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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Th. IV. Sect. III. Num. XIV. Hamburgischer Streit mit dem Ministerio.
[Spaltenumbruch] solche sicherheit wächst/ ist die verachtung Gött-
liches worts/ dadurch die furcht GOttes in
uns solte gepflantzet werden/ und wir zur be-
trachtung der Ewigkeit geführet werden/ daß
aber das liebe wort GOttes so schnöde verach-
tet wird/ rühret unter andern mit her/ auß
dem sträfflichen und ärgerlichen leben der hir-
ten/ die der seelen nicht achten/ weil sie nicht be-
dencken/ wie sauer sie Christo geworden/ und wie
theuer sie von ihm erkaufft seyn. Sie tragen
kein hertz zu den schafen/ denn sie suchen nur die
milch und wolle. Jhre arbeit gehet nicht da-
hin daß sie Christo den himmel/ sondern ihnen
selbst den beutel und bauchfüllen/ sie wieder-
legen ihre eigene lehre durch ihr leben/ und ma-
chen sich also selbst zu lügnern. Sie legen dem
wort Gottes eine hindernuß/ daß es in den zuhö-
rern nicht wircken kan was es solte. Sie geben är-
gernuß ohne scheu/ und machen/ daß ihr Göttl.
amt verlästert wird. Sie sind feinde des creu-
tzes Christi/ und reissen mit ihrem verfluchten
leben nieder/ was JEsus mit seinem Creutz
hat auffgerichtet. Darüber weinet Paulus, und
die mit Paulo durch Christi geist erleuchtet sind/
bittere thränen/ Phil. 3.

Wie soll man ihm aber thun? ein jeder
Christ ist schuldig/ vermöge der salbung/
die er in der tauffe hat empfangen/ zu arbeiten
an dem verwüsteten Zion GOttes im geist/ da-
mit Christi Reich außgebreitet werde in der
menschen hertzen. Solche arbeit geschicht durch
heilsame lehre und heilsamen wandel/ dahero ich
nicht absehen kan/ wie der Herr zu lästern/ daß er
die einfältige unterrichtet/ und angefochtene trö-
stet/ massen er darinn nichts anders thut/
als/ was ihm als einem getaufften Christen ob-
lieget/ und die Christliche liebe erfordert/ ja
auch das gesetz der natur; quod tibi vis fieri, al-
teri feceris.
Es wäre denn/ daß sich der Herr
entweder 1. zu diesem werck getrungen/ oder 2.
die schaffe von ihrem rechten hirten abgeführet/
und zur verachtung des predigamts anlaß gege-
ben/ da doch ab officio die Personae zu unter-
scheiden/ und ob vitium Personae ipsum
officium, quod Dei est,
nicht zu conculciren.
Ausser diesen fällen ist der Herr vielmehr zu lo-
ben als zu lästern/ daßer sich der seelen ange-
nommen/ die sonst keinen hirten gehabt/ sonder-
lich quoadcorreptionem fraternam, privatam,
eamque piam & modestam,
die in dieser welt-
neige so nöthig ist/ als das liebe tägliche brod/
auch unserm Herrn JESU Christo und
seinen Aposteln befohlen. Vollkommen kön-
nen wir in dieser schwachheit niemand machen/
doch muß ein jeder mit Paulo der vollkommen-
heit nach jagen und von tage zu tage völliger
werden. Stillstehen heist zurück gehen. Wir
müssen dem ziel immer näher kommen/ und
uns drum saur werden lassen/ denn die zeit
ist kurtz/ der weg ist lang und sind der hinter-
nüssen viel; kirchen gehen und HErr HErr sa-
gen wils nicht thun. Viel 1000. seelen sitzen
schon in der höllen/ die viel eyfferiger in solchen
äusserlichen wercken gewesen/ als unsere heu-
tige maul-Christen. Menschen sind wir/ aber
in Christo neue menschen/ gehen einher in der
krafft GOttes/ undkönnen mit Paulo rühmen
Phil. 4. Jch vermag alles etc.

