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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Th. IV. Sect. III. Num. IX. Jnhalt der schrifften Hiels.
[Spaltenumbruch] fruchtbarkeit des lebens. 10. Das ist das le-
ben der Göttlichen natur/ so nun über alles
von seines gleichen gesucht und gefunden wer-
den soll. 11. Wer das leben in seiner einwe-
sigkeit sucht/ wirds im leben finden. 12. Da-
hin die ans irrdische wesen gebundene mensch-
heit nicht mag folgen/ und den tod zu ihrem
theile empfangen muß. 13. Jhr geist kan das
leben im himmel nicht erreichen/ sondern muß
mit dem irrdischen tod in pein und schmertzen
gefangen bleiben. 14. Himmel und hölle/ le-
ben und tod haben keine gemeinschafft mit
einander. 15. Streiten zwar bildlicher weise
eine zeitlang mit einander/ können aber/ wo sie
keinen dritten zu hülffe kriegen/ einander nicht
überwinden. 16. Dieser dritte ist die mensch-
heit/ die zwischen zweyen wiederwärtigen we-
sen wohnet; wirds aber erst innen/ wann sie
ihr innerliches wesen im lichte Christi begin-
net zu erkennen und zu empfinden. 17. Das
eine wesen oder geist ist die Göttliche natur/
die sich in der irrdischen menschheit verborgen
hält/ sie aus der finsternis mit der zeit ins licht
zu ziehen. 18. Das andere ist das irrdische
grobe wesen/ zur eigenschafft und wahl geneigt/
und die wahl zum verderben. 19. Mit beyden
diesen geistern ist die menschheit wesentlich
vereiniget. 20. Das eine wesen heißt man au-
gen/ das andere heist man Christum.

Cap. 61.

1. Daß die menschheit in ihrer schöpffung/
nach der Gottheit/ ihren freyen willen habe/ zu
einem von diesen beeden zu kehren. 2. Nach
der natur des irrdischen wesens aber ist sie nicht
frey/ sondern an ihre begierlichkeit vereignet/
doch aus ihrem eigenen/ nicht aus GOTTes
willen. 3. Nach der Gottheit heißts: Jch lege dir
vor tod und leben/ greiff nach welchem du wilst.
4. Das ist das wesen gegen dem die weißheit
GOTTes durch ihre liebe diß zeugnis ausge-
hen läßt/ hat freyen willen zur Göttlichen na-
tur einzukehren; so viel aber die menschheit der
irrdigkeit theilhafftig/ ist sie eigen an ihre lüste
verbunden/ und kan den freyen willen nicht
gebrauchen. Und das ist der streit in der mit
GOTT noch nicht wieder zu einem wesen
vereinigten menschen. 5. Jhr werden zweene
wege vorgelegt/ und sie kan nur einen gehen;
doch hat sie lust sich auf beede zu begeben/ weiß
in ihrer unversuchtheit nicht/ wohin sie sich
wenden soll/ ist aber mehr zum irrdische geneigt.
6. Gibt sie sich zum irrdischen/ dahin ihre grö-
ste lust/ muß das himmlische den streit verlie-
ren und den tod leiden. 7. Auch läst die Gott-
heit sich erst überwinden und tödten/ ehe sie
ihrem feind wieder vergilt. 8. Hierzu muß die
Gottheit ihrer zeit erwarten/ biß die menschheit
ihr elend und verderben innen wird/ und ihren
trost an ihr zu suchen beginnt. 9. So viel sie
sich dann zur Gottheit wendet/ so viel kommt
sie zu freyem willen; wordurch sie ihre verbünd-
nis an die eigenschafft erkennt. 10. Durch den
freyen willen erwehlet sie die Gottheit zu ihre
troste/ und wird betrübt/ daß sie der Gottheit
in ihr den tod hat helffen anthun/ so ohne ih-
ren zufall nicht geschehen mögen. 11. Die Gott-
heit läßt sich überwinden/ damit die mensch-
heit das böse erkennen und sich darvon bekehren
möge/ anders solte sie drinnen umkommen. 12.
Darum erweckt eine liebe die andere. 13. Kei-
ne liebe noch gerechtigkeit ist/ dann in der Gött-
[Spaltenumbruch] lichen natur. 14. Wer sie haben will/ muß sie
aus der Gottheit empfangen.

Cap. 62.

