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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Th. IV. Sect. II. Num. LIV. Dav. Jor. schrifft von der Reformirt. relig. zwang.
[Spaltenumbruch]

7. Ob eine weltliche Obrigkeit von religions-
"puncten urtheilen möge? Und ob solche Obrig-
"keit durchgehends solche geschicklichkeit habe/
"die zu dergleichen urtheil erfordert wird? Wo
"aber nicht/ ob die Obrigkeit so dann den be-
"schuldigten vor einem kätzer halten solte bloß
"deswegen/ weil es die Prediger oder Synodi
"sagen/ und darauff so fort zur execution schrei-
"ten dürffen: Und ob/ wenn sie solches thun/
"sie nicht zu halten seyn vor blinde executores
"frembder urtheile und decreten?

8. Ob man in solchem fall nicht der praxi des
"Pabstthums folge/ darinnen dasjenige/ was
"der Pabst und die Synodi erkandt haben/ vor
"unbetrüglich gehalten wird?

9. Ob man nicht die Papisten und ihre an-
"hänger rechtfertige/ und ihre inquisition, ge-
"wissens-zwang/ verfolgen und morden bestär-
"cke/ wenn man die kätzer mit dem schwerd ver-
"tilge?

10. Ob die Reformirten mit solcher praxi
"nicht eben dasjenige thun/ was sie im anfang
"der retormation öffentlich mit mund und feder
"als streitig wieder GOTT und sein wort be-
"kandt/ und vor ungerecht und unleidlich er-
"klärt gehabt?

11. Ob die Obrigkeit zu solchen verfolgun-
"gen und straffen der kätzer nicht offt mehr
"durch Politische absichten getrieben werde/ ih-
"ren weltlichen staat und hoheit zu stabiliren/
"als aus liebe zur ehre GOTTES und zur
"religion?

12. Ob sothane proceduren nicht von gros-
"ser consequenz seyn in und ausserhalb des lar-
"des/ da so vielerley partheyen und religionen
"seyn/ die einander verurtheilen und verwerffen/
"also daß es so weit kommen dürffte/ daß eine
"Obrigkeit die andere/ welcher sie könte mäch-
"tig werden/ als ketzerisch mit krieg überfiele/
"zu endlicher verstöhrung und grausamen blut-
"stürtzungen.

13. Ob das gesetz Mosis wider die lästerer/
"Deut. XIII. nun die Christliche Obrigkeit im
"Neuen Testament verbinde/ so wie vormals
"die Juden im alten?

14. Endlich/ ob die parabel CHristi Matth.
"XIII.
vom unkraut/ nebenst den exempeln Pe-
"tri
über Anania, Act. V. und Pauli über Ely-
"ma Act. XIII.
zum beweiß der kätzer-straffen
"oder hinrichtung dienen?

So weit der extract aus gedachtem buch/ zu
welchem der oben angezogene Uytenbogardus
aus einem brieff Nicolai Zerchniti an Calvi-
num
folgende worte beyfüget: Jch kan
nicht verhalten/ daß ich besorge/ es
möchte das weltliche schwerd nicht der
weg seyn/ die manchfaltigen meinungen
einzuschräncken/ daß nemlich niemand
von denjenigen lehren/ die durch der Pre-
diger einstimmung befestiget worden/
eine haar breit weichen dürffte. Es
weisens uns die exempel aus allen zei-
ten/ daß durch menschen-blut solche fle-
cken nicht abgewaschen/ sondern weiter
ausgearbeitet werden. Jch hab es sel-
ber erlebt/ daß es einige gereuet hat/
[Spaltenumbruch] wenn sie die Obrigkeit solche arme leute
zu schlachten angestifftet/ und daß sie
gewünschet/ sie möchten noch am le-
ben seyn.

