Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Kirche, denn er dachte, daß einst seine eigenen Kinder einen Großvater liebkosen sollten, der so Arges gethan. Beim Taufschmause schnitt es ihm Anfangs in die Seele, da man ihn als glücklichen Schwiegersohn Diethelm's laut pries und der junge Kübler ihm ein Hoch ausbrachte, daß er ebenfalls ein Familienfürst werden möge, wie sein Schwäher. Nach und nach -- die Huldigung hat allezeit ihren verführerischen Reiz -- beschwichtigte Munde die Gewissensschreie in seinem Innern, zumal er Fränz so überaus glücklich sah. Fränz war es gewohnt, sich in den Familien der von ihrem Vater Beglückten preisen und erheben zu lassen, und wie sie Geschenke ausbreitete und Alles voll Dank und Lob war, zeigte sie wirklich eine hohe Freude und Gutherzigkeit; sie suchte an sich herum, ob sie nichts mehr zum Verschenken habe, und lös'te ihre Korallenschnur ab. Unter all dem verworrenen Gestrüppe blühte doch in ihr die Blume wirklicher Milde und Freigebigkeit.

Im Nachhausefahren umarmte Munde seine Fränz voll Glückseligkeit, da sie sagte, wie gut sie es doch hätten, da sie so vielen Menschen Gutes thun könnten. Das war jetzt auch für Munde ein Trost, in dem er zu vergessen suchte, wie schreckenvoll Alles um ihn sei.

Es sollte ihm aber nicht ganz gelingen.

Vierundzwanzigstes Kapitel.

Die Landstände hatten glücklich das alte Einsteherwesen wieder hergestellt. Zum großen Pferdemarkte, der alljährlich in der Hauptstadt abgehalten wurde, schnallte sich Diethelm eine vollgestopfte Geldgurte um, er wollte sich ein neues Gespann und einen modischen sogenannten Charabank kaufen und

Kirche, denn er dachte, daß einst seine eigenen Kinder einen Großvater liebkosen sollten, der so Arges gethan. Beim Taufschmause schnitt es ihm Anfangs in die Seele, da man ihn als glücklichen Schwiegersohn Diethelm's laut pries und der junge Kübler ihm ein Hoch ausbrachte, daß er ebenfalls ein Familienfürst werden möge, wie sein Schwäher. Nach und nach — die Huldigung hat allezeit ihren verführerischen Reiz — beschwichtigte Munde die Gewissensschreie in seinem Innern, zumal er Fränz so überaus glücklich sah. Fränz war es gewohnt, sich in den Familien der von ihrem Vater Beglückten preisen und erheben zu lassen, und wie sie Geschenke ausbreitete und Alles voll Dank und Lob war, zeigte sie wirklich eine hohe Freude und Gutherzigkeit; sie suchte an sich herum, ob sie nichts mehr zum Verschenken habe, und lös'te ihre Korallenschnur ab. Unter all dem verworrenen Gestrüppe blühte doch in ihr die Blume wirklicher Milde und Freigebigkeit.

Im Nachhausefahren umarmte Munde seine Fränz voll Glückseligkeit, da sie sagte, wie gut sie es doch hätten, da sie so vielen Menschen Gutes thun könnten. Das war jetzt auch für Munde ein Trost, in dem er zu vergessen suchte, wie schreckenvoll Alles um ihn sei.

Es sollte ihm aber nicht ganz gelingen.

Vierundzwanzigstes Kapitel.