Daß/ wann die menschheit endlich die liebe
GOttes/ und dann auch das verderben des irr-
dischen wesens in ihrer seelen empfinde/ sie auff
GOttes güte und liebe zu mercken beginne. 2.
Seelig ist die seele/ die des HErrn stimme hört/
mit danck annimmt/ und acht hat/ was sie be-
gehre. 3. Auch die ohren/ die das Göttliche
zeugniß hören und vor dem lust und liebe des
irrdischen wesens zugestopfft sind. 4. Selig
die menschheit/ die alle ihre liebe und lust inwen-
dig zur Gottheit einkehrt/ etc. 5. Dann läst
sich die Gottheit ergreiffen/ und wird ein HErr
über himmel und erden. 6. Das leben über-
windet den tod und macht die menschheit seelig.
7. Dann geht lob und danck auff. 8. Hier
verklärt der Vater den Sohn/ und der Sohn den
Vater. 9. Der Sohn betet den Vater an. 10.
Der Sohn empfäht vom Vater macht über al-
les fleisch/ und bittet für die/ so sich zu ihm bekeh-
ren/ daß sie das leben mögen empfangen. 11.
Das ist das ewige leben/ daß man den Vater in
seinem heiligen wesen erkenne/ etc. 12. Wann
der mensch das in der seelen empfindet/ zeugt der
Sohn gegen den Vater: Vater/ ich hab dich im
irrdische hertzen verklärt/ etc. Verkläre auch mich
mit der klarheit/ die ich vor der welt grundle-
gung bey dir hatte. 13. Daß diese welt durch die
irrdische finsterniß seine klarheit verliert. etc. 14.
Da dann der mensch ins verderben verfällt/
und im finsterniß umtappt/ biß er des ver-
dammlichen tods im leben gewahr wird/ und
den zug des Vaters empfindet. 15. Dieser
zug des Vaters ist/ daß der mensch die wesent-
liche krafft der Göttlichen natur in seiner sünde
erkennt/ und in der seele mit reu und leyd em-
pfindet. 16. Wann der Vater den menschen
gezogen/ gibt er ihn CHristo über/ der ihn der
Göttlichen natur theilhafftig macht/ etc.

Cap. 63.

Daß/ wann die himmlische geburt die irr-
dische überwindt/ und ihr die verdammniß zu-
bringt/ und der gantzen menschheit in allen ih-
ren sinnen/ etc. bekannt machet/ daß die irrdi-
sche geburt verlohren gehen muß/ sie ihre zu-
flucht zum Vater nehme und zeuge: Nun komm
ich zu dir/ und zeuge diß in der welt/ etc. Item: Jch
bitte nicht/ daß du sie von der welt nehmest/
dann sie noch versucht und geprüfft drinnen
werden muß/ sondern fürm bösen bewahrest/
etc. 2. CHristus zeugt weiter: Jch bitte nicht al-
lein für die menschheit/ etc. 3. Item: Nun geht das
urtheil über die welt. Und der fürst dieser welt
wird ausgestossen/ und der menschheit wird die
herrlichkeit gezeigt und gegeben. Zur vollkom-
menen freude/ die in der menschheit auffgehet. 5.
Dann zeugt CHristus: Jch habe der mensch-
heit deine herrlichkeit gegeben/ etc. 6. Weiter:
Gerechter vater/ die welt hat mich nicht erkant/
etc. 8. Gleichwie die Gottheit vollkommen ist;
so soll auch die menschheit vollkommen seyn.

Cap. 64.

Daß man durch diese in der menschheit er-
kante| vollkommenheit die würckung zwische dem
Vater und Sohne in der menschheit anhöre/
und eine stille im himmel und auf der erden wer-
de/ dann heist es: Wer den Vater siehet/ der siehet
den Sohn/ etc. Und die menschheit wird mit