5. Alldieweil auch das bekante Testament
Churfürst Friedrich des III. Pfaltz-graffens
von denen reformirten sonderlich hochgehalten
worden/ und selbiges von der toleranz und
friedfertigkeit unter den partheyen ziemlich
deutlich handelt: mag selbige passage gleich-
fals platz haben/ die also lautet: Jnsonder-
heit sollen unsere geliebte söhne vor den
unruhigen kirchen-und schul-dienern sich
wohl vorsehen und hüten/ welche sich
heutiges tages hin und wieder unterste-
hen/ in religions-und glaubens-sachen
allerhand ärgerlichen streit/ religions-
gezäncke und verdammung in kirchen und
schulen anzurichten/ die doch im grund
und den vornehmsten haubt-puncten
unserer wahren Christlichen religion ei-
nig sind/ und ihrer seelen seligkeit so wol
als wir auff unsern einigen Heyland und
Seligmacher JESUM CHristum
setzen. Welches schelten denn aus lau-
ter vorsetzlichem ehrgeitz und verkehrten
eiffer geschicht mit unverstand unter
dem deckel des straff-ambts des heiligen
Geistes/ da man zugleich suchet über
die gewissen der Obrigkeiten und unter-
thanen zu herrschen/ wie in dem ver-
fluchten Pabstthum geschehen ist/ und
ihm einen neuen
Primat zu machen. Dar-
aus denn nicht allein verbitterung und
zertrennung der gemüther im geistlichen
und weltlichem retziment/ wie auch der-
selben zerstörung/ untergang und ver-
wüstung erfolgt/ sondern auch da-
durch dem Pabst und seinem anhang
ursach gegeben wird/ unsere wahrhaff-
tige Christliche
religion mit feuer/
schwerdt/ bann und andern unzehlichen
martern zuverfolgen/ und seine tyran-
ney damit zu befestigen/ wie davon lei-
der mehr als zu viel exempel sind: auch
zu unsern zeiten in Chur-und Fürstl.
häusern/ wie auch bey frembden und be-
nachbarten
nationen/ da das Evangelium
lange im schwang gegangen/ oder zum
theil erst auffkommen war. Was vor zer-
störung/ jammer und unglück daraus
entstanden sey/ ist gnug am tag. Daran
solten sich billig alle Christliche Obrig-
keiten/ kirchen und schulen spiegeln/
und vor solchen gefährlichen/ unruhi-
gen und friedhässigen leuten hüten/
von ihnen nicht lassen einnehmen/ oder
gegen andere verbittern/ und von
einander trennen/ sondern vielmehr
dieselbe meiden/ und so von ihnen kei-
ne besserung zu erwarten/ absetzen/
und sich der abscheulichen und greu-
lichen verfolgung und unschuldigen
blutvergiessens nicht theilhafftig
machen/ als welches in und ausser
Teutschland aus solchem unchrist-
lichem verdammen und
schelten erfolget
ist.

NUM.
A. K. H. Vierter Theil. K k k
Th. IV. Sect. II. Num. LIV. Dav. Jor. ſchrifft von der Reformirt. relig. zwang.
[Spaltenumbruch]

7. Ob eine weltliche Obrigkeit von religions-
„puncten urtheilen moͤge? Und ob ſolche Obrig-
„keit durchgehends ſolche geſchicklichkeit habe/
„die zu dergleichen urtheil erfordert wird? Wo
„aber nicht/ ob die Obrigkeit ſo dann den be-
„ſchuldigten voꝛ einem kaͤtzer halten ſolte bloß
„deswegen/ weil es die Prediger oder Synodi
„ſagen/ und darauff ſo fort zur execution ſchrei-
„ten duͤrffen: Und ob/ wenn ſie ſolches thun/
„ſie nicht zu halten ſeyn vor blinde executores
„frembder urtheile und decreten?

8. Ob man in ſolchem fall nicht der praxi des
„Pabſtthums folge/ darinnen dasjenige/ was
„der Pabſt und die Synodi erkandt haben/ vor
„unbetruͤglich gehalten wird?

9. Ob man nicht die Papiſten und ihre an-
„haͤnger rechtfertige/ und ihre inquiſition, ge-
„wiſſens-zwang/ verfolgen und morden beſtaͤr-
„cke/ wenn man die kaͤtzer mit dem ſchwerd ver-
„tilge?

10. Ob die Reformirten mit ſolcher praxi
„nicht eben dasjenige thun/ was ſie im anfang
„der retormation oͤffentlich mit mund uñ feder
„als ſtreitig wieder GOTT und ſein wort be-
„kandt/ und vor ungerecht und unleidlich er-
„klaͤrt gehabt?

