Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.hängen. Das Marktgewühl braus'te und tos'te in der Ferne, hier aber war Alles so still wie auf einsamer Höhe, an deren Fuß ein wildrauschender Bach über Felsen braus't; nur bisweilen hörte man das klagende Blöken eines Schafes, dem ein Metzger durch einen Schnitt ins Ohr das Kennzeichen seines Eigenthums gab. Die also bezeichneten Schafe duckten die Köpfe und sahen traurig und dumpf nieder, als wüßten sie, daß die Tage ihres Weidganges gezählt sind. Von einer Heerde führte ein Metzger eben einen Hammel weg, und das sonst so geduldige Thier war störrig und mußte mehr gezogen und geschoben werden, als daß es ging; es kümmerte sich wenig um Bellen und Beißen des Hundes und blökte nur kläglich. Der Soldat schaute dem allem mit dumpfer Verwunderung zu; er war selber Schäfer gewesen, und doch war ihm alles das wieder neu und fast seltsam. Er sah die Hurde seines Bruders, des Schäfers Medard, den wir schon beim Ausspannen gesehen haben, und schon von Ferne zerrte der falbe Hund an der Kette, die am Gurte seines Herrn befestigt war, und weckte diesen aus stillem Niederschauen, so daß er aufblickend rief: Hast sie gefunden? Der Soldat nickte mit dem Kopfe, und erst als er bei seinem Bruder war und den Hund gestreichelt hatte, erzählte er, wie er die Fränz allein auf dem Markte getroffen, wie sie mit einander umhergeschlendert und eben zum Tanze gehen wollten, als Diethelm dazwischen kam und ihn so sonderbar davon schickte. Der Schäfer dagegen berichtete, wie es ihm sei, als ob die ganze Welt aus dem Leim ginge: daheim habe der Meister so nöthlich gethan, wie wenn Alles bei ihm auf Spitz und Knopf stehe, und kaum auf den Markt gekommen, kaufe er wie besessen ein und thue, wie wenn er fragen möchte, was kostet das Schwabenländle da? Er habe die Hämmel verkauft und könne den Herrn nirgends finden, um hängen. Das Marktgewühl braus'te und tos'te in der Ferne, hier aber war Alles so still wie auf einsamer Höhe, an deren Fuß ein wildrauschender Bach über Felsen braus't; nur bisweilen hörte man das klagende Blöken eines Schafes, dem ein Metzger durch einen Schnitt ins Ohr das Kennzeichen seines Eigenthums gab. Die also bezeichneten Schafe duckten die Köpfe und sahen traurig und dumpf nieder, als wüßten sie, daß die Tage ihres Weidganges gezählt sind. Von einer Heerde führte ein Metzger eben einen Hammel weg, und das sonst so geduldige Thier war störrig und mußte mehr gezogen und geschoben werden, als daß es ging; es kümmerte sich wenig um Bellen und Beißen des Hundes und blökte nur kläglich. Der Soldat schaute dem allem mit dumpfer Verwunderung zu; er war selber Schäfer gewesen, und doch war ihm alles das wieder neu und fast seltsam. Er sah die Hurde seines Bruders, des Schäfers Medard, den wir schon beim Ausspannen gesehen haben, und schon von Ferne zerrte der falbe Hund an der Kette, die am Gurte seines Herrn befestigt war, und weckte diesen aus stillem Niederschauen, so daß er aufblickend rief: Hast sie gefunden? Der Soldat nickte mit dem Kopfe, und erst als er bei seinem Bruder war und den Hund gestreichelt hatte, erzählte er, wie er die Fränz allein auf dem Markte getroffen, wie sie mit einander umhergeschlendert und eben zum Tanze gehen wollten, als Diethelm dazwischen kam und ihn so sonderbar davon schickte. Der Schäfer dagegen berichtete, wie es ihm sei, als ob die ganze Welt aus dem Leim ginge: daheim habe der Meister so nöthlich gethan, wie wenn Alles bei ihm auf Spitz und Knopf stehe, und kaum auf den Markt gekommen, kaufe er wie besessen ein und thue, wie wenn er fragen möchte, was kostet das Schwabenländle da? Er habe die Hämmel verkauft und könne den Herrn nirgends finden, um <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="4"> <p><pb