Habe dieses dem Herrn/ als meinem vielge-
liebten freunde im HErrn JEsu/ zu dienlicher
antwort zufertigen wollen. Empfehle ihn samt
[Spaltenumbruch] allen frommen Christen/ so die erscheinung JEsu
(welche numehr vor der thür ist) liebhaben/ Gött-
licher obhut zu aller Gottgelassenen seelen- und
leibes wohlfahrt/ mich aber und meine liebste
gemeine eurer treuhertzigen vorbitte/ der ich bin und
bleibe euer aller im Herrn verbundener freund

P. S. Liebster freund/ Brecklingii bücher
wolte ich wieder zurück senden/ massen ich vor
meine arbeit/ damit ich frommen hertzen im
Herrn diene/ nichts begehre/ habe es aber vor
dißmahl behalten/ damit es nicht das ansehen
habe/ als ob ich ein geschenck außliebe geflos-
sen verschmähete. Bedancke/ mich/ und will
gern mit einem geistreichen büchlein nach
diesem wiederum dienen. Was ich da-
rinn gelesen/ ist mehrentheils die bittere warheit.
Mag aber noch zur zeit kein judicium darvon
geben/ weil ich keine gnugsame zeit gehabt/
sie durch zublättern. Mein Liebes-kuß wird/ ob
GOtt will/ kunfftige ostern in octav. mit neuen
kupffern und einem indice herauß kommen? Li-
bros Cant.
habe ich zwar 6. Jahr geprediget/
weiß aber nicht so viel zeit/ daß ich eine Medita-
tion
davon solte zu papier bringen/ wasvon mei-
ne Fest-Episteln zu hoffen/ kan ich auchnoch
nichtsagen/ JEsus gebe uns allengute erbauung.

Ejusdem D. Henr. Mülleri Theolog. schrifft-
mässige antwort auff beykommende fragen.

I. Kein wahrer Christ kan ohne abbruch des
allgemeinen/ und also auch seines königlichen
geistlichen Priesterthums die Christbrüderliche
straffe unterlassen/ und seinen nächsten mit still-
schweigen neben sich umkommen lassen (das wäre
ein seelen-mord cotra 5. Praecept.) sodernist schul-
dig ihn zu straffen/ damit er nicht eine frembde
schuld auff sich lade/ Lev. 5. Matth. 18. Gal. 6.
und gereichet solche fraterna correptio so wohl
zur erleichterung der hierin den kirchen-dienern
sonderlich obliegender pflicht/ als auch zu mehrer
beförderung ihres öffentlichen kirchenamts in er-
weisungdessen krafft/ wirckung und nachdrucks.

II. Ein privat-Christ ist schuldig einen jeden
bruder/ der da sündiget/ er sey hoch oder nie-
drig/ Prediger oder Obrigkeit/ bekant oder un-
bekant mit Christlicher bescheidenheit und ehr-
erbietung nach eines jeden standes gebühr zu
straffen/ und ihn seines amts und Christen-
thums zu erinnern/ ohnangesehen er drüber
solte in schande/ dürfftigkeit und trübsal/ ja
in gefahr leibes und lebens gerathen/ wann er
nur darbey in seinem hertzen versichert/ daß es
im glauben auß reiner liebe geschicht/ und zur
heiligung des Göttlichen namens und besse-
rung des nächsten bloß und allein angesehen/
auch darzu durch GOttes gnade gedeyen kan/
wiewohl es zufälliger weise werden mögte ein
geruch des todes zum tode/ denen/ die verlohren
werden. Mandatum Christi Matth. 18. & Pauli
Gal. 6. est universale, nec in regno Christi datur
discrimen Personarum, Gal.
3. Wir sind allzu-
mahl einer in Christo.

III. Recht und billich ists/ daß an allen orten/
als in gastereyen/ bey hochzeiten/ auff öffentlichen
gassen und sonsten/ das offenbahre fluchen/ miß-
brauch des Göttlichen namens/ unbilligkeit wie-
der die urmen/ unzüchtige discursen/ fressen/
sauffen/ kleyder-pracht und dergleichen sünden
und ärgerliches leben und wesen öffentlich ge-
strafft wird: Quia Mandatum Christi &

