Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Mutter mit einem Schrei vom Stuhle auf den Boden fiel. Sie beugte sich über sie, als Diethelm eintrat, und kaum hatte er mit seiner klangvollen Stimme die Worte gesprochen: Was ist der Mutter? als die Ohnmächtige die Augen aufschlug und in ein krampfhaftes Weinen und Lachen ausbrach, daß Diethelm mit zitternden Händen dastand und gar nicht wußte, was er thun sollte; er fuhr seiner Frau mit der Hand über das Gesicht, und sie faßte seine Hand und hielt sie fest an den Mund und konnte noch immer nicht sprechen. Martha, ich bin frei, sagte Diethelm, sie aufrichtend, nimm dich zusammen und sei froh. Es ist ja Alles wieder gut. Martha hielt immer noch seine Hand fest, und das erste Wort, das sie sprach, war: Alles, was ich auf dem Leib trage, schenke ich einer armen Frau und meinen Mantel auch, und ich will Gutes thun an der ganzen Welt. Komm, Diethelm, komm, weißt was wir thun wollen? Wir wollen jetzt gleich in die Kirch' gehen, komm, Fränz, komm. Du bist jetzt so schwach, laß es auf ein andermal. Nein, nein, jetzt gleich, ich bin nicht schwach, es hat mich nur so angewandelt. Ich bitt' dich, folg mir jetzt, ich will dir auch in Allem folgen, was du willst. Diethelm mußte willfahren und mit seiner Frau in die Kirche gehen. Es schauerte ihn und durchfuhr ihn eiskalt, als er in die hohe Halle eintrat; er warf sich mit seiner Frau vor dem Altare nieder und bat Gott, ihn auf dieser Welt um seiner Frau und seines Kindes willen zu verschonen. Als sie aus der Kirche traten, wo sich viele Menschen versammelt hatten, schenkte Martha sogleich einer armen alten Frau ihren Mantel und gab nicht nach, daß sie den Mantel nur noch bis zur Post behalten möge. Diese Schenkung, sowie der auffallende Kirchengang überhaupt, verbreitete sich schnell, und Diethelm hörte schon auf seinem Heimwege davon reden; viele Menschen, die er starr ansah, zogen den Hut vor ihm Mutter mit einem Schrei vom Stuhle auf den Boden fiel. Sie beugte sich über sie, als Diethelm eintrat, und kaum hatte er mit seiner klangvollen Stimme die Worte gesprochen: Was ist der Mutter? als die Ohnmächtige die Augen aufschlug und in ein krampfhaftes Weinen und Lachen ausbrach, daß Diethelm mit zitternden Händen dastand und gar nicht wußte, was er thun sollte; er fuhr seiner Frau mit der Hand über das Gesicht, und sie faßte seine Hand und hielt sie fest an den Mund und konnte noch immer nicht sprechen. Martha, ich bin frei, sagte Diethelm, sie aufrichtend, nimm dich zusammen und sei froh. Es ist ja Alles wieder gut. Martha hielt immer noch seine Hand fest, und das erste Wort, das sie sprach, war: Alles, was ich auf dem Leib trage, schenke ich einer armen Frau und meinen Mantel auch, und ich will Gutes thun an der ganzen Welt. Komm, Diethelm, komm, weißt was wir thun wollen? Wir wollen jetzt gleich in die Kirch' gehen, komm, Fränz, komm. Du bist jetzt so schwach, laß es auf ein andermal. Nein, nein, jetzt gleich, ich bin nicht schwach, es hat mich nur so angewandelt. Ich bitt' dich, folg mir jetzt, ich will dir auch in Allem folgen, was du willst. Diethelm mußte willfahren und mit seiner Frau in die Kirche gehen. Es schauerte ihn und durchfuhr ihn eiskalt, als er in die hohe Halle eintrat; er warf sich mit seiner Frau vor dem Altare nieder und bat Gott, ihn auf dieser Welt um seiner Frau und seines Kindes willen zu verschonen. Als sie aus der Kirche traten, wo sich viele Menschen versammelt hatten, schenkte Martha sogleich einer armen alten Frau ihren Mantel und gab nicht nach, daß sie den Mantel nur noch bis zur Post behalten möge. Diese Schenkung, sowie der auffallende Kirchengang überhaupt, verbreitete sich schnell, und Diethelm hörte schon auf seinem Heimwege davon reden; viele Menschen, die er starr ansah, zogen den Hut vor ihm <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="20"> <p><pb facs="#f0145"/> Mutter mit einem Schrei vom Stuhle auf den Boden fiel. 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Mutter mit einem Schrei vom Stuhle auf den Boden fiel. Sie beugte sich über sie, als Diethelm eintrat, und kaum hatte er mit seiner klangvollen Stimme die Worte gesprochen: Was ist der Mutter? als die Ohnmächtige die Augen aufschlug und in ein krampfhaftes Weinen und Lachen ausbrach, daß Diethelm mit zitternden Händen dastand und gar nicht wußte, was er thun sollte; er fuhr seiner Frau mit der Hand über das Gesicht, und sie faßte seine Hand und hielt sie fest an den Mund und konnte noch immer nicht sprechen.
Martha, ich bin frei, sagte Diethelm, sie aufrichtend, nimm dich zusammen und sei froh. Es ist ja Alles wieder gut.
Martha hielt immer noch seine Hand fest, und das erste Wort, das sie sprach, war:
Alles, was ich auf dem Leib trage, schenke ich einer armen Frau und meinen Mantel auch, und ich will Gutes thun an der ganzen Welt. Komm, Diethelm, komm, weißt was wir thun wollen? Wir wollen jetzt gleich in die Kirch' gehen, komm, Fränz, komm.
Du bist jetzt so schwach, laß es auf ein andermal.
Nein, nein, jetzt gleich, ich bin nicht schwach, es hat mich nur so angewandelt. Ich bitt' dich, folg mir jetzt, ich will dir auch in Allem folgen, was du willst.
Diethelm mußte willfahren und mit seiner Frau in die Kirche gehen. Es schauerte ihn und durchfuhr ihn eiskalt, als er in die hohe Halle eintrat; er warf sich mit seiner Frau vor dem Altare nieder und bat Gott, ihn auf dieser Welt um seiner Frau und seines Kindes willen zu verschonen.
Als sie aus der Kirche traten, wo sich viele Menschen versammelt hatten, schenkte Martha sogleich einer armen alten Frau ihren Mantel und gab nicht nach, daß sie den Mantel nur noch bis zur Post behalten möge. Diese Schenkung, sowie der auffallende Kirchengang überhaupt, verbreitete sich schnell, und Diethelm hörte schon auf seinem Heimwege davon reden; viele Menschen, die er starr ansah, zogen den Hut vor ihm
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