Aston, Louise: Aus dem Leben einer Frau. Hamburg, 1847.Fast wird es mir schwer, zu glauben an den Fortschritt der Menschheit, an eine innere, heilige Nothwendigkeit, an des Geistes siegreiche Macht, der in immer neuen Formen zu immer höhern Entwickelungen reift? Aber ich muß daran glauben -- soll mir die Geschichte nicht zu einem großen Leichenfeld werden, auf dem eine maßlose Willkühr triumphirt; auf dem des Lebens Gestalten zu gespenstischen Schatten werden. Und doch -- Griechenland und wir, das Volk der göttlichen Schönheit und Jugend und Freiheit -- und wir! der Areopag -- und der Bundestag! Oder die Zeiten des vorigen Jahrhunderts, das römische Reich, mit seinen Reichstagen, seiner Reichsarmee, seinem Reichskammergericht, seinen lächerlichen Reichsmittelbarkeiten, mit den Fürsten, die das Mark und Herzblut vergeudeten, mit ihren Maitressen und Juristen und Pfaffen, mit ihren Kriegen um ein Titelchen des Rechts oder der Etikette, um einen Fetzen Landes; mit ihren Ministern und Juden, die sich in die Beute theilten! O, auch der Glaube an den Fortschritt der Menschheit muß stark sein in der innersten Seele, so stark, daß er Berge versetzen kann! Fast wird es mir schwer, zu glauben an den Fortschritt der Menschheit, an eine innere, heilige Nothwendigkeit, an des Geistes siegreiche Macht, der in immer neuen Formen zu immer höhern Entwickelungen reift? Aber ich muß daran glauben — soll mir die Geschichte nicht zu einem großen Leichenfeld werden, auf dem eine maßlose Willkühr triumphirt; auf dem des Lebens Gestalten zu gespenstischen Schatten werden. Und doch — Griechenland und wir, das Volk der göttlichen Schönheit und Jugend und Freiheit — und wir! der Areopag — und der Bundestag! Oder die Zeiten des vorigen Jahrhunderts, das römische Reich, mit seinen Reichstagen, seiner Reichsarmee, seinem Reichskammergericht, seinen lächerlichen Reichsmittelbarkeiten, mit den Fürsten, die das Mark und Herzblut vergeudeten, mit ihren Maitressen und Juristen und Pfaffen, mit ihren Kriegen um ein Titelchen des Rechts oder der Etikette, um einen Fetzen Landes; mit ihren Ministern und Juden, die sich in die Beute theilten! O, auch der Glaube an den Fortschritt der Menschheit muß stark sein in der innersten Seele, so stark, daß er Berge versetzen kann! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0116" n="104"/> <p>Fast wird es mir schwer, zu glauben an den Fortschritt der Menschheit, an eine innere, heilige Nothwendigkeit, an des Geistes siegreiche Macht, der in immer neuen Formen zu immer höhern Entwickelungen reift? Aber ich muß daran glauben — soll mir die Geschichte nicht zu einem großen Leichenfeld werden, auf dem eine maßlose Willkühr triumphirt; auf dem des Lebens Gestalten zu gespenstischen Schatten werden. Und doch — Griechenland und wir, das Volk der göttlichen Schönheit und Jugend und Freiheit — und <hi rendition="#g">wir</hi>! der Areopag — und der Bundestag! Oder die Zeiten des vorigen Jahrhunderts, das römische Reich, mit seinen Reichstagen, seiner Reichsarmee, seinem Reichskammergericht, seinen lächerlichen Reichsmittelbarkeiten, mit den Fürsten, die das Mark und Herzblut vergeudeten, mit ihren Maitressen und Juristen und Pfaffen, mit ihren Kriegen um ein Titelchen des Rechts oder der Etikette, um einen Fetzen Landes; mit ihren Ministern und Juden, die sich in die Beute theilten! O, auch der Glaube an den Fortschritt der Menschheit muß stark sein in der innersten Seele, so stark, daß er Berge versetzen kann! </p> </div> </body> </text> </TEI> [104/0116]
Fast wird es mir schwer, zu glauben an den Fortschritt der Menschheit, an eine innere, heilige Nothwendigkeit, an des Geistes siegreiche Macht, der in immer neuen Formen zu immer höhern Entwickelungen reift? Aber ich muß daran glauben — soll mir die Geschichte nicht zu einem großen Leichenfeld werden, auf dem eine maßlose Willkühr triumphirt; auf dem des Lebens Gestalten zu gespenstischen Schatten werden. Und doch — Griechenland und wir, das Volk der göttlichen Schönheit und Jugend und Freiheit — und wir! der Areopag — und der Bundestag! Oder die Zeiten des vorigen Jahrhunderts, das römische Reich, mit seinen Reichstagen, seiner Reichsarmee, seinem Reichskammergericht, seinen lächerlichen Reichsmittelbarkeiten, mit den Fürsten, die das Mark und Herzblut vergeudeten, mit ihren Maitressen und Juristen und Pfaffen, mit ihren Kriegen um ein Titelchen des Rechts oder der Etikette, um einen Fetzen Landes; mit ihren Ministern und Juden, die sich in die Beute theilten! O, auch der Glaube an den Fortschritt der Menschheit muß stark sein in der innersten Seele, so stark, daß er Berge versetzen kann!
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