dem

Th. IV. Sect. III. Num. IX. Jnhalt der ſchrifften Hiels.
[Spaltenumbruch] fruchtbarkeit des lebens. 10. Das iſt das le-
ben der Goͤttlichen natur/ ſo nun uͤber alles
von ſeines gleichen geſucht und gefunden wer-
den ſoll. 11. Wer das leben in ſeiner einwe-
ſigkeit ſucht/ wirds im leben finden. 12. Da-
hin die ans irrdiſche weſen gebundene menſch-
heit nicht mag folgen/ und den tod zu ihrem
theile empfangen muß. 13. Jhr geiſt kan das
leben im himmel nicht erreichen/ ſondern muß
mit dem irrdiſchen tod in pein und ſchmertzen
gefangen bleiben. 14. Himmel und hoͤlle/ le-
ben und tod haben keine gemeinſchafft mit
einander. 15. Streiten zwar bildlicher weiſe
eine zeitlang mit einander/ koͤnnen aber/ wo ſie
keinen dritten zu huͤlffe kriegen/ einander nicht
uͤberwinden. 16. Dieſer dritte iſt die menſch-
heit/ die zwiſchen zweyen wiederwaͤrtigen we-
ſen wohnet; wirds aber erſt innen/ wann ſie
ihr innerliches weſen im lichte Chriſti begin-
net zu erkennen und zu empfinden. 17. Das
eine weſen oder geiſt iſt die Goͤttliche natur/
die ſich in der irrdiſchen menſchheit verborgen
haͤlt/ ſie aus der finſternis mit der zeit ins licht
zu ziehen. 18. Das andere iſt das irrdiſche
grobe weſen/ zur eigenſchafft und wahl geneigt/
und die wahl zum verderben. 19. Mit beyden
dieſen geiſtern iſt die menſchheit weſentlich
vereiniget. 20. Das eine weſen heißt man au-
gen/ das andere heiſt man Chriſtum.

Cap. 61.

1. Daß die menſchheit in ihrer ſchoͤpffung/
nach der Gottheit/ ihren freyen willen habe/ zu
einem von dieſen beeden zu kehren. 2. Nach
der natur des irrdiſchen weſens aber iſt ſie nicht
frey/ ſondern an ihre begierlichkeit vereignet/
doch aus ihrem eigenen/ nicht aus GOTTes
willen. 3. Nach der Gottheit heißts: Jch lege dir
vor tod und leben/ greiff nach welchem du wilſt.
4. Das iſt das weſen gegen dem die weißheit
GOTTes durch ihre liebe diß zeugnis ausge-
hen laͤßt/ hat freyen willen zur Goͤttlichen na-
tur einzukehren; ſo viel aber die menſchheit der
irrdigkeit theilhafftig/ iſt ſie eigen an ihre luͤſte
verbunden/ und kan den freyen willen nicht
gebrauchen. Und das iſt der ſtreit in der mit
GOTT noch nicht wieder zu einem weſen
vereinigten menſchen. 5. Jhr werden zweene
wege vorgelegt/ und ſie kan nur einen gehen;
doch hat ſie luſt ſich auf beede zu begeben/ weiß
in ihrer unverſuchtheit nicht/ wohin ſie ſich
wenden ſoll/ iſt aber mehr zum irrdiſchē geneigt.
6. Gibt ſie ſich zum irrdiſchen/ dahin ihre groͤ-
ſte luſt/ muß das himmliſche den ſtreit verlie-
ren und den tod leiden. 7. Auch laͤſt die Gott-
heit ſich erſt uͤberwinden und toͤdten/ ehe ſie
ihrem feind wieder vergilt. 8. Hierzu muß die
Gottheit ihrer zeit erwarten/ biß die menſchheit
ihr elend und verderben innen wird/ und ihren
troſt an ihr zu ſuchen beginnt. 9. So viel ſie
ſich dann zur Gottheit wendet/ ſo viel kom̃t
ſie zu freyem willen; wordurch ſie ihre verbuͤnd-
nis an die eigenſchafft erkennt. 10. Durch den
freyen willen erwehlet ſie die Gottheit zu ihrē
troſte/ und wird betruͤbt/ daß ſie der Gottheit
in ihr den tod hat helffen anthun/ ſo ohne ih-
ren zufall nicht geſchehen moͤgen. 11. Die Gott-
heit laͤßt ſich uͤberwinden/ damit die menſch-
heit das boͤſe erkeñen und ſich darvon bekehren
moͤge/ anders ſolte ſie drinnen umkommen. 12.
Darum erweckt eine liebe die andere. 13. Kei-
ne liebe noch gerechtigkeit iſt/ dann in der Goͤtt-
[Spaltenumbruch] lichen natur. 14. Wer ſie haben will/ muß ſie
aus der Gottheit empfangen.

Cap. 62.