Apostolo-

Th. IV. Sect. III. Num. XIV. Hamburgiſcher Streit mit dem Miniſterio.
[Spaltenumbruch] ſolche ſicherheit waͤchſt/ iſt die verachtung Goͤtt-
liches worts/ dadurch die furcht GOttes in
uns ſolte gepflantzet werden/ und wir zur be-
trachtung der Ewigkeit gefuͤhret werden/ daß
aber das liebe wort GOttes ſo ſchnoͤde verach-
tet wird/ ruͤhret unter andern mit her/ auß
dem ſtraͤfflichen und aͤrgerlichen leben der hir-
ten/ die der ſeelen nicht achten/ weil ſie nicht be-
dencken/ wie ſauer ſie Chriſto gewordẽ/ und wie
theuer ſie von ihm erkaufft ſeyn. Sie tragen
kein hertz zu den ſchafen/ denn ſie ſuchen nur die
milch und wolle. Jhre arbeit gehet nicht da-
hin daß ſie Chriſto den himmel/ ſondern ihnen
ſelbſt den beutel und bauchfuͤllen/ ſie wieder-
legen ihre eigene lehre durch ihr leben/ und ma-
chen ſich alſo ſelbſt zu luͤgnern. Sie legen dem
wort Gottes eine hindernuß/ daß es in den zuhoͤ-
rern nicht wircken kan was es ſolte. Sie gebẽ aͤr-
gernuß ohne ſcheu/ und machen/ daß ihr Goͤttl.
amt verlaͤſtert wird. Sie ſind feinde des creu-
tzes Chriſti/ und reiſſen mit ihrem verfluchten
leben nieder/ was JEſus mit ſeinem Creutz
hat auffgerichtet. Daruͤber weinet Paulus, und
die mit Paulo durch Chriſti geiſt erleuchtet ſind/
bittere thraͤnen/ Phil. 3.

Wie ſoll man ihm aber thun? ein jeder
Chriſt iſt ſchuldig/ vermoͤge der ſalbung/
die er in der tauffe hat empfangen/ zu arbeiten
an dem verwuͤſteten Zion GOttes im geiſt/ da-
mit Chriſti Reich außgebreitet werde in der
menſchen hertzen. Solche arbeit geſchicht durch
heilſame lehre und heilſamen wandel/ dahero ich
nicht abſehen kan/ wie der Herr zu laͤſtern/ daß er
die einfaͤltige unterrichtet/ und angefochtene troͤ-
ſtet/ maſſen er darinn nichts anders thut/
als/ was ihm als einem getaufften Chriſten ob-
lieget/ und die Chriſtliche liebe erfordert/ ja
auch das geſetz der natur; quod tibi vis fieri, al-
teri feceris.
Es waͤre denn/ daß ſich der Herr
entweder 1. zu dieſem werck getrungen/ oder 2.
die ſchaffe von ihrem rechten hirten abgefuͤhret/
und zur verachtung des predigamts anlaß gege-
ben/ da doch ab officio die Perſonæ zu unter-
ſcheiden/ und ob vitium Perſonæ ipſum
officium, quod Dei eſt,
nicht zu conculciren.
Auſſer dieſen faͤllen iſt der Herr vielmehr zu lo-
ben als zu laͤſtern/ daßer ſich der ſeelen ange-
nommen/ die ſonſt keinen hirten gehabt/ ſonder-
lich quoadcorreptionem fraternam, privatam,
eamque piam & modeſtam,
die in dieſer welt-
neige ſo noͤthig iſt/ als das liebe taͤgliche brod/
auch unſerm Herrn JESU Chriſto und
ſeinen Apoſteln befohlen. Vollkommen koͤn-
nen wir in dieſer ſchwachheit niemand machen/
doch muß ein jeder mit Paulo der vollkommen-
heit nach jagen und von tage zu tage voͤlliger
werden. Stillſtehen heiſt zuruͤck gehen. Wir
muͤſſen dem ziel immer naͤher kommen/ und
uns drum ſaur werden laſſen/ denn die zeit
iſt kurtz/ der weg iſt lang und ſind der hinter-
nuͤſſen viel; kirchen gehen und HErr HErr ſa-
gen wils nicht thun. Viel 1000. ſeelen ſitzen
ſchon in der hoͤllen/ die viel eyfferiger in ſolchen
aͤuſſerlichen wercken geweſen/ als unſere heu-
tige maul-Chriſten. Menſchen ſind wir/ aber
in Chriſto neue menſchen/ gehen einher in der
krafft GOttes/ undkoͤñen mit Paulo ruͤhmen
Phil. 4. Jch vermag alles ꝛc.

