gen verlorner Geistesanlagen, nicht allein in sich, son¬ dern in Allen seiner Zeit geschickt werden." Und Du sagtest noch viel, wo ich voll Feuer war Dir allein zu folgen und alles mir zuzumuthen, ich mußte mir sagen daß ich allein in Dir Licht fand über das Leben, und daß Dein Geist heilige Religion sei, und daß ich eine Ahnung faßte zu was der Mensch geboren sei; ja, und daß er immerdar vereinigt sein soll mit Gott, das heißt immer in heiliger Anstrengung begriffen, ihn zu fassen. Ja was ist denn Kunst und Wissenschaft? wenn es nicht die tiefen Anlagen sind eines geistigen Weltge¬ bäudes. Was ist denn irdisch Leben wenn nicht, der sinnliche Boden aus dem eine geistige Welt sich erzeugt -- und Du sagtest: "wär man nicht zornig, wie könnt einer sanftmüthig werden, und wär die Lüge nicht, wie könnten wir zu Helden der Wahrheit werden?" Und weil ich Dich nicht verstand so sagtest Du: "Hätte die Welt nicht widerstanden, wie konnte Cäsar ein Eroberer werden?" -- Da war mir plötzlich alles deutlich, und ich war so glücklich mein eignes Selbst meiner Anstren¬ gung zu danken zu haben, daß ich wohl begriff: dies sei die einzige göttliche Gewalt in uns, uns zu freien Naturen zu bilden, nehmlich, alles aus eigner freier An¬ strengung zu erwerben, und was ist Freiheit, wenn
gen verlorner Geiſtesanlagen, nicht allein in ſich, ſon¬ dern in Allen ſeiner Zeit geſchickt werden.“ Und Du ſagteſt noch viel, wo ich voll Feuer war Dir allein zu folgen und alles mir zuzumuthen, ich mußte mir ſagen daß ich allein in Dir Licht fand über das Leben, und daß Dein Geiſt heilige Religion ſei, und daß ich eine Ahnung faßte zu was der Menſch geboren ſei; ja, und daß er immerdar vereinigt ſein ſoll mit Gott, das heißt immer in heiliger Anſtrengung begriffen, ihn zu faſſen. Ja was iſt denn Kunſt und Wiſſenſchaft? wenn es nicht die tiefen Anlagen ſind eines geiſtigen Weltge¬ bäudes. Was iſt denn irdiſch Leben wenn nicht, der ſinnliche Boden aus dem eine geiſtige Welt ſich erzeugt — und Du ſagteſt: „wär man nicht zornig, wie könnt einer ſanftmüthig werden, und wär die Lüge nicht, wie könnten wir zu Helden der Wahrheit werden?“ Und weil ich Dich nicht verſtand ſo ſagteſt Du: „Hätte die Welt nicht widerſtanden, wie konnte Cäſar ein Eroberer werden?“ — Da war mir plötzlich alles deutlich, und ich war ſo glücklich mein eignes Selbſt meiner Anſtren¬ gung zu danken zu haben, daß ich wohl begriff: dies ſei die einzige göttliche Gewalt in uns, uns zu freien Naturen zu bilden, nehmlich, alles aus eigner freier An¬ ſtrengung zu erwerben, und was iſt Freiheit, wenn
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gen verlorner Geiſtesanlagen, nicht allein in ſich, ſon¬
dern in Allen ſeiner Zeit geſchickt werden.“ Und Du
ſagteſt noch viel, wo ich voll Feuer war Dir allein zu
folgen und alles mir zuzumuthen, ich mußte mir ſagen
daß ich allein in Dir Licht fand über das Leben, und
daß Dein Geiſt heilige Religion ſei, und daß ich eine
Ahnung faßte zu was der Menſch geboren ſei; ja, und
daß er immerdar vereinigt ſein ſoll mit Gott, das heißt
immer in heiliger Anſtrengung begriffen, ihn zu faſſen.
Ja was iſt denn Kunſt und Wiſſenſchaft? wenn es
nicht die tiefen Anlagen ſind eines geiſtigen Weltge¬
bäudes. Was iſt denn irdiſch Leben wenn nicht, der
ſinnliche Boden aus dem eine geiſtige Welt ſich erzeugt
— und Du ſagteſt: „wär man nicht zornig, wie könnt
einer ſanftmüthig werden, und wär die Lüge nicht, wie
könnten wir zu Helden der Wahrheit werden?“ Und
weil ich Dich nicht verſtand ſo ſagteſt Du: „Hätte die
Welt nicht widerſtanden, wie konnte Cäſar ein Eroberer
werden?“ — Da war mir plötzlich alles deutlich, und
ich war ſo glücklich mein eignes Selbſt meiner Anſtren¬
gung zu danken zu haben, daß ich wohl begriff: dies
ſei die einzige göttliche Gewalt in uns, uns zu freien
Naturen zu bilden, nehmlich, alles aus eigner freier An¬
ſtrengung zu erwerben, und was iſt Freiheit, wenn
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/282>, abgerufen am 24.11.2024.
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