Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Hast kein Fuhrwerk bei dir? fragte Diethelm, worauf der Steinbauer erwiderte: Nein, ich bin noch gut zuweg, mit dem Fahren hat's Zeit, bis ich alt bin. Im Kaufhause sah Diethelm, daß die verpflichteten Wollsetzer seine Schepper (Vließe) gut aufgesetzt hatten, sie standen an guter Stelle, nicht zu hell und nicht zu dunkel; seine spanische und seine Bastardwolle durfte sich sehen lassen. Sein nächster Nachbar war der Steinbauer, der sich darüber beklagte, daß er einen schlechten Platz habe, gerade neben der Feuerspritze und dem großen Wasserfasse, die unter der Treppe standen. Diethelm stand mit übereinandergeschlagenen Armen ruhig neben seiner Lammwolle, als hastigen Schrittes der Reppenberger kam. Alles Blut schoß Diethelm zu Kopfe, indem er gedachte, daß er vielleicht einst auch als Unterhändler hier sich tummeln, sich abweisen und anfahren lassen müsse, während Alles jetzt seine Nähe suchte und um seine Freundschaft buhlte. Diethelm war entschlossen, mindestens vom Steinbauern noch die Wolle einzukaufen. Zwar hatte er die Bürgschaft des Schwagers zu leichtfertig versprochen, aber der Steinbauer muß ihm vor der Hand glauben, und dann will er noch heute all das Mitgebrachte und das Erkaufte in der Stille versilbern, es sind dann drei Monate Zeit gewonnen, es gilt Luck auf und Luck zu zu machen, bis man den rechten Schick trifft, und der kann doch nicht ewig ausbleiben. Diethelm wurde auch hier schnell handelseins mit dem Steinbauer, und als nun Andere sahen, daß dieser ihm das Seinige übergab, bestürmten sie ihn ebenfalls mit Anerbietungen. Er wehrte Anfangs ab, er wollte nicht weiter gehen. Aber vielleicht läßt sich gerade jetzt der rechte Schick machen, man darf ihn nicht aus der Hand lassen, mit so viel Waare läßt sich was Großes versuchen -- die Hand Diethelm's wurde brennend von dem öfteren Handschlag, er wußte fast gar nicht mehr, wie viel er eingekauft hatte, und der Reppenberger brachte neue und immer bessere Gelegenheiten mit Zahlungsterminen Hast kein Fuhrwerk bei dir? fragte Diethelm, worauf der Steinbauer erwiderte: Nein, ich bin noch gut zuweg, mit dem Fahren hat's Zeit, bis ich alt bin. Im Kaufhause sah Diethelm, daß die verpflichteten Wollsetzer seine Schepper (Vließe) gut aufgesetzt hatten, sie standen an guter Stelle, nicht zu hell und nicht zu dunkel; seine spanische und seine Bastardwolle durfte sich sehen lassen. Sein nächster Nachbar war der Steinbauer, der sich darüber beklagte, daß er einen schlechten Platz habe, gerade neben der Feuerspritze und dem großen Wasserfasse, die unter der Treppe standen. Diethelm stand mit übereinandergeschlagenen Armen ruhig neben seiner Lammwolle, als hastigen Schrittes der Reppenberger kam. Alles Blut schoß Diethelm zu Kopfe, indem er gedachte, daß er vielleicht einst auch als Unterhändler hier sich tummeln, sich abweisen und anfahren lassen müsse, während Alles jetzt seine Nähe suchte und um seine Freundschaft buhlte. Diethelm war entschlossen, mindestens vom Steinbauern noch die Wolle einzukaufen. Zwar hatte er die Bürgschaft des Schwagers zu leichtfertig versprochen, aber der Steinbauer muß ihm vor der Hand glauben, und dann will er noch heute all das Mitgebrachte und das Erkaufte in der Stille versilbern, es sind dann drei Monate Zeit gewonnen, es gilt Luck auf und Luck zu zu machen, bis man den rechten Schick trifft, und der kann doch nicht ewig ausbleiben. Diethelm wurde auch hier schnell handelseins mit dem Steinbauer, und als nun Andere sahen, daß dieser ihm das Seinige übergab, bestürmten sie ihn ebenfalls mit Anerbietungen. Er wehrte Anfangs ab, er wollte nicht weiter gehen. Aber vielleicht läßt sich gerade jetzt der rechte Schick machen, man darf ihn nicht aus der Hand lassen, mit so viel Waare läßt sich was Großes versuchen — die Hand Diethelm's wurde brennend von dem öfteren Handschlag, er wußte fast gar nicht mehr, wie viel er eingekauft hatte, und der Reppenberger brachte neue und immer bessere Gelegenheiten mit Zahlungsterminen <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <pb facs="#f0018"/> <p>Hast kein Fuhrwerk bei dir? fragte Diethelm, worauf der Steinbauer erwiderte:</p><lb/> <p>Nein, ich bin noch gut zuweg, mit dem Fahren hat's Zeit, bis ich alt bin.