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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840.

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schlief wo niemand sich ins Zimmer getraute, da schlich
ich auf den Zehen herbei und kroch in den Schlafrock
auf der einen Seite herein und konnt mich so geschickt
um seinen Leib schmiegen und auf der andern Seite
wieder heraus, das konnt ich so geschickt, da gab er mir
allerlei italienische Schmeichelnamen im Schlaf und
schlief dann weiter fort. -- Er war niemals verdrie߬
lich. -- Wie die Mutter starb, da fürchteten sich alle
Kinder vor seinem Schmerz, keiner wagte sich in seine
Nähe. Abends war er allein im Saal wo ihr Bild
hing, da lief ich hinein und hielt ihm den Mund zu
wenn er so sehr schmerzvoll seufzte. -- Ich besinn mich
daß ich als gern in der Karmeliter-Kirch war wo nie¬
mand mehr hineinging, sie war immer leer, weil sie so
düster ist und weil so viel Todte da begraben liegen;
Vater und Mutter liegen auch da, und viele Geschwister.
Ich hab mich niemals gefürchtet vor traurigen Orten. --
Wie manchmal, wenn die Sonn draus schien da ging
ich da hinein, da wars so feucht und so trüb daß
man glaubte, es sei der traurigste Herbsttag. -- Ich
erzähl Dirs -- ich wollt Dir nur sagen, ich scheu mich
nicht vor traurigen Orten und auch nicht vor traurigen
Menschen, und wenn Du was hast was Dich trüb¬

ſchlief wo niemand ſich ins Zimmer getraute, da ſchlich
ich auf den Zehen herbei und kroch in den Schlafrock
auf der einen Seite herein und konnt mich ſo geſchickt
um ſeinen Leib ſchmiegen und auf der andern Seite
wieder heraus, das konnt ich ſo geſchickt, da gab er mir
allerlei italieniſche Schmeichelnamen im Schlaf und
ſchlief dann weiter fort. — Er war niemals verdrie߬
lich. — Wie die Mutter ſtarb, da fürchteten ſich alle
Kinder vor ſeinem Schmerz, keiner wagte ſich in ſeine
Nähe. Abends war er allein im Saal wo ihr Bild
hing, da lief ich hinein und hielt ihm den Mund zu
wenn er ſo ſehr ſchmerzvoll ſeufzte. — Ich beſinn mich
daß ich als gern in der Karmeliter-Kirch war wo nie¬
mand mehr hineinging, ſie war immer leer, weil ſie ſo
düſter iſt und weil ſo viel Todte da begraben liegen;
Vater und Mutter liegen auch da, und viele Geſchwiſter.
Ich hab mich niemals gefürchtet vor traurigen Orten. —
Wie manchmal, wenn die Sonn draus ſchien da ging
ich da hinein, da wars ſo feucht und ſo trüb daß
man glaubte, es ſei der traurigſte Herbſttag. — Ich
erzähl Dirs — ich wollt Dir nur ſagen, ich ſcheu mich
nicht vor traurigen Orten und auch nicht vor traurigen
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[256/0270] ſchlief wo niemand ſich ins Zimmer getraute, da ſchlich ich auf den Zehen herbei und kroch in den Schlafrock auf der einen Seite herein und konnt mich ſo geſchickt um ſeinen Leib ſchmiegen und auf der andern Seite wieder heraus, das konnt ich ſo geſchickt, da gab er mir allerlei italieniſche Schmeichelnamen im Schlaf und ſchlief dann weiter fort. — Er war niemals verdrie߬ lich. — Wie die Mutter ſtarb, da fürchteten ſich alle Kinder vor ſeinem Schmerz, keiner wagte ſich in ſeine Nähe. Abends war er allein im Saal wo ihr Bild hing, da lief ich hinein und hielt ihm den Mund zu wenn er ſo ſehr ſchmerzvoll ſeufzte. — Ich beſinn mich daß ich als gern in der Karmeliter-Kirch war wo nie¬ mand mehr hineinging, ſie war immer leer, weil ſie ſo düſter iſt und weil ſo viel Todte da begraben liegen; Vater und Mutter liegen auch da, und viele Geſchwiſter. Ich hab mich niemals gefürchtet vor traurigen Orten. — Wie manchmal, wenn die Sonn draus ſchien da ging ich da hinein, da wars ſo feucht und ſo trüb daß man glaubte, es ſei der traurigſte Herbſttag. — Ich erzähl Dirs — ich wollt Dir nur ſagen, ich ſcheu mich nicht vor traurigen Orten und auch nicht vor traurigen Menſchen, und wenn Du was haſt was Dich trüb¬

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/270>, abgerufen am 24.11.2024.