11. Ob die Obrigkeit zu ſolchen verfolgun-
„gen und ſtraffen der kaͤtzer nicht offt mehr
„durch Politiſche abſichten getrieben werde/ ih-
„ren weltlichen ſtaat und hoheit zu ſtabiliren/
„als aus liebe zur ehre GOTTES und zur
religion?

12. Ob ſothane proceduren nicht von groſ-
„ſer conſequenz ſeyn in und auſſerhalb des lar-
„des/ da ſo vielerley partheyen und religionen
„ſeyn/ die einander verurtheilen und verwerffen/
„alſo daß es ſo weit kommen duͤrffte/ daß eine
„Obrigkeit die andere/ welcher ſie koͤnte maͤch-
„tig werden/ als ketzeriſch mit krieg uͤberfiele/
„zu endlicher verſtoͤhrung und grauſamen blut-
„ſtuͤrtzungen.

13. Ob das geſetz Moſis wider die laͤſterer/
Deut. XIII. nun die Chriſtliche Obrigkeit im
„Neuen Teſtament verbinde/ ſo wie vormals
„die Juden im alten?

14. Endlich/ ob die parabel CHriſti Matth.
„XIII.
vom unkraut/ nebenſt den exempeln Pe-
„tri
uͤber Anania, Act. V. und Pauli uͤber Ely-
„ma Act. XIII.
zum beweiß der kaͤtzer-ſtraffen
„oder hinrichtung dienen?

So weit der extract aus gedachtem buch/ zu
welchem der oben angezogene Uytenbogardus
aus einem brieff Nicolai Zerchniti an Calvi-
num
folgende worte beyfuͤget: Jch kan
nicht verhalten/ daß ich beſorge/ es
moͤchte das weltliche ſchwerd nicht der
weg ſeyn/ die manchfaltigen meinungen
einzuſchraͤncken/ daß nemlich niemand
von denjenigen lehren/ die durch der Pre-
diger einſtimmung befeſtiget worden/
eine haar breit weichen duͤrffte. Es
weiſens uns die exempel aus allen zei-
ten/ daß durch menſchen-blut ſolche fle-
cken nicht abgewaſchen/ ſondern weiter
ausgearbeitet werden. Jch hab es ſel-
ber erlebt/ daß es einige gereuet hat/
[Spaltenumbruch] wenn ſie die Obrigkeit ſolche arme leute
zu ſchlachten angeſtifftet/ und daß ſie
gewuͤnſchet/ ſie moͤchten noch am le-
ben ſeyn.

5. Alldieweil auch das bekante Teſtament
Churfuͤrſt Friedrich des III. Pfaltz-graffens
von denen reformirten ſonderlich hochgehalten
worden/ und ſelbiges von der toleranz und
friedfertigkeit unter den partheyen ziemlich
deutlich handelt: mag ſelbige paſſage gleich-
fals platz haben/ die alſo lautet: Jnſonder-
heit ſollen unſere geliebte ſoͤhne vor den
unruhigen kirchen-und ſchul-dienern ſich
wohl vorſehen und huͤten/ welche ſich
heutiges tages hin und wieder unterſte-
hen/ in religions-und glaubens-ſachen
allerhand aͤrgerlichen ſtreit/ religions-
gezaͤncke und verdam̃ung in kirchen und
ſchulen anzurichten/ die doch im grund
und den vornehmſten haubt-puncten
unſerer wahren Chriſtlichen religion ei-
nig ſind/ und ihrer ſeelen ſeligkeit ſo wol
als wir auff unſern einigen Heyland und
Seligmacher JESUM CHriſtum
ſetzen. Welches ſchelten denn aus lau-
ter vorſetzlichem ehrgeitz und verkehrten
eiffer geſchicht mit unverſtand unter
dem deckel des ſtraff-ambts des heiligen
Geiſtes/ da man zugleich ſuchet uͤber
die gewiſſen der Obrigkeiten und unter-
thanen zu herrſchen/ wie in dem ver-
fluchten Pabſtthum geſchehen iſt/ und
ihm einen neuen
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ſelben zerſtoͤrung/ untergang und ver-
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durch dem Pabſt und ſeinem anhang
urſach gegeben wird/ unſere wahrhaff-
tige Chriſtliche
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martern zuverfolgen/ und ſeine tyran-
ney damit zu befeſtigen/ wie davon lei-
der mehr als zu viel exempel ſind: auch
zu unſern zeiten in Chur-und Fuͤrſtl.
haͤuſern/ wie auch bey frembden und be-
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ſolten ſich billig alle Chriſtliche Obrig-
keiten/ kirchen und ſchulen ſpiegeln/
und vor ſolchen gefaͤhrlichen/ unruhi-
gen und friedhaͤſſigen leuten huͤten/
von ihnen nicht laſſen einnehmen/ oder
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Teutſchland aus ſolchem unchriſt-
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iſt.

