Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.so breit in den Saal, daß die beiden Flügelthüren nicht vergebens aufgemacht waren. Diethelm fühlte sich bei all seinem Stolze doch bald nicht recht wohl bei dieser Lustbarkeit. So genehm es ihm auch war, mit Beamten an Einem Tisch zu sitzen, er machte sich doch bald zu dem alten Sternwirth, der daheim in der unteren Stube geblieben war, und hier ging ihm eine neue Hoffnung auf. Der Sternwirth sagte offen, daß er und Diethelm keine Unterhändler brauchten, und erklärte geradezu, daß sein Wilhelm und die Fränz wohl für einander paßten; er verbreitete sich sehr über die wirthliche Tüchtigkeit eines klugen Bauernmädchens, und wie wohl angelegt hier eine reiche Mitgift sei. Diethelm gab nur abgebrochene Antworten und hielt dabei immer der Art inne, daß der Sternwirth etwas einschieben mußte. Immer wohlgemuther und zutraulicher wurden die beiden Genossen, denn der Sternwirth bewährte heute an sich seine alte wirthliche Ermahnung: Der Wein hängt an einander. Mit diesem Worte brachte er immer wieder volle Flaschen auf den Tisch. Spät in der Nacht, als die Gäste sich bereits entfernt hatten, saßen Diethelm und Fränz noch bei den Wirthsleuten, und es war ihnen allen so vertraut zu Muthe, daß man sich gar nicht trennen mochte; und doch sprach man nichts von der neuen Familieneinigung, aber diese schien Allen in der Seele zu leben. Um dieselbe Zeit saß in Buchenberg noch die Frau Diethelm's harrend bei der einsamen Lampe. Es war eine Frau von großer hagerer Gestalt und feinem, fast vogelartigem Gesichte, sie war ersichtlich älter als Diethelm; und wie sie jetzt tief Athem holend vom Spinnen aufschaute und in die Lampe hinein starrte, sah man, daß ein schwerer Kummer sich in diesem Antlitze heimisch angesiedelt hatte. Sie hatte heute alle heimkehrenden Marktgänger nach ihrem Manne ausgefragt; die Einen gaben nur halben Bescheid, die Anderen verkündeten Dinge, die unglaublich waren. Freilich so breit in den Saal, daß die beiden Flügelthüren nicht vergebens aufgemacht waren. Diethelm fühlte sich bei all seinem Stolze doch bald nicht recht wohl bei dieser Lustbarkeit. So genehm es ihm auch war, mit Beamten an Einem Tisch zu sitzen, er machte sich doch bald zu dem alten Sternwirth, der daheim in der unteren Stube geblieben war, und hier ging ihm eine neue Hoffnung auf. Der Sternwirth sagte offen, daß er und Diethelm keine Unterhändler brauchten, und erklärte geradezu, daß sein Wilhelm und die Fränz wohl für einander paßten; er verbreitete sich sehr über die wirthliche Tüchtigkeit eines klugen Bauernmädchens, und wie wohl angelegt hier eine reiche Mitgift sei. Diethelm gab nur abgebrochene Antworten und hielt dabei immer der Art inne, daß der Sternwirth etwas einschieben mußte. Immer wohlgemuther und zutraulicher wurden die beiden Genossen, denn der Sternwirth bewährte heute an sich seine alte wirthliche Ermahnung: Der Wein hängt an einander. Mit diesem Worte brachte er immer wieder volle Flaschen auf den Tisch. Spät in der Nacht, als die Gäste sich bereits entfernt hatten, saßen Diethelm und Fränz noch bei den Wirthsleuten, und es war ihnen allen so vertraut zu Muthe, daß man sich gar nicht trennen mochte; und doch sprach man nichts von der neuen Familieneinigung, aber diese schien Allen in der Seele zu leben. Um dieselbe Zeit saß in Buchenberg noch die Frau Diethelm's harrend bei der einsamen Lampe. Es war eine Frau von großer hagerer Gestalt und feinem, fast vogelartigem Gesichte, sie war ersichtlich älter als Diethelm; und wie sie jetzt tief Athem holend vom Spinnen aufschaute und in die Lampe hinein starrte, sah man, daß ein schwerer Kummer sich in diesem Antlitze heimisch angesiedelt hatte. Sie hatte heute alle heimkehrenden Marktgänger nach ihrem Manne ausgefragt; die Einen gaben nur halben Bescheid, die Anderen verkündeten Dinge, die unglaublich waren. Freilich <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="6"> <p><pb facs="#f0042"/> so breit in den Saal, daß die beiden Flügelthüren nicht vergebens aufgemacht waren.