</p><lb/> <p>Im Kaufhause sah Diethelm, daß die verpflichteten Wollsetzer seine Schepper (Vließe) gut aufgesetzt hatten, sie standen an guter Stelle, nicht zu hell und nicht zu dunkel; seine spanische und seine Bastardwolle durfte sich sehen lassen. Sein nächster Nachbar war der Steinbauer, der sich darüber beklagte, daß er einen schlechten Platz habe, gerade neben der Feuerspritze und dem großen Wasserfasse, die unter der Treppe standen. Diethelm stand mit übereinandergeschlagenen Armen ruhig neben seiner Lammwolle, als hastigen Schrittes der Reppenberger kam. Alles Blut schoß Diethelm zu Kopfe, indem er gedachte, daß er vielleicht einst auch als Unterhändler hier sich tummeln, sich abweisen und anfahren lassen müsse, während Alles jetzt seine Nähe suchte und um seine Freundschaft buhlte. Diethelm war entschlossen, mindestens vom Steinbauern noch die Wolle einzukaufen. Zwar hatte er die Bürgschaft des Schwagers zu leichtfertig versprochen, aber der Steinbauer muß ihm vor der Hand glauben, und dann will er noch heute all das Mitgebrachte und das Erkaufte in der Stille versilbern, es sind dann drei Monate Zeit gewonnen, es gilt Luck auf und Luck zu zu machen, bis man den rechten Schick trifft, und der kann doch nicht ewig ausbleiben. Diethelm wurde auch hier schnell handelseins mit dem Steinbauer, und als nun Andere sahen, daß dieser ihm das Seinige übergab, bestürmten sie ihn ebenfalls mit Anerbietungen. Er wehrte Anfangs ab, er wollte nicht weiter gehen. Aber vielleicht läßt sich gerade jetzt der rechte Schick machen, man darf ihn nicht aus der Hand lassen, mit so viel Waare läßt sich was Großes versuchen — die Hand Diethelm's wurde brennend von dem öfteren Handschlag, er wußte fast gar nicht mehr, wie viel er eingekauft hatte, und der Reppenberger brachte neue und immer bessere Gelegenheiten mit Zahlungsterminen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0018]
Hast kein Fuhrwerk bei dir? fragte Diethelm, worauf der Steinbauer erwiderte:
Nein, ich bin noch gut zuweg, mit dem Fahren hat's Zeit, bis ich alt bin.
Im Kaufhause sah Diethelm, daß die verpflichteten Wollsetzer seine Schepper (Vließe) gut aufgesetzt hatten, sie standen an guter Stelle, nicht zu hell und nicht zu dunkel; seine spanische und seine Bastardwolle durfte sich sehen lassen. Sein nächster Nachbar war der Steinbauer, der sich darüber beklagte, daß er einen schlechten Platz habe, gerade neben der Feuerspritze und dem großen Wasserfasse, die unter der Treppe standen. Diethelm stand mit übereinandergeschlagenen Armen ruhig neben seiner Lammwolle, als hastigen Schrittes der Reppenberger kam. Alles Blut schoß Diethelm zu Kopfe, indem er gedachte, daß er vielleicht einst auch als Unterhändler hier sich tummeln, sich abweisen und anfahren lassen müsse, während Alles jetzt seine Nähe suchte und um seine Freundschaft buhlte. Diethelm war entschlossen, mindestens vom Steinbauern noch die Wolle einzukaufen. Zwar hatte er die Bürgschaft des Schwagers zu leichtfertig versprochen, aber der Steinbauer muß ihm vor der Hand glauben, und dann will er noch heute all das Mitgebrachte und das Erkaufte in der Stille versilbern, es sind dann drei Monate Zeit gewonnen, es gilt Luck auf und Luck zu zu machen, bis man den rechten Schick trifft, und der kann doch nicht ewig ausbleiben. Diethelm wurde auch hier schnell handelseins mit dem Steinbauer, und als nun Andere sahen, daß dieser ihm das Seinige übergab, bestürmten sie ihn ebenfalls mit Anerbietungen. Er wehrte Anfangs ab, er wollte nicht weiter gehen. Aber vielleicht läßt sich gerade jetzt der rechte Schick machen, man darf ihn nicht aus der Hand lassen, mit so viel Waare läßt sich was Großes versuchen — die Hand Diethelm's wurde brennend von dem öfteren Handschlag, er wußte fast gar nicht mehr, wie viel er eingekauft hatte, und der Reppenberger brachte neue und immer bessere Gelegenheiten mit Zahlungsterminen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-14T13:04:01Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-14T13:04:01Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: nicht gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |