Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Angst vor seinem eigenen Hause, als ob die todten Wände wüßten, daß er sie in Asche verwandeln wolle, und vorzeitig zusammenstürzen und ihn unter ihrem Schutte begraben würden. Eine ruhelose Gewalt trieb Diethelm immer weiter, als müßte er entfliehen und hinter sich lassen Alles, was ihn kennt und nennt; die Verwandten werden sich schon der Martha und der Fränz annehmen, wenn nur er nicht mehr da war, nur wehe that es ihm, daß er ihnen nicht Lebewohl gesagt, und Thränen traten ihm in die Augen über seinen eigenen so jähen Tod, den er doch suchen mußte. In dieser Nacht kämpfte zum Letztenmal der gute Geist Diethelm's mit seinen schlimmen Vorsätzen in gewaltigem Ringen, und eine überraschende Wendung seines Denkens lös'te auf Einmal allen Hader: Dir bleibt nichts als dich selbst umbringen, das ist eine schwere Sünde -- oder Brandstiften, das ist auch ein Verbrechen, aber minder, und du hast schon genug gelitten für das, was du thun wolltest, du hast deine Strafe vorweg empfangen, jetzt mußt du's auch thun, und du rettest dich und all die Deinen. An der Gemarkung von Unterthailfingen kehrte Diethelm um und kam, man kann fast sagen, als hartgefrorner Missethäter heim. Drei Tage ging Diethelm einsam und in sich gekehrt umher; er verstopfte jede Luke und jeden Spalt auf dem Speicher und sagte sich innerlich Wort für Wort Alles vor, was er zur gefahrlosen Vollbringung zu thun habe; denn er gewahrte, wie sein Athem schneller ging bei dem Gedanken an die endliche Ausführung, er wollte sich vor sich selbst sicher stellen, um mit Umsicht und ohne Leidenschaft und Haß, die leicht das Wichtigste übersieht, zu Werke zu gehen. Am dritten Abend kam ein Bote vom Kohlenhof mit der Nachricht, daß die Kohlenhof-Bäuerin, die Tochter Martha's erster Ehe, krank sei und nach der Mutter verlange. Diethelm erfaßte dies schnell als eine erwünschte Wendung und drang in seine Frau, daß sie sogleich abreise; er wußte Angst vor seinem eigenen Hause, als ob die todten Wände wüßten, daß er sie in Asche verwandeln wolle, und vorzeitig zusammenstürzen und ihn unter ihrem Schutte begraben würden. Eine ruhelose Gewalt trieb Diethelm immer weiter, als müßte er entfliehen und hinter sich lassen Alles, was ihn kennt und nennt; die Verwandten werden sich schon der Martha und der Fränz annehmen, wenn nur er nicht mehr da war, nur wehe that es ihm, daß er ihnen nicht Lebewohl gesagt, und Thränen traten ihm in die Augen über seinen eigenen so jähen Tod, den er doch suchen mußte. In dieser Nacht kämpfte zum Letztenmal der gute Geist Diethelm's mit seinen schlimmen Vorsätzen in gewaltigem Ringen, und eine überraschende Wendung seines Denkens lös'te auf Einmal allen Hader: Dir bleibt nichts als dich selbst umbringen, das ist eine schwere Sünde — oder Brandstiften, das ist auch ein Verbrechen, aber minder, und du hast schon genug gelitten für das, was du thun wolltest, du hast deine Strafe vorweg empfangen, jetzt mußt du's auch thun, und du rettest dich und all die Deinen. An der Gemarkung von Unterthailfingen kehrte Diethelm um und kam, man kann fast sagen, als hartgefrorner Missethäter heim. Drei Tage ging Diethelm einsam und in sich gekehrt umher; er verstopfte jede Luke und jeden Spalt auf dem Speicher und sagte sich innerlich Wort für Wort Alles vor, was er zur gefahrlosen Vollbringung zu thun habe; denn er gewahrte, wie sein Athem schneller ging bei dem Gedanken an die endliche Ausführung, er wollte sich vor sich selbst sicher stellen, um mit Umsicht und ohne Leidenschaft und Haß, die leicht das Wichtigste übersieht, zu Werke zu gehen. Am dritten Abend kam ein Bote vom Kohlenhof mit der Nachricht, daß die Kohlenhof-Bäuerin, die Tochter Martha's erster Ehe, krank sei und nach der Mutter verlange. 