</p><lb/> <p>Diethelm fühlte sich bei all seinem Stolze doch bald nicht recht wohl bei dieser Lustbarkeit. So genehm es ihm auch war, mit Beamten an Einem Tisch zu sitzen, er machte sich doch bald zu dem alten Sternwirth, der daheim in der unteren Stube geblieben war, und hier ging ihm eine neue Hoffnung auf. Der Sternwirth sagte offen, daß er und Diethelm keine Unterhändler brauchten, und erklärte geradezu, daß sein Wilhelm und die Fränz wohl für einander paßten; er verbreitete sich sehr über die wirthliche Tüchtigkeit eines klugen Bauernmädchens, und wie wohl angelegt hier eine reiche Mitgift sei. Diethelm gab nur abgebrochene Antworten und hielt dabei immer der Art inne, daß der Sternwirth etwas einschieben mußte. Immer wohlgemuther und zutraulicher wurden die beiden Genossen, denn der Sternwirth bewährte heute an sich seine alte wirthliche Ermahnung: Der Wein hängt an einander. Mit diesem Worte brachte er immer wieder volle Flaschen auf den Tisch.</p><lb/> <p>Spät in der Nacht, als die Gäste sich bereits entfernt hatten, saßen Diethelm und Fränz noch bei den Wirthsleuten, und es war ihnen allen so vertraut zu Muthe, daß man sich gar nicht trennen mochte; und doch sprach man nichts von der neuen Familieneinigung, aber diese schien Allen in der Seele zu leben.</p><lb/> <p>Um dieselbe Zeit saß in Buchenberg noch die Frau Diethelm's harrend bei der einsamen Lampe. Es war eine Frau von großer hagerer Gestalt und feinem, fast vogelartigem Gesichte, sie war ersichtlich älter als Diethelm; und wie sie jetzt tief Athem holend vom Spinnen aufschaute und in die Lampe hinein starrte, sah man, daß ein schwerer Kummer sich in diesem Antlitze heimisch angesiedelt hatte. Sie hatte heute alle heimkehrenden Marktgänger nach ihrem Manne ausgefragt; die Einen gaben nur halben Bescheid, die Anderen verkündeten Dinge, die unglaublich waren. 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so breit in den Saal, daß die beiden Flügelthüren nicht vergebens aufgemacht waren.
Diethelm fühlte sich bei all seinem Stolze doch bald nicht recht wohl bei dieser Lustbarkeit. So genehm es ihm auch war, mit Beamten an Einem Tisch zu sitzen, er machte sich doch bald zu dem alten Sternwirth, der daheim in der unteren Stube geblieben war, und hier ging ihm eine neue Hoffnung auf. Der Sternwirth sagte offen, daß er und Diethelm keine Unterhändler brauchten, und erklärte geradezu, daß sein Wilhelm und die Fränz wohl für einander paßten; er verbreitete sich sehr über die wirthliche Tüchtigkeit eines klugen Bauernmädchens, und wie wohl angelegt hier eine reiche Mitgift sei. Diethelm gab nur abgebrochene Antworten und hielt dabei immer der Art inne, daß der Sternwirth etwas einschieben mußte. Immer wohlgemuther und zutraulicher wurden die beiden Genossen, denn der Sternwirth bewährte heute an sich seine alte wirthliche Ermahnung: Der Wein hängt an einander. Mit diesem Worte brachte er immer wieder volle Flaschen auf den Tisch.
Spät in der Nacht, als die Gäste sich bereits entfernt hatten, saßen Diethelm und Fränz noch bei den Wirthsleuten, und es war ihnen allen so vertraut zu Muthe, daß man sich gar nicht trennen mochte; und doch sprach man nichts von der neuen Familieneinigung, aber diese schien Allen in der Seele zu leben.
Um dieselbe Zeit saß in Buchenberg noch die Frau Diethelm's harrend bei der einsamen Lampe. Es war eine Frau von großer hagerer Gestalt und feinem, fast vogelartigem Gesichte, sie war ersichtlich älter als Diethelm; und wie sie jetzt tief Athem holend vom Spinnen aufschaute und in die Lampe hinein starrte, sah man, daß ein schwerer Kummer sich in diesem Antlitze heimisch angesiedelt hatte. Sie hatte heute alle heimkehrenden Marktgänger nach ihrem Manne ausgefragt; die Einen gaben nur halben Bescheid, die Anderen verkündeten Dinge, die unglaublich waren. Freilich
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