Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Fleisch in ein Papier und steckte es zu sich, er hob und senkte nun mehrmals seine geschlossenen Lippen, sei es zum Nachkosten des Genossenen oder dem Gehörten beistimmend.

Diethelm setzte nun noch weiter auseinander, daß er sich nichts um die öffentlichen Angelegenheiten kümmern möge, und das gilt jetzt wieder unter vielen Menschen, besonders aber bei den Bauern, als großer Ruhm. Als er aber darauf hinwies, daß er in seinem Hauswesen vielerlei zu sorgen habe, sagte der Schultheiß von Rettinghausen: Die Kläger haben kein' Noth und die Prahler kein Brod.

Der Steinbauer erhielt sich noch immer in seiner unerschütterlichen Theilnahmlosigkeit, methodisch und langsam stopfte er seine Pfeife, schlug Feuer, öffnete den Deckel und verschloß den Zündschwamm und wollte nun aufstehen. Diethelm aber hielt ihn noch fest und fragte zuerst, ob er nicht seinen Hof verkaufen wolle, sein Schwager, der Schäuflerdavid, suche einen so herrenmäßig gelegenen für einen Ausländer. Der Steinbauer sagte, daß er zwar nicht verkaufen wolle, aber wenn er ein rechtes Anbot bekäme, ließe sich davon reden. Nun hatte ihn Diethelm doch flüssiger, und indem er noch mehrmals von seinem Schwager, dem Schäuflerdavid, und ihren gemeinsamen Geschäften sprach, kam er endlich ans Ziel, zu erklären, daß er allerdings Willens sei, wenn die fremden Händler nicht höher hinaufgehen, selber einzukaufen. Der Steinbauer, dem es ersichtlich Mühe machte, sein saures Dreinsehen aufzugeben, ward plötzlich freundlicher, nahm ohne Widerrede das Glas an, das ihm Diethelm einschenkte, und erklärte nun mit erstaunlicher Redseligkeit, welch einen Ausbund von Wolle und Schafen er habe, wie die alle so wolltreu seien, ein Haar dem andern gleiche und der Stapel vom besten Fluß und gleich rund sei, wie "viel Leib" seine Schafe hätten, daß er aber doch um einen annehmbaren Preis Alles verkaufe, weil er kein Glück in der Schafhalterei habe. Er legte das Zeugniß seines Schultheißen vor, darin nach einem Formular beurkundet war, wo seine Schafe geweidet

Fleisch in ein Papier und steckte es zu sich, er hob und senkte nun mehrmals seine geschlossenen Lippen, sei es zum Nachkosten des Genossenen oder dem Gehörten beistimmend.

Diethelm setzte nun noch weiter auseinander, daß er sich nichts um die öffentlichen Angelegenheiten kümmern möge, und das gilt jetzt wieder unter vielen Menschen, besonders aber bei den Bauern, als großer Ruhm. Als er aber darauf hinwies, daß er in seinem Hauswesen vielerlei zu sorgen habe, sagte der Schultheiß von Rettinghausen: Die Kläger haben kein' Noth und die Prahler kein Brod.

Der Steinbauer erhielt sich noch immer in seiner unerschütterlichen Theilnahmlosigkeit, methodisch und langsam stopfte er seine Pfeife, schlug Feuer, öffnete den Deckel und verschloß den Zündschwamm und wollte nun aufstehen. Diethelm aber hielt ihn noch fest und fragte zuerst, ob er nicht seinen Hof verkaufen wolle, sein Schwager, der Schäuflerdavid, suche einen so herrenmäßig gelegenen für einen Ausländer. Der Steinbauer sagte, daß er zwar nicht verkaufen wolle, aber wenn er ein rechtes Anbot bekäme, ließe sich davon reden. Nun hatte ihn Diethelm doch flüssiger, und indem er noch mehrmals von seinem Schwager, dem Schäuflerdavid, und ihren gemeinsamen Geschäften sprach, kam er endlich ans Ziel, zu erklären, daß er allerdings Willens sei, wenn die fremden Händler nicht höher hinaufgehen, selber einzukaufen. Der Steinbauer, dem es ersichtlich Mühe machte, sein saures Dreinsehen aufzugeben, ward plötzlich freundlicher, nahm ohne Widerrede das Glas an, das ihm Diethelm einschenkte, und erklärte nun mit erstaunlicher Redseligkeit, welch einen Ausbund von Wolle und Schafen er habe, wie die alle so wolltreu seien, ein Haar dem andern gleiche und der Stapel vom besten Fluß und gleich rund sei, wie „viel Leib“ seine Schafe hätten, daß er aber doch um einen annehmbaren Preis Alles verkaufe, weil er kein Glück in der Schafhalterei habe. Er legte das Zeugniß seines Schultheißen vor, darin nach einem Formular beurkundet war, wo seine Schafe geweidet