NUM.
A. K. H. Vierter Theil. K k k
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[445/0741] Th. IV. Sect. II. Num. LIV. Dav. Jor. ſchrifft von der Reformirt. relig. zwang. 7. Ob eine weltliche Obrigkeit von religions- „puncten urtheilen moͤge? Und ob ſolche Obrig- „keit durchgehends ſolche geſchicklichkeit habe/ „die zu dergleichen urtheil erfordert wird? Wo „aber nicht/ ob die Obrigkeit ſo dann den be- „ſchuldigten voꝛ einem kaͤtzer halten ſolte bloß „deswegen/ weil es die Prediger oder Synodi „ſagen/ und darauff ſo fort zur execution ſchrei- „ten duͤrffen: Und ob/ wenn ſie ſolches thun/ „ſie nicht zu halten ſeyn vor blinde executores „frembder urtheile und decreten? 8. Ob man in ſolchem fall nicht der praxi des „Pabſtthums folge/ darinnen dasjenige/ was „der Pabſt und die Synodi erkandt haben/ vor „unbetruͤglich gehalten wird? 9. Ob man nicht die Papiſten und ihre an- „haͤnger rechtfertige/ und ihre inquiſition, ge- „wiſſens-zwang/ verfolgen und morden beſtaͤr- „cke/ wenn man die kaͤtzer mit dem ſchwerd ver- „tilge? 10. Ob die Reformirten mit ſolcher praxi „nicht eben dasjenige thun/ was ſie im anfang „der retormation oͤffentlich mit mund uñ feder „als ſtreitig wieder GOTT und ſein wort be- „kandt/ und vor ungerecht und unleidlich er- „klaͤrt gehabt? 11. Ob die Obrigkeit zu ſolchen verfolgun- „gen und ſtraffen der kaͤtzer nicht offt mehr „durch Politiſche abſichten getrieben werde/ ih- „ren weltlichen ſtaat und hoheit zu ſtabiliren/ „als aus liebe zur ehre GOTTES und zur „religion? 12. Ob ſothane proceduren nicht von groſ- „ſer conſequenz ſeyn in und auſſerhalb des lar- „des/ da ſo vielerley partheyen und religionen „ſeyn/ die einander verurtheilen und verwerffen/ „alſo daß es ſo weit kommen duͤrffte/ daß eine „Obrigkeit die andere/ welcher ſie koͤnte maͤch- „tig werden/ als ketzeriſch mit krieg uͤberfiele/ „zu endlicher verſtoͤhrung und grauſamen blut- „ſtuͤrtzungen. 13. Ob das geſetz Moſis wider die laͤſterer/ „Deut. XIII. nun die Chriſtliche Obrigkeit im „Neuen Teſtament verbinde/ ſo wie vormals „die Juden im alten? 14. Endlich/ ob die parabel CHriſti Matth. „XIII. vom unkraut/ nebenſt den exempeln Pe- „tri uͤber Anania, Act. V. und Pauli uͤber Ely- „ma Act. XIII. zum beweiß der kaͤtzer-ſtraffen „oder hinrichtung dienen? So weit der extract aus gedachtem buch/ zu welchem der oben angezogene Uytenbogardus aus einem brieff Nicolai Zerchniti an Calvi- num folgende worte beyfuͤget: Jch kan nicht verhalten/ daß ich beſorge/ es moͤchte das weltliche ſchwerd nicht der weg ſeyn/ die manchfaltigen meinungen einzuſchraͤncken/ daß nemlich niemand von denjenigen lehren/ die durch der Pre- diger einſtimmung befeſtiget worden/ eine haar breit weichen duͤrffte. Es weiſens uns die exempel aus allen zei- ten/ daß durch menſchen-blut ſolche fle- cken nicht