Die Landstände hatten glücklich das alte Einsteherwesen wieder hergestellt. Zum großen Pferdemarkte, der alljährlich in der Hauptstadt abgehalten wurde, schnallte sich Diethelm eine vollgestopfte Geldgurte um, er wollte sich ein neues Gespann und einen modischen sogenannten Charabank kaufen und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="23">
        <p><pb facs="#f0172"/>
Kirche, denn er dachte,                daß einst seine eigenen Kinder einen Großvater liebkosen sollten, der so Arges                gethan. Beim Taufschmause schnitt es ihm Anfangs in die Seele, da man ihn als                glücklichen Schwiegersohn Diethelm's laut pries und der junge Kübler ihm ein Hoch                ausbrachte, daß er ebenfalls ein Familienfürst werden möge, wie sein Schwäher. Nach                und nach &#x2014; die Huldigung hat allezeit ihren verführerischen Reiz &#x2014; beschwichtigte                Munde die Gewissensschreie in seinem Innern, zumal er Fränz so überaus glücklich sah.                Fränz war es gewohnt, sich in den Familien der von ihrem Vater Beglückten preisen und                erheben zu lassen, und wie sie Geschenke ausbreitete und Alles voll Dank und Lob war,                zeigte sie wirklich eine hohe Freude und Gutherzigkeit; sie suchte an sich herum, ob                sie nichts mehr zum Verschenken habe, und lös'te ihre Korallenschnur ab. Unter all                dem verworrenen Gestrüppe blühte doch in ihr die Blume wirklicher Milde und                Freigebigkeit.</p><lb/>
        <p>Im Nachhausefahren umarmte Munde seine Fränz voll Glückseligkeit, da sie sagte, wie                gut sie es doch hätten, da sie so vielen Menschen Gutes thun könnten. Das war jetzt                auch für Munde ein Trost, in dem er zu vergessen suchte, wie schreckenvoll Alles um                ihn sei.</p><lb/>
        <p>Es sollte ihm aber nicht ganz gelingen.</p><lb/>
      </div>
      <div type="chapter" n="24">
        <head>Vierundzwanzigstes Kapitel.</head><lb/>
        <p>Die Landstände hatten glücklich das alte Einsteherwesen wieder hergestellt. Zum                großen Pferdemarkte, der alljährlich in der Hauptstadt abgehalten wurde, schnallte                sich Diethelm eine vollgestopfte Geldgurte um, er wollte sich ein neues Gespann und                einen modischen sogenannten Charabank kaufen und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0172] Kirche, denn er dachte, daß einst seine eigenen Kinder einen Großvater liebkosen sollten, der so Arges gethan. Beim Taufschmause schnitt es ihm Anfangs in die Seele, da man ihn als glücklichen Schwiegersohn Diethelm's laut pries und der junge Kübler ihm ein Hoch ausbrachte, daß er ebenfalls ein Familienfürst werden möge, wie sein Schwäher. Nach und nach — die Huldigung hat allezeit ihren verführerischen Reiz — beschwichtigte Munde die Gewissensschreie in seinem Innern, zumal er Fränz so überaus glücklich sah. Fränz war es gewohnt, sich in den Familien der von ihrem Vater Beglückten preisen und erheben zu lassen, und wie sie Geschenke ausbreitete und Alles voll Dank und Lob war, zeigte sie wirklich eine hohe Freude und Gutherzigkeit; sie suchte an sich herum, ob sie nichts mehr zum Verschenken habe, und lös'te ihre Korallenschnur ab. Unter all dem verworrenen Gestrüppe blühte doch in ihr die Blume wirklicher Milde und Freigebigkeit. Im Nachhausefahren umarmte Munde seine Fränz voll Glückseligkeit, da sie sagte, wie gut sie es doch hätten, da sie so vielen Menschen Gutes thun könnten. Das war jetzt auch für Munde ein Trost, in dem er zu vergessen suchte, wie schreckenvoll Alles um ihn sei. Es sollte ihm aber nicht ganz gelingen. Vierundzwanzigstes Kapitel. Die Landstände hatten glücklich das alte Einsteherwesen wieder hergestellt. Zum großen Pferdemarkte, der alljährlich in der Hauptstadt abgehalten wurde, schnallte sich Diethelm eine vollgestopfte Geldgurte um, er wollte sich ein neues Gespann und einen modischen sogenannten Charabank kaufen und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:04:01Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T13:04:01Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: nicht gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/172
Zitationshilfe: Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/172>, abgerufen am 04.12.2024.