Daß/ wann die menſchheit endlich die liebe
GOttes/ und dann auch das verderben des irꝛ-
diſchen weſens in ihrer ſeelen empfinde/ ſie auff
GOttes guͤte und liebe zu mercken beginne. 2.
Seelig iſt die ſeele/ die des HErrn ſtimme hoͤrt/
mit danck annimmt/ und acht hat/ was ſie be-
gehre. 3. Auch die ohren/ die das Goͤttliche
zeugniß hoͤren und vor dem luſt und liebe des
irrdiſchen weſens zugeſtopfft ſind. 4. Selig
die menſchheit/ die alle ihꝛe liebe und luſt inwen-
dig zur Gottheit einkehrt/ ꝛc. 5. Dann laͤſt
ſich die Gottheit ergreiffen/ und wird ein HErꝛ
uͤber himmel und erden. 6. Das leben uͤber-
windet den tod und macht die menſchheit ſeelig.
7. Dann geht lob und danck auff. 8. Hier
verklaͤꝛt deꝛ Vateꝛ den Sohn/ und deꝛ Sohn den
Vater. 9. Der Sohn betet den Vater an. 10.
Der Sohn empfaͤht vom Vater macht uͤber al-
les fleiſch/ und bittet fuͤr die/ ſo ſich zu ihm bekeh-
ren/ daß ſie das leben moͤgen empfangen. 11.
Das iſt das ewige leben/ daß man den Vater in
ſeinem heiligen weſen erkenne/ ꝛc. 12. Wann
der menſch das in der ſeelen empfindet/ zeugt der
Sohn gegen den Vater: Vater/ ich hab dich im
irꝛdiſchē hertzen verklaͤrt/ ꝛc. Verklaͤre auch mich
mit der klarheit/ die ich vor der welt grundle-
gung bey dir hatte. 13. Daß dieſe welt durch die
irꝛdiſche finſterniß ſeine klarheit verliert. ꝛc. 14.
Da dann der menſch ins verderben verfaͤllt/
und im finſterniß umtappt/ biß er des ver-
dammlichen tods im leben gewahr wird/ und
den zug des Vaters empfindet. 15. Dieſer
zug des Vaters iſt/ daß der menſch die weſent-
liche krafft der Goͤttlichen natur in ſeiner ſuͤnde
erkennt/ und in der ſeele mit reu und leyd em-
pfindet. 16. Wann der Vater den menſchen
gezogen/ gibt er ihn CHriſto uͤber/ der ihn der
Goͤttlichen natur theilhafftig macht/ ꝛc.

Cap. 63.

Daß/ wann die himmliſche geburt die irr-
diſche uͤberwindt/ und ihr die verdammniß zu-
bringt/ und der gantzen menſchheit in allen ih-
ren ſinnen/ ꝛc. bekannt machet/ daß die irrdi-
ſche geburt verlohren gehen muß/ ſie ihre zu-
flucht zum Vater nehme und zeuge: Nun komm
ich zu dir/ und zeuge diß in der welt/ ꝛc. Item: Jch
bitte nicht/ daß du ſie von der welt nehmeſt/
dann ſie noch verſucht und gepruͤfft drinnen
werden muß/ ſondern fuͤrm boͤſen bewahreſt/
ꝛc. 2. CHriſtus zeugt weiter: Jch bitte nicht al-
lein fuͤr die menſchheit/ ꝛc. 3. Item: Nun geht das
urtheil uͤber die welt. Und der fuͤrſt dieſer welt
wird ausgeſtoſſen/ und der menſchheit wird die
herꝛlichkeit gezeigt und gegeben. Zur vollkom-
menen freude/ die in der menſchheit auffgehet. 5.
Dann zeugt CHriſtus: Jch habe der menſch-
heit deine herꝛlichkeit gegeben/ ꝛc. 6. Weiter:
Gerechter vater/ die welt hat mich nicht erkant/
ꝛc. 8. Gleichwie die Gottheit vollkommen iſt;
ſo ſoll auch die menſchheit vollkommen ſeyn.

Cap. 64.

