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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Th. III. C. X. Von Johann Bannier/ Philipp Zieglern/
[Spaltenumbruch] einer um das jahr 1620. Johann Bannier ein
ſchneider zu Stargard bey Dantzig/ der ein
buͤchlein drucken laſſen/ und ſelbiges ſpiegel
oder abriß des greuels der verwuͤſtung
genannt.
Dieſer titul weiſet alsbald von
ſelbſten/ daß das buch bey der Cleriſey unmoͤg-
lich beyfall oder gehoͤr gefunden/ zumalder au-
ctor
nur ein ſo genannter Leye/ und alſo vor un-
tuͤchtig zu ſchreiben/ und die warheit zu verkuͤn-
digen gehalten woꝛden. Deßwegen die Predigeꝛ
auch alsbald reſponſa von Univerſitæten/ ſon-
deꝛlich von Wittenbeꝛg/ einholten/ von denen ſie
gewoͤhnlicher maſſen nach wunſch ſecundiret
wurden/ dahero D. Johann Corvinus Paſtor an
der Pfarꝛ-kirchen in Dantzig ſo gleich ann. 1622.
zwey ſolche theologiſche bedenckē uͤber dieſes
fanatiſche buͤchlein mit einer vorrede zu alten
Stetin herausgab. Daſelbſt hat ſich Corvi-
nus
beklaget/ daß dieſer ſchneider nebenſt an-
dern auch einen Prediger zu Stargard/ M.
Gottſchalck Buͤnting/ verfuͤhret/ und dahin ge-
bracht/ daß er dieſen Bannier vor ſeinen Lehrer
gehalten/ und ihm ſeine ſachen nach geſchrieben.
Die andern aber verdroſſe dieſes alles ſo hefftig/
daß ſie nicht ruheten/ bis Bannier mit ſamt die-
ſem Prediger aus der ſtatt getrieben wurde.

2. Der vortrag dieſes Banniers iſt im ge-
dachtē Spiegel wie auch in einem andern buͤch-
lein/ Echo genannt/ und dann auch in M. Buͤn-
tings Defenſion der glaubens-wahrheit
enthalten. Weil ſelbige aber jetzo nicht zur
hand ſind/ will ich die vornemſten puncte aus
Colbergs Platoniſchem Chriſtenthum heꝛſetzen.
p. 1. c. V. p. 232.

1. Der neue menſch ſey CHriſtus ſelbſt/
CHriſtus werde in uns getaufft (D. 4. a.)
das neue leben nenne die ſchrifft CHriſtum den
geſalbten/ (F. 3. a.) der neugeborne menſch/
der CHriſto nachfolget/ heiſſe CHriſtus. (F.
4. a.
)
2. Daß durch CHriſtum der weg zur ſelig-
keit bißher nicht ſey offenbaret/ (B. 2. b. D. 1. a.)
ja CHriſtus habe ſich biß daher der welt nicht
geoffenbaret/ auch da er auff erden gelehrt und
gepredigt/ ſondern jetzo werde er ſich erſt durch
den letzten Eliam (Joh. Arend) offenbaren/
den weg derſeligkeit immediate lehren/ und von
dem letzten Johanne oder Elia mit fingern erſt
gewieſen werden/ jetzo werde er erſt den himmel
in aller menſchen hertzen einnehmen. (E. 3. 6.)
3. Jmgleichen ſey durch die Apoſtel der weg
zur ſeligkeit nicht offenbaret.
4. Der angefangene neue gehorſam wird
fuͤr die wahre vollkommne gerechtigkeit/ die fuͤr
GOtt gelten ſolte/ (C. 1. b. C. 4. a.) com-
mendir
et.
5. Verwirfft fidem relativam juſtificantem,
und will an ſtatt deſſelben glauben nennen das
neue leben.
6. An ſtatt des geſchriebenen und gepredig-
ten wortes GOttes ſetzet er ſeinen greuel der
Enthuſiaſtiſchen iñerlichen ohnmittelbaren er-
leuchtung der ſeelen und einſprechung GOttes
in derſelben.
7. Den gefallenen menſchen/ und ſeine
natur neñet er den teuffel ſelbſt/ der alte menſch/
natuͤrlich licht/ ſund/ teuffel/ ſind alles gleich
und eins. (C. 3. a.) will die verderbung allein
auff den irꝛdiſchen leib gezogen haben.
8. Darum ſey CHriſtus kommen/ uns von
[Spaltenumbruch] dem verfluchten leimen-hauß und erden-leib
(C. 1. b. C. 2. a.) zu erloͤſen und unſere ſeel/
welche wir von GOtt haben/ mit ſeinem heili-
gen unverweßlichen jungfraͤulichen fleiſch wie-
der zu kleiden.
9. Das reich GOttes ſey vorhin auch im
unwiedergebornen menſchen/ (D. 2. a.) al-
lein daß ſie deſſen nicht ehe gewahr werden/ biß
die erleuchtung komme. Der menſch muͤſſe
die natur durch CHriſtum in ihm uͤberwinden/
ſo habe er alsdenn auch in ihm den teuffel uͤber-
wunden. (C. 3. a.)
10. Kommt er auffs Aureum ſeculum, in-
dem lauter gerechte ſeyn werden/ da ſie auch al-
le von GOtt immediatè muͤſſen gelehret ſeyn.

