Allgemeine Zeitung. Nr. 1. Augsburg, 1. Januar 1840.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0008" n="0008"/><lb/> Vorrücken der ägyptischen Truppen im Yemen ist unbedeutender als es ausgesprengt ward; Ibrahim Pascha der Jüngere meldete, daß er im Fastenmonat alle Bewegungen einstellen, und sich wahrscheinlich in Hodeida aufhalten würde. Aus Syrien sind die Nachrichten sehr beschränkter Art; zwar brachen noch einzelne Insurrectionen hier und da, wie namentlich kürzlich in dem Thal Beka, dem alten Cölesyrien, aus, aber das sind Dorfemeuten ohne alle Wichtigkeit. Ibrahim wollte den Ramazan in Aleppo zubringen; es scheint jedoch, daß er im Lager zu Marasch blieb, wo die Truppen viel von der plötzlich eingetretenen Kälte zu leiden haben. Sie ertragen sie in der baumwollenen Sommerkleidung, ohne Strümpfe und häufig ohne Schuhe auf bewundernswürdige Art, was von einem Volke, das in dem heißen Aegypten geboren, kaum zu erwarten war. Hier in Alexandria zerbricht man sich wieder den Kopf über die Vollziehung des Handelstractats. Der Pascha macht sich zuweilen den Spaß, das Publicum an eine solche Vollziehung glauben zu lassen, und kürzlich ließ er sogar verbreiten, er wolle alle Cerealien frei geben. Aber er verkaufte den größten Theil derselben an einen griechischen Kaufmann und die Uebrigen hatten das Nachsehen. Sollte wirklich die langersehnte Freiheit des Handels hier noch bei Lebzeiten Mehemed Ali's promulgirt werden, dann können alle die Kaufleute, die ihn nicht auf die Weise der Levantiner betreiben wollen, dem Handel Valet sagen; die Begünstigten des Gouvernements werden alle Vortheile der europäischen Stipulationen genießen, während die andern sich mit einigen abfallenden Brosamen begnügen müssen. Der vom Sultan erlassene berühmte Hattischeriff ist hier nur durch das Journal de Smyrne bekannt geworden; das Gouvernement hat nichts publicirt. Der Correspondent dieses Journals erzählt, daß der Schech Ibrahim der großen Moschee ihn an einem Freitag publiciren wollte, aber das ist falsch: ohne den Willen des Pascha's wagt kein Priester, und wäre es auch der Groß-Sheriff von Mekka selbst, einen solchen Hattischeriff zu verkünden. Unter den Türken der Flotte, die jetzt ziemlich abgestumpft sind, hat er wenig Sensation hervorgebracht; sie haben ihn auch nur sehr oberflächlich kennen gelernt; der Pascha hält nicht für gut, sie damit bekannt zu machen. Der Kapudan Pascha läßt sich jetzt mehr im Frankenquartier sehen als früher, er macht nicht nur viel Einkäufe aller Art, sondern sitzt auch täglich in den Boutiken der Europäer, wo er stundenlang seine Pfeife raucht. Er scheint jetzt einzusehen, welchen unbedachtsamen Schritt er that, und daß er aus dem großen Opfer, das er Mehemed Ali brachte, auch nicht Einen Vortheil ziehen wird.</p><lb/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0008/0008]
Vorrücken der ägyptischen Truppen im Yemen ist unbedeutender als es ausgesprengt ward; Ibrahim Pascha der Jüngere meldete, daß er im Fastenmonat alle Bewegungen einstellen, und sich wahrscheinlich in Hodeida aufhalten würde. Aus Syrien sind die Nachrichten sehr beschränkter Art; zwar brachen noch einzelne Insurrectionen hier und da, wie namentlich kürzlich in dem Thal Beka, dem alten Cölesyrien, aus, aber das sind Dorfemeuten ohne alle Wichtigkeit. Ibrahim wollte den Ramazan in Aleppo zubringen; es scheint jedoch, daß er im Lager zu Marasch blieb, wo die Truppen viel von der plötzlich eingetretenen Kälte zu leiden haben. Sie ertragen sie in der baumwollenen Sommerkleidung, ohne Strümpfe und häufig ohne Schuhe auf bewundernswürdige Art, was von einem Volke, das in dem heißen Aegypten geboren, kaum zu erwarten war. Hier in Alexandria zerbricht man sich wieder den Kopf über die Vollziehung des Handelstractats. Der Pascha macht sich zuweilen den Spaß, das Publicum an eine solche Vollziehung glauben zu lassen, und kürzlich ließ er sogar verbreiten, er wolle alle Cerealien frei geben. Aber er verkaufte den größten Theil derselben an einen griechischen Kaufmann und die Uebrigen hatten das Nachsehen. Sollte wirklich die langersehnte Freiheit des Handels hier noch bei Lebzeiten Mehemed Ali's promulgirt werden, dann können alle die Kaufleute, die ihn nicht auf die Weise der Levantiner betreiben wollen, dem Handel Valet sagen; die Begünstigten des Gouvernements werden alle Vortheile der europäischen Stipulationen genießen, während die andern sich mit einigen abfallenden Brosamen begnügen müssen. Der vom Sultan erlassene berühmte Hattischeriff ist hier nur durch das Journal de Smyrne bekannt geworden; das Gouvernement hat nichts publicirt. Der Correspondent dieses Journals erzählt, daß der Schech Ibrahim der großen Moschee ihn an einem Freitag publiciren wollte, aber das ist falsch: ohne den Willen des Pascha's wagt kein Priester, und wäre es auch der Groß-Sheriff von Mekka selbst, einen solchen Hattischeriff zu verkünden. Unter den Türken der Flotte, die jetzt ziemlich abgestumpft sind, hat er wenig Sensation hervorgebracht; sie haben ihn auch nur sehr oberflächlich kennen gelernt; der Pascha hält nicht für gut, sie damit bekannt zu machen. Der Kapudan Pascha läßt sich jetzt mehr im Frankenquartier sehen als früher, er macht nicht nur viel Einkäufe aller Art, sondern sitzt auch täglich in den Boutiken der Europäer, wo er stundenlang seine Pfeife raucht. Er scheint jetzt einzusehen, welchen unbedachtsamen Schritt er that, und daß er aus dem großen Opfer, das er Mehemed Ali brachte, auch nicht Einen Vortheil ziehen wird.
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