anders die Freiheit zu erkaufen als durch den Geist Freiheit ist die strengste Zucht, denn sie greift da ein wo kein Gebot noch Verbot was wirkt, sie zermalmt das Schlechte in der Wurzel; denn Freiheit ist eine göttliche Kraft die nur Gutes wirken kann, aber die Menschen verste¬ hen nicht was Freiheit ist, sie wollen sich ihrer bemäch¬ tigen, das ist schon sie ertödten. Der Freiheit kann man sich nicht bemächtigen, sie muß als göttliche Kraft in uns erscheinen, sie ist das Gesetz aus dem sich der Geist von selbst aufbaut. Innere Gebundenheit und äußere Freiheit sind doppelt schwere Ketten, weil die Trunkenheit noch dazukommt die die Sinne bindet und verwirrt." -- Das ist ungefähr das Bedeutendste was ein zehn Seiten langer, sehr kritzlich geschriebner Brief enthält, ich wollt Dir ihn nicht schicken, ich fürcht es
Ich hab von dieſer Predigt in einem Brief an den Voigt geſchrieben, weil ich ihm nichts beſſeres zu erzäh¬ len wußte, ſo hat er mir geantwortet: „der innere Sinn greift mehr um ſich wie alles Regiment der Welt, der Flügelſame des Geiſtes kann nicht abgeſperrt werden, der treibt umher, und der Wind der geiſtigen Natur überwältigt alle Vorkehrungen, drum iſts lächerlich was die Menſchen ſich für Mühe geben alles in der Zucht halten zu wollen, oder durch etwas anders die Freiheit zu erkaufen als durch den Geiſt Freiheit iſt die ſtrengſte Zucht, denn ſie greift da ein wo kein Gebot noch Verbot was wirkt, ſie zermalmt das Schlechte in der Wurzel; denn Freiheit iſt eine göttliche Kraft die nur Gutes wirken kann, aber die Menſchen verſte¬ hen nicht was Freiheit iſt, ſie wollen ſich ihrer bemäch¬ tigen, das iſt ſchon ſie ertödten. Der Freiheit kann man ſich nicht bemächtigen, ſie muß als göttliche Kraft in uns erſcheinen, ſie iſt das Geſetz aus dem ſich der Geiſt von ſelbſt aufbaut. Innere Gebundenheit und äußere Freiheit ſind doppelt ſchwere Ketten, weil die Trunkenheit noch dazukommt die die Sinne bindet und verwirrt.“ — Das iſt ungefähr das Bedeutendſte was ein zehn Seiten langer, ſehr kritzlich geſchriebner Brief enthält, ich wollt Dir ihn nicht ſchicken, ich fürcht es
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Ich hab von dieſer Predigt in einem Brief an den
Voigt geſchrieben, weil ich ihm nichts beſſeres zu erzäh¬
len wußte, ſo hat er mir geantwortet: „der innere Sinn
greift mehr um ſich wie alles Regiment der Welt, der
Flügelſame des Geiſtes kann nicht abgeſperrt werden,
der treibt umher, und der Wind der geiſtigen Natur
überwältigt alle Vorkehrungen, drum iſts lächerlich
was die Menſchen ſich für Mühe geben alles in der
Zucht halten zu wollen, oder durch etwas anders die
Freiheit zu erkaufen als durch den Geiſt Freiheit iſt
die ſtrengſte Zucht, denn ſie greift da ein wo kein Gebot
noch Verbot was wirkt, ſie zermalmt das Schlechte
in der Wurzel; denn Freiheit iſt eine göttliche Kraft
die nur Gutes wirken kann, aber die Menſchen verſte¬
hen nicht was Freiheit iſt, ſie wollen ſich ihrer bemäch¬
tigen, das iſt ſchon ſie ertödten. Der Freiheit kann
man ſich nicht bemächtigen, ſie muß als göttliche Kraft
in uns erſcheinen, ſie iſt das Geſetz aus dem ſich der
Geiſt von ſelbſt aufbaut. Innere Gebundenheit und
äußere Freiheit ſind doppelt ſchwere Ketten, weil die
Trunkenheit noch dazukommt die die Sinne bindet und
verwirrt.“ — Das iſt ungefähr das Bedeutendſte was
ein zehn Seiten langer, ſehr kritzlich geſchriebner Brief
enthält, ich wollt Dir ihn nicht ſchicken, ich fürcht es
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/253>, abgerufen am 22.11.2024.
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