abgewaſchen/ ſondern weiter ausgearbeitet werden. Jch hab es ſel- ber erlebt/ daß es einige gereuet hat/ wenn ſie die Obrigkeit ſolche arme leute zu ſchlachten angeſtifftet/ und daß ſie gewuͤnſchet/ ſie moͤchten noch am le- ben ſeyn. 5. Alldieweil auch das bekante Teſtament Churfuͤrſt Friedrich des III. Pfaltz-graffens von denen reformirten ſonderlich hochgehalten worden/ und ſelbiges von der toleranz und friedfertigkeit unter den partheyen ziemlich deutlich handelt: mag ſelbige paſſage gleich- fals platz haben/ die alſo lautet: Jnſonder- heit ſollen unſere geliebte ſoͤhne vor den unruhigen kirchen-und ſchul-dienern ſich wohl vorſehen und huͤten/ welche ſich heutiges tages hin und wieder unterſte- hen/ in religions-und glaubens-ſachen allerhand aͤrgerlichen ſtreit/ religions- gezaͤncke und verdam̃ung in kirchen und ſchulen anzurichten/ die doch im grund und den vornehmſten haubt-puncten unſerer wahren Chriſtlichen religion ei- nig ſind/ und ihrer ſeelen ſeligkeit ſo wol als wir auff unſern einigen Heyland und Seligmacher JESUM CHriſtum ſetzen. Welches ſchelten denn aus lau- ter vorſetzlichem ehrgeitz und verkehrten eiffer geſchicht mit unverſtand unter dem deckel des ſtraff-ambts des heiligen Geiſtes/ da man zugleich ſuchet uͤber die gewiſſen der Obrigkeiten und unter- thanen zu herrſchen/ wie in dem ver- fluchten Pabſtthum geſchehen iſt/ und ihm einen neuen Primat zu machen. Dar- aus denn nicht allein verbitterung und zertrennung der gemuͤther im geiſtlichen und weltlichem retziment/ wie auch der- ſelben zerſtoͤrung/ untergang und ver- wuͤſtung erfolgt/ ſondern auch da- durch dem Pabſt und ſeinem anhang urſach gegeben wird/ unſere wahrhaff- tige Chriſtliche religion mit feuer/ ſchwerdt/ bann und andern unzehlichen martern zuverfolgen/ und ſeine tyran- ney damit zu befeſtigen/ wie davon lei- der mehr als zu viel exempel ſind: auch zu unſern zeiten in Chur-und Fuͤrſtl. haͤuſern/ wie auch bey frembden und be- nachbarten nationen/ da das Evangelium lange im ſchwang gegangen/ oder zum theil erſt auffkom̃en war. Was vor zer- ſtoͤrung/ jammer und ungluͤck daraus entſtanden ſey/ iſt gnug am tag. Daran ſolten ſich billig alle Chriſtliche Obrig- keiten/ kirchen und ſchulen ſpiegeln/ und vor ſolchen gefaͤhrlichen/ unruhi- gen und friedhaͤſſigen leuten huͤten/ von ihnen nicht laſſen einnehmen/ oder gegen andere verbittern/ und von einander trennen/ ſondern vielmehr dieſelbe meiden/ und ſo von ihnen kei- ne beſſerung zu erwarten/ abſetzen/ und ſich der abſcheulichen und greu- lichen verfolgung und unſchuldigen blutvergieſſens nicht theilhafftig machen/ als welches in und auſſer Teutſchland aus ſolchem unchriſt- lichem verdammen und ſchelten erfolget iſt. NUM. A. K. H. Vierter Theil. K k k

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/741>, abgerufen am 16.07.2024.