Daß man durch dieſe in der menſchheit er-
kante| vollkom̃enheit die wuͤrckung zwiſchē dem
Vater und Sohne in der menſchheit anhoͤre/
und eine ſtille im himmel und auf der erden wer-
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den Sohn/ ꝛc. Und die menſchheit wird mit

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[596/0904] Th. IV. Sect. III. Num. IX. Jnhalt der ſchrifften Hiels. fruchtbarkeit des lebens. 10. Das iſt das le- ben der Goͤttlichen natur/ ſo nun uͤber alles von ſeines gleichen geſucht und gefunden wer- den ſoll. 11. Wer das leben in ſeiner einwe- ſigkeit ſucht/ wirds im leben finden. 12. Da- hin die ans irrdiſche weſen gebundene menſch- heit nicht mag folgen/ und den tod zu ihrem theile empfangen muß. 13. Jhr geiſt kan das leben im himmel nicht erreichen/ ſondern muß mit dem irrdiſchen tod in pein und ſchmertzen gefangen bleiben. 14. Himmel und hoͤlle/ le- ben und tod haben keine gemeinſchafft mit einander. 15. Streiten zwar bildlicher weiſe eine zeitlang mit einander/ koͤnnen aber/ wo ſie keinen dritten zu huͤlffe kriegen/ einander nicht uͤberwinden. 16. Dieſer dritte iſt die menſch- heit/ die zwiſchen zweyen wiederwaͤrtigen we- ſen wohnet; wirds aber erſt innen/ wann ſie ihr innerliches weſen im lichte Chriſti begin- net zu erkennen und zu empfinden. 17. Das eine weſen oder geiſt iſt die Goͤttliche natur/ die ſich in der irrdiſchen menſchheit verborgen haͤlt/ ſie aus der finſternis mit der zeit ins licht zu ziehen. 18. Das andere iſt das irrdiſche grobe weſen/ zur eigenſchafft und wahl geneigt/ und die wahl zum verderben. 19. Mit beyden dieſen geiſtern iſt die menſchheit weſentlich vereiniget. 20. Das eine weſen heißt man au- gen/ das andere heiſt man Chriſtum. Cap. 61. 1. Daß die menſchheit in ihrer ſchoͤpffung/ nach der Gottheit/ ihren freyen willen habe/ zu einem von dieſen beeden zu kehren. 2. Nach der natur des irrdiſchen weſens aber iſt ſie nicht frey/ ſondern an ihre begierlichkeit vereignet/ doch aus ihrem eigenen/ nicht aus GOTTes willen. 3. Nach der Gottheit heißts: Jch lege dir vor tod und leben/ greiff nach welchem du wilſt. 4. Das iſt das weſen gegen dem die weißheit GOTTes durch ihre liebe diß zeugnis ausge- hen laͤßt/ hat freyen willen zur Goͤttlichen na- tur einzukehren; ſo viel aber die menſchheit der irrdigkeit theilhafftig/ iſt ſie eigen an ihre luͤſte verbunden/ und kan den freyen willen nicht gebrauchen. Und das iſt der ſtreit in der mit GOTT noch nicht wieder zu einem weſen vereinigten menſchen. 5. Jhr werden zweene wege vorgelegt/ und ſie kan nur einen gehen; doch hat ſie luſt ſich auf beede zu begeben/ weiß in ihrer unverſuchtheit nicht/ wohin ſie ſich wenden ſoll/ iſt aber mehr zum irrdiſchē geneigt. 6. Gibt ſie ſich zum irrdiſchen/ dahin ihre groͤ- ſte luſt/ muß das himmliſche den ſtreit verlie- ren und den tod leiden. 7. Auch laͤſt die Gott- heit ſich erſt uͤberwinden und toͤdten/ ehe ſie ihrem feind wieder vergilt. 8. Hierzu muß die Gottheit ihrer zeit erwarten/ biß die menſchheit ihr elend und verderben innen wird/ und ihren troſt an ihr zu ſuchen beginnt. 9. So viel ſie ſich dann zur Gottheit wendet/ ſo viel kom̃t ſie zu freyem willen; wordurch ſie ihre verbuͤnd- nis an die eigenſchafft erkennt. 10. Durch den freyen willen erwehlet ſie die Gottheit zu ihrē troſte/ und wird betruͤbt/ daß ſie der Gottheit in ihr den tod hat helffen anthun/ ſo ohne ih- ren zufall nicht geſchehen moͤgen. 11. Die Gott- heit laͤßt ſich uͤberwinden/ damit die menſch- heit das boͤſe erkeñen und ſich darvon bekehren moͤge/ anders ſolte ſie drinnen umkommen. 