3. Dieſe und dergleichen ſachen muͤſſen frey-
lich Schwenckfeldiſch/ Weigelianiſch und En-
thuſiaſti
ſch heiſſen/ zumal in gedachten ſchriff-
ten Paracelſus und Weigelius recommendiret
worden. Deßwegen auch die Theologi zu
Gieſſen und Tuͤbingen hauptſaͤchlich darauff
gefuſſet/ und dieſe leute unter ſolchem namen
verdammet haben/ die Wittenberger aber ſie
vor Roſencreutzer erklaͤret/ wie in ihren Conſi-
liis P. I. p.
876. zu ſehen: Der grund aber von
ſolcher beſchuldigung kan aus der hiſtorie der
Roſencreutzer ſchon erſehen werden. So mu-
ſte es auch denen elenden leuten fantaſtiſch und
ſchwermeriſch heiſſen/ wenn Bannier nach
den ausdruͤcklichen worten Pauli, von der ge-
ſtalt/ die CHriſtus in uns gewinnen muß/ in
ſeinem Lutheriſchen Spiegel den geſang/
Gelobet ſeyſtu JEſu CHriſt/ alſo applicir-
te:

Gelobet ſeyſtu JEſu CHriſt/
Der in uns menſch gebohren iſt/
Durchs wort des lebens/ das iſt wahr/
Deß freuet ſich der Chriſten ſchaar.
Des ew gen Vatters einigs kind
Man in dem innern hertzen findt/
Mit ſeinem heilgen fleiſch und blut/
Speiſt und traͤnckt uns das ew ge gut. ꝛc.

Denn weil dieſe und alle andere geheimniſſe des
Herꝛn nur bey denen ſeyn/ die ihn fuͤrchten/ ſo
koͤnnen freylich diejenigen das allerhoͤchſte ge-
heimnis der offenbarung JEſu CHriſti weder
erkennen noch wircklich erfahren und genieſſen/
welche auch nicht einmal durch eine natuͤrliche
und knechtiſche furcht vor GOtt von der laͤſte-
rung wider CHriſtum abgehalten werden koͤn-
nen.

4. Und da nun gedachte perſonen durch ſolche
gleichſam untheologiſche Reſponſa einmal ver-
haſt uñ zu exulanten gemacht worden/ hat man
ſie faſt nirgends gelitten/ ſo/ daß ſie ſich eine
zeitlang kuͤmmerlich zu Dantzig aufhalten koͤn-
nen/ allwo ſie nach D. Corvini klage in der an-
gezogenen Vorrede ihre Winckel-Vermah-
nungen gehalten.
Von dar iſt Johann
Bannier nach Schweden gangen/ und hat
daſelbſt zweiffelsfrey bey einem und dem an-
dern beyfall gefunden; welches deñ die Cleriſey/
die daruͤber beſchaͤmet uñ in ihren greueln ent-
decket worden/ dermaſſen uͤbel empfunden/ daß
ſie Banniern ſo fort ins gefaͤngnis geworffen/
und durch den Hencker oͤffentlich enthaupten
laſſen. Der vorwand aber ſolcher Spaniſchen
Inquiſition ſoll geweſen ſeyn: Er haͤtte damit
wider die fundamental-geſetze des Reichs ge-

handelt/

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/108>, abgerufen am 09.01.2025.