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Eine ruhelose Gewalt trieb Diethelm immer weiter, als müßte er entfliehen und hinter sich lassen Alles, was ihn kennt und nennt; die Verwandten werden sich schon der Martha und der Fränz annehmen, wenn nur er nicht mehr da war, nur wehe that es ihm, daß er ihnen nicht Lebewohl gesagt, und Thränen traten ihm in die Augen über seinen eigenen so jähen Tod, den er doch suchen mußte.</p><lb/> <p>In dieser Nacht kämpfte zum Letztenmal der gute Geist Diethelm's mit seinen schlimmen Vorsätzen in gewaltigem Ringen, und eine überraschende Wendung seines Denkens lös'te auf Einmal allen Hader: Dir bleibt nichts als dich selbst umbringen, das ist eine schwere Sünde — oder Brandstiften, das ist auch ein Verbrechen, aber minder, und du hast schon genug gelitten für das, was du thun wolltest, du hast deine Strafe vorweg empfangen, jetzt mußt du's auch thun, und du rettest dich und all die Deinen.</p><lb/> <p>An der Gemarkung von Unterthailfingen kehrte Diethelm um und kam, man kann fast sagen, als hartgefrorner Missethäter heim.</p><lb/> <p>Drei Tage ging Diethelm einsam und in sich gekehrt umher; er verstopfte jede Luke und jeden Spalt auf dem Speicher und sagte sich innerlich Wort für Wort Alles vor, was er zur gefahrlosen Vollbringung zu thun habe; denn er gewahrte, wie sein Athem schneller ging bei dem Gedanken an die endliche Ausführung, er wollte sich vor sich selbst sicher stellen, um mit Umsicht und ohne Leidenschaft und Haß, die leicht das Wichtigste übersieht, zu Werke zu gehen.</p><lb/> <p>Am dritten Abend kam ein Bote vom Kohlenhof mit der Nachricht, daß die Kohlenhof-Bäuerin, die Tochter Martha's erster Ehe, krank sei und nach der Mutter verlange. 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Angst vor seinem eigenen Hause, als ob die todten Wände wüßten, daß er sie in Asche verwandeln wolle, und vorzeitig zusammenstürzen und ihn unter ihrem Schutte begraben würden. Eine ruhelose Gewalt trieb Diethelm immer weiter, als müßte er entfliehen und hinter sich lassen Alles, was ihn kennt und nennt; die Verwandten werden sich schon der Martha und der Fränz annehmen, wenn nur er nicht mehr da war, nur wehe that es ihm, daß er ihnen nicht Lebewohl gesagt, und Thränen traten ihm in die Augen über seinen eigenen so jähen Tod, den er doch suchen mußte.
In dieser Nacht kämpfte zum Letztenmal der gute Geist Diethelm's mit seinen schlimmen Vorsätzen in gewaltigem Ringen, und eine überraschende Wendung seines Denkens lös'te auf Einmal allen Hader: Dir bleibt nichts als dich selbst umbringen, das ist eine schwere Sünde — oder Brandstiften, das ist auch ein Verbrechen, aber minder, und du hast schon genug gelitten für das, was du thun wolltest, du hast deine Strafe vorweg empfangen, jetzt mußt du's auch thun, und du rettest dich und all die Deinen.
An der Gemarkung von Unterthailfingen kehrte Diethelm um und kam, man kann fast sagen, als hartgefrorner Missethäter heim.
Drei Tage ging Diethelm einsam und in sich gekehrt umher; er verstopfte jede Luke und jeden Spalt auf dem Speicher und sagte sich innerlich Wort für Wort Alles vor, was er zur gefahrlosen Vollbringung zu thun habe; denn er gewahrte, wie sein Athem schneller ging bei dem Gedanken an die endliche Ausführung, er wollte sich vor sich selbst sicher stellen, um mit Umsicht und ohne Leidenschaft und Haß, die leicht das Wichtigste übersieht, zu Werke zu gehen.
Am dritten Abend kam ein Bote vom Kohlenhof mit der Nachricht, daß die Kohlenhof-Bäuerin, die Tochter Martha's erster Ehe, krank sei und nach der Mutter verlange. Diethelm erfaßte dies schnell als eine erwünschte Wendung und drang in seine Frau, daß sie sogleich abreise; er wußte
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