12. Darum erweckt eine liebe die andere. 13. Kei- ne liebe noch gerechtigkeit iſt/ dann in der Goͤtt- lichen natur. 14. Wer ſie haben will/ muß ſie aus der Gottheit empfangen. Cap. 62. Daß/ wann die menſchheit endlich die liebe GOttes/ und dann auch das verderben des irꝛ- diſchen weſens in ihrer ſeelen empfinde/ ſie auff GOttes guͤte und liebe zu mercken beginne. 2. Seelig iſt die ſeele/ die des HErrn ſtimme hoͤrt/ mit danck annimmt/ und acht hat/ was ſie be- gehre. 3. Auch die ohren/ die das Goͤttliche zeugniß hoͤren und vor dem luſt und liebe des irrdiſchen weſens zugeſtopfft ſind. 4. Selig die menſchheit/ die alle ihꝛe liebe und luſt inwen- dig zur Gottheit einkehrt/ ꝛc. 5. Dann laͤſt ſich die Gottheit ergreiffen/ und wird ein HErꝛ uͤber himmel und erden. 6. Das leben uͤber- windet den tod und macht die menſchheit ſeelig. 7. Dann geht lob und danck auff. 8. Hier verklaͤꝛt deꝛ Vateꝛ den Sohn/ und deꝛ Sohn den Vater. 9. Der Sohn betet den Vater an. 10. Der Sohn empfaͤht vom Vater macht uͤber al- les fleiſch/ und bittet fuͤr die/ ſo ſich zu ihm bekeh- ren/ daß ſie das leben moͤgen empfangen. 11. Das iſt das ewige leben/ daß man den Vater in ſeinem heiligen weſen erkenne/ ꝛc. 12. Wann der menſch das in der ſeelen empfindet/ zeugt der Sohn gegen den Vater: Vater/ ich hab dich im irꝛdiſchē hertzen verklaͤrt/ ꝛc. Verklaͤre auch mich mit der klarheit/ die ich vor der welt grundle- gung bey dir hatte. 13. Daß dieſe welt durch die irꝛdiſche finſterniß ſeine klarheit verliert. ꝛc. 14. Da dann der menſch ins verderben verfaͤllt/ und im finſterniß umtappt/ biß er des ver- dammlichen tods im leben gewahr wird/ und den zug des Vaters empfindet. 15. Dieſer zug des Vaters iſt/ daß der menſch die weſent- liche krafft der Goͤttlichen natur in ſeiner ſuͤnde erkennt/ und in der ſeele mit reu und leyd em- pfindet. 16. Wann der Vater den menſchen gezogen/ gibt er ihn CHriſto uͤber/ der ihn der Goͤttlichen natur theilhafftig macht/ ꝛc. Cap. 63. Daß/ wann die himmliſche geburt die irr- diſche uͤberwindt/ und ihr die verdammniß zu- bringt/ und der gantzen menſchheit in allen ih- ren ſinnen/ ꝛc. bekannt machet/ daß die irrdi- ſche geburt verlohren gehen muß/ ſie ihre zu- flucht zum Vater nehme und zeuge: Nun komm ich zu dir/ und zeuge diß in der welt/ ꝛc. Item: Jch bitte nicht/ daß du ſie von der welt nehmeſt/ dann ſie noch verſucht und gepruͤfft drinnen werden muß/ ſondern fuͤrm boͤſen bewahreſt/ ꝛc. 2. CHriſtus zeugt weiter: Jch bitte nicht al- lein fuͤr die menſchheit/ ꝛc. 3. Item: Nun geht das urtheil uͤber die welt. Und der fuͤrſt dieſer welt wird ausgeſtoſſen/ und der menſchheit wird die herꝛlichkeit gezeigt und gegeben. Zur vollkom- menen freude/ die in der menſchheit auffgehet. 5. Dann zeugt CHriſtus: Jch habe der menſch- heit deine herꝛlichkeit gegeben/ ꝛc. 6. Weiter: Gerechter vater/ die welt hat mich nicht erkant/ ꝛc. 8. Gleichwie die Gottheit vollkommen iſt; ſo ſoll auch die menſchheit vollkommen ſeyn. Cap. 64. Daß man durch dieſe in der menſchheit er- kante| vollkom̃enheit die wuͤrckung zwiſchē dem Vater und Sohne in der menſchheit anhoͤre/ und eine ſtille im himmel und auf der erden wer- de/ dañ heiſt es: Wer den Vater ſiehet/ der ſiehet den Sohn/ ꝛc. Und die menſchheit wird mit dem

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 596. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/904>, abgerufen am 22.12.2024.