streute Lichter hinein. Da kam ich zu ihm -- nicht aus Mitleid, denn ich weinte nicht mit ihm, grad wie Du in Deinem Brief sagst es sei kein Mitleid, sondern Energie, -- oft hab ich mich selbst gewundert daß ich immer kalt bin beim sogenannten Unglück, andere denen es schwer auf der Seele liegt die können oft nicht helfen, aber Theil nehmen. Ich kann nicht Theil nehmen, mich treibts die Dornen aus dem Pfad zu reißen. -- Aber mit dem Vater war es anders. Ich glaub es giebt vielleicht Augenblicke im Leben wo ein rein Verhältniß zwischen Gottheit und Menschheit ist, so daß die Menschennatur sich dazu eignet das zu über¬ nehmen was die Menschen Botschaft Gottes nennen, also das Amt der Engel verrichten. Denn ich lief un¬ willkührlich zum Vater hinein und umhalste ihn und blieb still auf seinen Knieen sitzen und so lang es schon her ist und damals auch meine Gedanken nicht drauf gerichtet waren, so besinne ich mich doch der ruhigen Kälte in mir und wie dem einsamen Vater die Schwere vom Herzen fiel, und er ließ sich von mir aus dem Zimmer führen. -- Später im Kloster, in Fritzlar, als man uns seinen Tod mittheilte, da frug uns die Oberin, ob wir keine Anzeige von seinem Tode gehabt hätten? ich sagte: ja ich habe im Springbrunnen es gelesen.
ſtreute Lichter hinein. Da kam ich zu ihm — nicht aus Mitleid, denn ich weinte nicht mit ihm, grad wie Du in Deinem Brief ſagſt es ſei kein Mitleid, ſondern Energie, — oft hab ich mich ſelbſt gewundert daß ich immer kalt bin beim ſogenannten Unglück, andere denen es ſchwer auf der Seele liegt die können oft nicht helfen, aber Theil nehmen. Ich kann nicht Theil nehmen, mich treibts die Dornen aus dem Pfad zu reißen. — Aber mit dem Vater war es anders. Ich glaub es giebt vielleicht Augenblicke im Leben wo ein rein Verhältniß zwiſchen Gottheit und Menſchheit iſt, ſo daß die Menſchennatur ſich dazu eignet das zu über¬ nehmen was die Menſchen Botſchaft Gottes nennen, alſo das Amt der Engel verrichten. Denn ich lief un¬ willkührlich zum Vater hinein und umhalſte ihn und blieb ſtill auf ſeinen Knieen ſitzen und ſo lang es ſchon her iſt und damals auch meine Gedanken nicht drauf gerichtet waren, ſo beſinne ich mich doch der ruhigen Kälte in mir und wie dem einſamen Vater die Schwere vom Herzen fiel, und er ließ ſich von mir aus dem Zimmer führen. — Später im Kloſter, in Fritzlar, als man uns ſeinen Tod mittheilte, da frug uns die Oberin, ob wir keine Anzeige von ſeinem Tode gehabt hätten? ich ſagte: ja ich habe im Springbrunnen es geleſen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0297"n="283"/>ſtreute Lichter hinein. Da kam ich zu ihm — nicht aus<lb/>
Mitleid, denn ich weinte nicht mit ihm, grad wie Du<lb/>
in Deinem Brief ſagſt es ſei kein Mitleid, ſondern<lb/>
Energie, — oft hab ich mich ſelbſt gewundert daß ich<lb/>
immer kalt bin beim ſogenannten Unglück, andere<lb/>
denen es ſchwer auf der Seele liegt die können oft<lb/>
nicht helfen, aber Theil nehmen. Ich kann nicht Theil<lb/>
nehmen, mich treibts die Dornen aus dem Pfad zu<lb/>
reißen. — Aber mit dem Vater war es anders. Ich<lb/>
glaub es giebt vielleicht Augenblicke im Leben wo ein<lb/>
rein Verhältniß zwiſchen Gottheit und Menſchheit iſt,<lb/>ſo daß die Menſchennatur ſich dazu eignet das zu über¬<lb/>
nehmen was die Menſchen Botſchaft Gottes nennen,<lb/>
alſo das Amt der Engel verrichten. Denn ich lief un¬<lb/>
willkührlich zum Vater hinein und umhalſte ihn und<lb/>
blieb ſtill auf ſeinen Knieen ſitzen und ſo lang es ſchon<lb/>
her iſt und damals auch meine Gedanken nicht drauf<lb/>
gerichtet waren, ſo beſinne ich mich doch der ruhigen<lb/>
Kälte in mir und wie dem einſamen Vater die Schwere<lb/>
vom Herzen fiel, und er ließ ſich von mir aus dem<lb/>
Zimmer führen. — Später im Kloſter, in <hirendition="#g">Fritzlar</hi>, als<lb/>
man uns ſeinen Tod mittheilte, da frug uns die Oberin,<lb/>
ob wir keine Anzeige von ſeinem Tode gehabt hätten?<lb/>
ich ſagte: ja ich habe im Springbrunnen es geleſen.<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[283/0297]
ſtreute Lichter hinein. Da kam ich zu ihm — nicht aus
Mitleid, denn ich weinte nicht mit ihm, grad wie Du
in Deinem Brief ſagſt es ſei kein Mitleid, ſondern
Energie, — oft hab ich mich ſelbſt gewundert daß ich
immer kalt bin beim ſogenannten Unglück, andere
denen es ſchwer auf der Seele liegt die können oft
nicht helfen, aber Theil nehmen. Ich kann nicht Theil
nehmen, mich treibts die Dornen aus dem Pfad zu
reißen. — Aber mit dem Vater war es anders. Ich
glaub es giebt vielleicht Augenblicke im Leben wo ein
rein Verhältniß zwiſchen Gottheit und Menſchheit iſt,
ſo daß die Menſchennatur ſich dazu eignet das zu über¬
nehmen was die Menſchen Botſchaft Gottes nennen,
alſo das Amt der Engel verrichten. Denn ich lief un¬
willkührlich zum Vater hinein und umhalſte ihn und
blieb ſtill auf ſeinen Knieen ſitzen und ſo lang es ſchon
her iſt und damals auch meine Gedanken nicht drauf
gerichtet waren, ſo beſinne ich mich doch der ruhigen
Kälte in mir und wie dem einſamen Vater die Schwere
vom Herzen fiel, und er ließ ſich von mir aus dem
Zimmer führen. — Später im Kloſter, in Fritzlar, als
man uns ſeinen Tod mittheilte, da frug uns die Oberin,
ob wir keine Anzeige von ſeinem Tode gehabt hätten?
ich ſagte: ja ich habe im Springbrunnen es geleſen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/297>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.