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="2">
        <p><pb facs="#f0015"/>
Fleisch in ein Papier und                steckte es zu sich, er hob und senkte nun mehrmals seine geschlossenen Lippen, sei es                zum Nachkosten des Genossenen oder dem Gehörten beistimmend.</p><lb/>
        <p>Diethelm setzte nun noch weiter auseinander, daß er sich nichts um die öffentlichen                Angelegenheiten kümmern möge, und das gilt jetzt wieder unter vielen Menschen,                besonders aber bei den Bauern, als großer Ruhm. Als er aber darauf hinwies, daß er in                seinem Hauswesen vielerlei zu sorgen habe, sagte der Schultheiß von Rettinghausen:                Die Kläger haben kein' Noth und die Prahler kein Brod.</p><lb/>
        <p>Der Steinbauer erhielt sich noch immer in seiner unerschütterlichen                Theilnahmlosigkeit, methodisch und langsam stopfte er seine Pfeife, schlug Feuer,                öffnete den Deckel und verschloß den Zündschwamm und wollte nun aufstehen. Diethelm                aber hielt ihn noch fest und fragte zuerst, ob er nicht seinen Hof verkaufen wolle,                sein Schwager, der Schäuflerdavid, suche einen so herrenmäßig gelegenen für einen                Ausländer. Der Steinbauer sagte, daß er zwar nicht verkaufen wolle, aber wenn er ein                rechtes Anbot bekäme, ließe sich davon reden. Nun hatte ihn Diethelm doch flüssiger,                und indem er noch mehrmals von seinem Schwager, dem Schäuflerdavid, und ihren                gemeinsamen Geschäften sprach, kam er endlich ans Ziel, zu erklären, daß er                allerdings Willens sei, wenn die fremden Händler nicht höher hinaufgehen, selber                einzukaufen. Der Steinbauer, dem es ersichtlich Mühe machte, sein saures Dreinsehen                aufzugeben, ward plötzlich freundlicher, nahm ohne Widerrede das Glas an, das ihm                Diethelm einschenkte, und erklärte nun mit erstaunlicher Redseligkeit, welch einen                Ausbund von Wolle und Schafen er habe, wie die alle so wolltreu seien, ein Haar dem                andern gleiche und der Stapel vom besten Fluß und gleich rund sei, wie &#x201E;viel Leib&#x201C;                seine Schafe hätten, daß er aber doch um einen annehmbaren Preis Alles verkaufe, weil                er kein Glück in der Schafhalterei habe. Er legte das Zeugniß seines Schultheißen                vor, darin nach einem Formular beurkundet war, wo seine Schafe geweidet<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0015] Fleisch in ein Papier und steckte es zu sich, er hob und senkte nun mehrmals seine geschlossenen Lippen, sei es zum Nachkosten des Genossenen oder dem Gehörten beistimmend. Diethelm setzte nun noch weiter auseinander, daß er sich nichts um die öffentlichen Angelegenheiten kümmern möge, und das gilt jetzt wieder unter vielen Menschen, besonders aber bei den Bauern, als großer Ruhm. Als er aber darauf hinwies, daß er in seinem Hauswesen vielerlei zu sorgen habe, sagte der Schultheiß von Rettinghausen: Die Kläger haben kein' Noth und die Prahler kein Brod. Der Steinbauer erhielt sich noch immer in seiner unerschütterlichen Theilnahmlosigkeit, methodisch und langsam stopfte er seine Pfeife, schlug Feuer, öffnete den Deckel und verschloß den Zündschwamm und wollte nun aufstehen. Diethelm aber hielt ihn noch fest und fragte zuerst, ob er nicht seinen Hof verkaufen wolle, sein Schwager, der Schäuflerdavid, suche einen so herrenmäßig gelegenen für einen Ausländer. Der Steinbauer sagte, daß er zwar nicht verkaufen wolle, aber wenn er ein rechtes Anbot bekäme, ließe sich davon reden. Nun hatte ihn Diethelm doch flüssiger, und indem er noch mehrmals von seinem Schwager, dem Schäuflerdavid, und ihren gemeinsamen Geschäften sprach, kam er endlich ans Ziel, zu erklären, daß er allerdings Willens sei, wenn die fremden Händler nicht höher hinaufgehen, selber einzukaufen. Der Steinbauer, dem es ersichtlich Mühe machte, sein saures Dreinsehen aufzugeben, ward plötzlich freundlicher, nahm ohne Widerrede das Glas an, das ihm Diethelm einschenkte, und erklärte nun mit erstaunlicher Redseligkeit, welch einen Ausbund von Wolle und Schafen er habe, wie die alle so wolltreu seien, ein Haar dem andern gleiche und der Stapel vom besten Fluß und gleich rund sei, wie „viel Leib“ seine Schafe hätten, daß er aber doch um einen annehmbaren Preis Alles verkaufe, weil er kein Glück in der Schafhalterei habe. Er legte das Zeugniß seines Schultheißen vor, darin nach einem Formular beurkundet war, wo seine Schafe geweidet

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:04:01Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T13:04:01Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: nicht gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/15
Zitationshilfe: Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/15>, abgerufen am 03.12.2024.