Habe dieſes dem Herrn/ als meinem vielge-
liebten freunde im HErrn JEſu/ zu dienlicher
antwort zufertigen wollen. Empfehle ihn ſamt
[Spaltenumbruch] allen from̃en Chriſten/ ſo die erſcheinung JEſu
(welche nũmehr vor der thuͤr iſt) liebhabẽ/ Goͤtt-
licher obhut zu aller Gottgelaſſenen ſeelen- und
leibes wohlfahrt/ mich aber und meine liebſte
gemeine eurer treuhertzigẽ vorbitte/ der ich bin uñ
bleibe euer aller im Herrn verbundener freund

P. S. Liebſter freund/ Brecklingii buͤcher
wolte ich wieder zuruͤck ſenden/ maſſen ich vor
meine arbeit/ damit ich frommen hertzen im
Herrn diene/ nichts begehre/ habe es aber vor
dißmahl behalten/ damit es nicht das anſehen
habe/ als ob ich ein geſchenck außliebe gefloſ-
ſen verſchmaͤhete. Bedancke/ mich/ und will
gern mit einem geiſtreichen buͤchlein nach
dieſem wiederum dienen. Was ich da-
rinn geleſen/ iſt mehrentheils die bittere warheit.
Mag aber noch zur zeit kein judicium darvon
geben/ weil ich keine gnugſame zeit gehabt/
ſie durch zublaͤttern. Mein Liebes-kuß wird/ ob
GOtt will/ kunfftige oſtern in octav. mit neuen
kupffern und einem indice herauß kom̃en? Li-
bros Cant.
habe ich zwar 6. Jahr geprediget/
weiß aber nicht ſo viel zeit/ daß ich eine Medita-
tion
davon ſolte zu papier bringen/ wasvon mei-
ne Feſt-Epiſteln zu hoffen/ kan ich auchnoch
nichtſagẽ/ JEſus gebe uns allengute erbauung.

Ejuſdem D. Henr. Mülleri Theolog. ſchrifft-
maͤſſige antwort auff beykommende fragen.

I. Kein wahrer Chriſt kan ohne abbruch des
allgemeinen/ und alſo auch ſeines koͤniglichen
geiſtlichen Prieſterthums die Chriſtbruͤderliche
ſtraffe unterlaſſen/ und ſeinen naͤchſten mit ſtill-
ſchweigen neben ſich umkom̃en laſſen (das waͤre
ein ſeelẽ-mord cõtra 5. Præcept.) ſõderniſt ſchul-
dig ihn zu ſtraffen/ damit er nicht eine frembde
ſchuld auff ſich lade/ Lev. 5. Matth. 18. Gal. 6.
und gereichet ſolche fraterna correptio ſo wohl
zur erleichterung der hierin den kirchen-dienern
ſonderlich obliegender pflicht/ als auch zu mehrer
befoͤrderung ihres oͤffentlichen kirchenamts in er-
weiſungdeſſen krafft/ wirckung und nachdrucks.

II. Ein privat-Chriſt iſt ſchuldig einen jeden
bruder/ der da ſuͤndiget/ er ſey hoch oder nie-
drig/ Prediger oder Obrigkeit/ bekant oder un-
bekant mit Chriſtlicher beſcheidenheit und ehr-
erbietung nach eines jeden ſtandes gebuͤhr zu
ſtraffen/ und ihn ſeines amts und Chriſten-
thums zu erinnern/ ohnangeſehen er druͤber
ſolte in ſchande/ duͤrfftigkeit und truͤbſal/ ja
in gefahr leibes und lebens gerathen/ wann er
nur darbey in ſeinem hertzen verſichert/ daß es
im glauben auß reiner liebe geſchicht/ und zur
heiligung des Goͤttlichen namens und beſſe-
rung des naͤchſten bloß und allein angeſehen/
auch darzu durch GOttes gnade gedeyen kan/
wiewohl es zufaͤlliger weiſe werden moͤgte ein
geruch des todes zum tode/ denen/ die verlohren
werden. Mandatum Chriſti Matth. 18. & Pauli
Gal. 6. eſt univerſale, nec in regno Chriſti datur
diſcrimen Perſonarum, Gal.
3. Wir ſind allzu-
mahl einer in Chriſto.

III. Recht und billich iſts/ daß an allen orten/
als in gaſtereyen/ bey hochzeitẽ/ auff oͤffentlichen
gaſſen und ſonſten/ das offenbahre fluchen/ miß-
brauch des Goͤttlichen namens/ unbilligkeit wie-
der die urmen/ unzuͤchtige diſcurſen/ freſſen/
ſauffen/ kleyder-pracht und dergleichen ſuͤnden
und aͤrgerliches leben und weſen oͤffentlich ge-
ſtrafft wird: Quia Mandatum Chriſti &

