Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

ler mittönenden Accorde. -- Aber ich kann nicht mehr
weiter drüber denken, ich träume nur, und schlafe tiefer
über dem Saitenspiel meiner Gedanken ein und mir
entschlüpft alles ungesagt. --

Du lebst und schwebst in freier Luft, und die ganze
Natur trägt Deinen Geist auf Händen; ich dräng mich
durch zwischen Witz und Aberwitz, und hier und dort
nimmt mich die Albernheit in Beschlag; und wenn ich
Abends zum schreiben komm, und muß das Unmögliche
denken, was unmöglich ist auszusprechen, dann bin ich
gleich traumtrunken, und dann schwindelt mir wenn
ich die Augen öffne; die Wände drehen sich und der
Menschen Treiben dreht sich mit. -- Und obs doch nicht
noch in der Sprache verborgne Gewalten giebt, die wir
noch nicht haben? -- noch nicht zu regieren verstehen;
-- das schreib mir, ob Du es auch glaubst, und ob
wir da hindringen könnten das Ungesagte auszuspre¬
chen, denn gewiß so wie die Sprache sich ergiebt so
muß der Geist hereinströmen, denn der ganze Geist ist
wohl nur ein Übersetzen des Geist Gottes in uns.
Gute Nacht.

Bettine.

ler mittönenden Accorde. — Aber ich kann nicht mehr
weiter drüber denken, ich träume nur, und ſchlafe tiefer
über dem Saitenſpiel meiner Gedanken ein und mir
entſchlüpft alles ungeſagt. —

Du lebſt und ſchwebſt in freier Luft, und die ganze
Natur trägt Deinen Geiſt auf Händen; ich dräng mich
durch zwiſchen Witz und Aberwitz, und hier und dort
nimmt mich die Albernheit in Beſchlag; und wenn ich
Abends zum ſchreiben komm, und muß das Unmögliche
denken, was unmöglich iſt auszuſprechen, dann bin ich
gleich traumtrunken, und dann ſchwindelt mir wenn
ich die Augen öffne; die Wände drehen ſich und der
Menſchen Treiben dreht ſich mit. — Und obs doch nicht
noch in der Sprache verborgne Gewalten giebt, die wir
noch nicht haben? — noch nicht zu regieren verſtehen;
— das ſchreib mir, ob Du es auch glaubſt, und ob
wir da hindringen könnten das Ungeſagte auszuſpre¬
chen, denn gewiß ſo wie die Sprache ſich ergiebt ſo
muß der Geiſt hereinſtrömen, denn der ganze Geiſt iſt
wohl nur ein Überſetzen des Geiſt Gottes in uns.
Gute Nacht.

Bettine.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0032" n="18"/>
ler mittönenden Accorde. &#x2014; Aber ich kann nicht mehr<lb/>
weiter drüber denken, ich träume nur, und &#x017F;chlafe tiefer<lb/>
über dem Saiten&#x017F;piel meiner Gedanken ein und mir<lb/>
ent&#x017F;chlüpft alles unge&#x017F;agt. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Du leb&#x017F;t und &#x017F;chweb&#x017F;t in freier Luft, und die ganze<lb/>
Natur trägt Deinen Gei&#x017F;t auf Händen; ich dräng mich<lb/>
durch zwi&#x017F;chen Witz und Aberwitz, und hier und dort<lb/>
nimmt mich die Albernheit in Be&#x017F;chlag; und wenn ich<lb/>
Abends zum &#x017F;chreiben komm, und muß das Unmögliche<lb/>
denken, was unmöglich i&#x017F;t auszu&#x017F;prechen, dann bin ich<lb/>
gleich traumtrunken, und dann &#x017F;chwindelt mir wenn<lb/>
ich die Augen öffne; die Wände drehen &#x017F;ich und der<lb/>
Men&#x017F;chen Treiben dreht &#x017F;ich mit. &#x2014; Und obs doch nicht<lb/>
noch in der Sprache verborgne Gewalten giebt, die wir<lb/>
noch nicht haben? &#x2014; noch nicht zu regieren ver&#x017F;tehen;<lb/>
&#x2014; das &#x017F;chreib mir, ob Du es auch glaub&#x017F;t, und ob<lb/>
wir da hindringen könnten das Unge&#x017F;agte auszu&#x017F;pre¬<lb/>
chen, denn gewiß &#x017F;o wie die Sprache &#x017F;ich ergiebt &#x017F;o<lb/>
muß der Gei&#x017F;t herein&#x017F;trömen, denn der ganze Gei&#x017F;t i&#x017F;t<lb/>
wohl nur ein Über&#x017F;etzen des Gei&#x017F;t Gottes in uns.<lb/>
Gute Nacht.</p><lb/>
          <p rendition="#right">Bettine.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[18/0032] ler mittönenden Accorde. — Aber ich kann nicht mehr weiter drüber denken, ich träume nur, und ſchlafe tiefer über dem Saitenſpiel meiner Gedanken ein und mir entſchlüpft alles ungeſagt. — Du lebſt und ſchwebſt in freier Luft, und die ganze Natur trägt Deinen Geiſt auf Händen; ich dräng mich durch zwiſchen Witz und Aberwitz, und hier und dort nimmt mich die Albernheit in Beſchlag; und wenn ich Abends zum ſchreiben komm, und muß das Unmögliche denken, was unmöglich iſt auszuſprechen, dann bin ich gleich traumtrunken, und dann ſchwindelt mir wenn ich die Augen öffne; die Wände drehen ſich und der Menſchen Treiben dreht ſich mit. — Und obs doch nicht noch in der Sprache verborgne Gewalten giebt, die wir noch nicht haben? — noch nicht zu regieren verſtehen; — das ſchreib mir, ob Du es auch glaubſt, und ob wir da hindringen könnten das Ungeſagte auszuſpre¬ chen, denn gewiß ſo wie die Sprache ſich ergiebt ſo muß der Geiſt hereinſtrömen, denn der ganze Geiſt iſt wohl nur ein Überſetzen des Geiſt Gottes in uns. Gute Nacht. Bettine.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/32
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/32>, abgerufen am 05.05.2024.