facs="#f0026"/> hängen. Das Marktgewühl braus'te und tos'te in der Ferne, hier aber war Alles so still wie auf einsamer Höhe, an deren Fuß ein wildrauschender Bach über Felsen braus't; nur bisweilen hörte man das klagende Blöken eines Schafes, dem ein Metzger durch einen Schnitt ins Ohr das Kennzeichen seines Eigenthums gab. Die also bezeichneten Schafe duckten die Köpfe und sahen traurig und dumpf nieder, als wüßten sie, daß die Tage ihres Weidganges gezählt sind. Von einer Heerde führte ein Metzger eben einen Hammel weg, und das sonst so geduldige Thier war störrig und mußte mehr gezogen und geschoben werden, als daß es ging; es kümmerte sich wenig um Bellen und Beißen des Hundes und blökte nur kläglich. Der Soldat schaute dem allem mit dumpfer Verwunderung zu; er war selber Schäfer gewesen, und doch war ihm alles das wieder neu und fast seltsam. Er sah die Hurde seines Bruders, des Schäfers Medard, den wir schon beim Ausspannen gesehen haben, und schon von Ferne zerrte der falbe Hund an der Kette, die am Gurte seines Herrn befestigt war, und weckte diesen aus stillem Niederschauen, so daß er aufblickend rief:</p><lb/> <p>Hast sie gefunden?</p><lb/> <p>Der Soldat nickte mit dem Kopfe, und erst als er bei seinem Bruder war und den Hund gestreichelt hatte, erzählte er, wie er die Fränz allein auf dem Markte getroffen, wie sie mit einander umhergeschlendert und eben zum Tanze gehen wollten, als Diethelm dazwischen kam und ihn so sonderbar davon schickte.</p><lb/> <p>Der Schäfer dagegen berichtete, wie es ihm sei, als ob die ganze Welt aus dem Leim ginge: daheim habe der Meister so nöthlich gethan, wie wenn Alles bei ihm auf Spitz und Knopf stehe, und kaum auf den Markt gekommen, kaufe er wie besessen ein und thue, wie wenn er fragen möchte, was kostet das Schwabenländle da? 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hängen. Das Marktgewühl braus'te und tos'te in der Ferne, hier aber war Alles so still wie auf einsamer Höhe, an deren Fuß ein wildrauschender Bach über Felsen braus't; nur bisweilen hörte man das klagende Blöken eines Schafes, dem ein Metzger durch einen Schnitt ins Ohr das Kennzeichen seines Eigenthums gab. Die also bezeichneten Schafe duckten die Köpfe und sahen traurig und dumpf nieder, als wüßten sie, daß die Tage ihres Weidganges gezählt sind. Von einer Heerde führte ein Metzger eben einen Hammel weg, und das sonst so geduldige Thier war störrig und mußte mehr gezogen und geschoben werden, als daß es ging; es kümmerte sich wenig um Bellen und Beißen des Hundes und blökte nur kläglich. Der Soldat schaute dem allem mit dumpfer Verwunderung zu; er war selber Schäfer gewesen, und doch war ihm alles das wieder neu und fast seltsam. Er sah die Hurde seines Bruders, des Schäfers Medard, den wir schon beim Ausspannen gesehen haben, und schon von Ferne zerrte der falbe Hund an der Kette, die am Gurte seines Herrn befestigt war, und weckte diesen aus stillem Niederschauen, so daß er aufblickend rief:
Hast sie gefunden?
Der Soldat nickte mit dem Kopfe, und erst als er bei seinem Bruder war und den Hund gestreichelt hatte, erzählte er, wie er die Fränz allein auf dem Markte getroffen, wie sie mit einander umhergeschlendert und eben zum Tanze gehen wollten, als Diethelm dazwischen kam und ihn so sonderbar davon schickte.
Der Schäfer dagegen berichtete, wie es ihm sei, als ob die ganze Welt aus dem Leim ginge: daheim habe der Meister so nöthlich gethan, wie wenn Alles bei ihm auf Spitz und Knopf stehe, und kaum auf den Markt gekommen, kaufe er wie besessen ein und thue, wie wenn er fragen möchte, was kostet das Schwabenländle da? Er habe die Hämmel verkauft und könne den Herrn nirgends finden, um
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