Apoſtolo-
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[662/0970] Th. IV. Sect. III. Num. XIV. Hamburgiſcher Streit mit dem Miniſterio. ſolche ſicherheit waͤchſt/ iſt die verachtung Goͤtt- liches worts/ dadurch die furcht GOttes in uns ſolte gepflantzet werden/ und wir zur be- trachtung der Ewigkeit gefuͤhret werden/ daß aber das liebe wort GOttes ſo ſchnoͤde verach- tet wird/ ruͤhret unter andern mit her/ auß dem ſtraͤfflichen und aͤrgerlichen leben der hir- ten/ die der ſeelen nicht achten/ weil ſie nicht be- dencken/ wie ſauer ſie Chriſto gewordẽ/ und wie theuer ſie von ihm erkaufft ſeyn. Sie tragen kein hertz zu den ſchafen/ denn ſie ſuchen nur die milch und wolle. Jhre arbeit gehet nicht da- hin daß ſie Chriſto den himmel/ ſondern ihnen ſelbſt den beutel und bauchfuͤllen/ ſie wieder- legen ihre eigene lehre durch ihr leben/ und ma- chen ſich alſo ſelbſt zu luͤgnern. Sie legen dem wort Gottes eine hindernuß/ daß es in den zuhoͤ- rern nicht wircken kan was es ſolte. Sie gebẽ aͤr- gernuß ohne ſcheu/ und machen/ daß ihr Goͤttl. amt verlaͤſtert wird. Sie ſind feinde des creu- tzes Chriſti/ und reiſſen mit ihrem verfluchten leben nieder/ was JEſus mit ſeinem Creutz hat auffgerichtet. Daruͤber weinet Paulus, und die mit Paulo durch Chriſti geiſt erleuchtet ſind/ bittere thraͤnen/ Phil. 3. Wie ſoll man ihm aber thun? ein jeder Chriſt iſt ſchuldig/ vermoͤge der ſalbung/ die er in der tauffe hat empfangen/ zu arbeiten an dem verwuͤſteten Zion GOttes im geiſt/ da- mit Chriſti Reich außgebreitet werde in der menſchen hertzen. Solche arbeit geſchicht durch heilſame lehre und heilſamen wandel/ dahero ich nicht abſehen kan/ wie der Herr zu laͤſtern/ daß er die einfaͤltige unterrichtet/ und angefochtene troͤ- ſtet/ maſſen er darinn nichts anders thut/ als/ was ihm als einem getaufften Chriſten ob- lieget/ und die Chriſtliche liebe erfordert/ ja auch das geſetz der natur; quod tibi vis fieri, al- teri feceris. Es waͤre denn/ daß ſich der Herr entweder 1. zu dieſem werck getrungen/ oder 2. die ſchaffe von ihrem rechten hirten abgefuͤhret/ und zur verachtung des predigamts anlaß gege- ben/ da doch ab officio die Perſonæ zu unter- ſcheiden/ und ob vitium Perſonæ ipſum officium, quod Dei eſt, nicht zu conculciren. Auſſer dieſen faͤllen iſt der Herr vielmehr zu lo- ben als zu laͤſtern/ daßer ſich der ſeelen ange- nommen/ die ſonſt keinen hirten gehabt/ ſonder- lich quoadcorreptionem fraternam, privatam, eamque piam & modeſtam, die in dieſer welt- neige ſo noͤthig iſt/ als das liebe taͤgliche brod/ auch unſerm Herrn JESU Chriſto und ſeinen Apoſteln befohlen. Vollkommen koͤn- nen wir in dieſer ſchwachheit niemand machen/ doch muß ein jeder mit Paulo der vollkommen- heit nach jagen und von tage zu tage voͤlliger werden. Stillſtehen heiſt zuruͤck gehen. Wir muͤſſen dem ziel immer naͤher kommen/ und uns drum ſaur werden laſſen/ denn die zeit iſt kurtz/ der weg iſt lang und ſind der hinter- nuͤſſen viel; kirchen gehen und HErr HErr ſa- gen wils nicht thun. Viel 1000. ſeelen ſitzen ſchon in der hoͤllen/ die viel eyfferiger in ſolchen aͤuſſerlichen wercken geweſen/ als unſere heu- tige maul-Chriſten. Menſchen ſind wir/ aber in Chriſto neue menſchen/ gehen einher in der krafft GOttes/ undkoͤñen mit Paulo ruͤhmen Phil. 4. Jch vermag alles ꝛc. Habe dieſes dem Herrn/ als meinem vielge- liebten freunde im HErrn JEſu/ zu dienlicher antwort zufertigen wollen. Empfehle ihn ſamt allen from̃en Chriſten/ ſo die erſcheinung JEſu (welche nũmehr vor der thuͤr iſt) liebhabẽ/ Goͤtt- licher obhut zu aller Gottgelaſſenen ſeelen- und leibes wohlfahrt/ mich aber und meine liebſte gemeine eurer treuhertzigẽ vorbitte/ der ich bin uñ bleibe euer aller im Herrn verbundener freund Roſtoch den 20. Aug. An. 1663. Henr. Müller. D. P. S. Liebſter freund/ Brecklingii buͤcher wolte ich wieder zuruͤck ſenden/ maſſen ich vor meine arbeit/ damit ich frommen hertzen im Herrn diene/ nichts begehre/ habe es aber vor dißmahl behalten/ damit es nicht das anſehen habe/ als ob ich ein geſchenck außliebe gefloſ- ſen verſchmaͤhete. Bedancke/ mich/ und will gern mit einem geiſtreichen buͤchlein nach dieſem wiederum dienen. Was ich da- rinn geleſen/ iſt mehrentheils die bittere warheit. Mag aber noch zur zeit kein judicium darvon geben/ weil ich keine gnugſame zeit gehabt/ ſie durch zublaͤttern. Mein Liebes-kuß wird/ ob GOtt will/ kunfftige oſtern in octav. mit neuen kupffern und einem indice herauß kom̃en? Li- bros Cant. habe ich zwar 6. Jahr geprediget/ weiß aber nicht ſo viel zeit/ daß ich eine Medita- tion davon ſolte zu papier bringen/ wasvon mei- ne Feſt-Epiſteln zu hoffen/ kan ich auchnoch nichtſagẽ/ JEſus gebe uns allengute erbauung. Ejuſdem D. Henr. Mülleri Theolog. ſchrifft- maͤſſige antwort auff beykommende fragen. I. Kein wahrer Chriſt kan ohne abbruch des allgemeinen/ und alſo auch ſeines koͤniglichen geiſtlichen Prieſterthums die Chriſtbruͤderliche ſtraffe unterlaſſen/ und ſeinen naͤchſten mit ſtill- ſchweigen neben ſich umkom̃en laſſen (das waͤre ein ſeelẽ-mord cõtra 5. Præcept.) ſõderniſt ſchul- dig ihn zu ſtraffen/ damit er nicht eine frembde ſchuld auff ſich lade/ Lev. 5. Matth. 18. Gal. 6. und gereichet ſolche fraterna correptio ſo wohl zur erleichterung der hierin den kirchen-dienern ſonderlich obliegender pflicht/ als auch zu mehrer befoͤrderung ihres oͤffentlichen kirchenamts in er- weiſungdeſſen krafft/ wirckung und nachdrucks. II. Ein privat-Chriſt iſt ſchuldig einen jeden bruder/ der da ſuͤndiget/ er ſey hoch oder nie- drig/ Prediger oder Obrigkeit/ bekant oder un- bekant mit Chriſtlicher beſcheidenheit und ehr- erbietung nach eines jeden ſtandes gebuͤhr zu ſtraffen/ und ihn ſeines amts und Chriſten- thums zu erinnern/ ohnangeſehen er druͤber ſolte in ſchande/ duͤrfftigkeit und truͤbſal/ ja in gefahr leibes und lebens gerathen/ wann er nur darbey in ſeinem hertzen verſichert/ daß es im glauben auß reiner liebe geſchicht/ und zur heiligung des Goͤttlichen namens und beſſe- rung des naͤchſten bloß und allein angeſehen/ auch darzu durch GOttes gnade gedeyen kan/ wiewohl es zufaͤlliger weiſe werden moͤgte ein geruch des todes zum tode/ denen/ die verlohren werden. Mandatum Chriſti Matth. 18. & Pauli Gal. 6. eſt univerſale, nec in regno Chriſti datur diſcrimen Perſonarum, Gal. 3. Wir ſind allzu- mahl einer in Chriſto. III. Recht und billich iſts/ daß an allen orten/ als in gaſtereyen/ bey hochzeitẽ/ auff oͤffentlichen gaſſen und ſonſten/ das offenbahre fluchen/ miß- brauch des Goͤttlichen namens/ unbilligkeit wie- der die urmen/ unzuͤchtige diſcurſen/ freſſen/ ſauffen/ kleyder-pracht und dergleichen ſuͤnden und aͤrgerliches leben und weſen oͤffentlich ge- ſtrafft wird: Quia Mandatum Chriſti & Apoſtolo-

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 662. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/970>, abgerufen am 22.12.2024.