Allgemeine Zeitung. Nr. 6. Augsburg, 6. Januar 1840.
Amsterdam, 27 Dec. Im Handelsblad liest man: "In Brüsseler und Pariser Zeitungen befinden sich Privatmittheilungen, angeblich aus dem Haag, über einen Volksauflauf im Westende dieser Residenz, über eine Bekanntmachung des Bürgermeisters, der die Einwohner zur Ruhe auffordert, und über das Einwerfen der Fenster bei dem Bürgermeister in Amsterdam u. s. w. - Nachrichten, die wir mit Stillschweigen übergehen würden, wenn nicht zu gleicher Zeit in jenen Mittheilungen von einem Zustande der Spannung die Rede wäre, der in diesem Augenblick in den Niederlanden herrschen soll. Für niederländische Leser wird es genügen, dieser Mittheilung belgischer Blätter zu erwähnen, um ein mitleidiges Achselzucken bei ihnen zu erregen; für den Ausländer jedoch, der das Verhältniß unsrer gegenwärtigen Lage weniger kennt, scheint eine Berichtigung nothwendig. Es herrscht in Niederland nichts weniger als eine Spannung der Gemüther. Das Einzige, was vorhanden, ist über einige Punkte eine Differenz zwischen der Regierung und der Landes-Vertretung - eine Differenz, zu der die unglückselige belgische Revolution und ihre traurigen Folgen Anlaß gaben. Diese Differenz wird und muß binnen kurzem ausgeglichen seyn. In keinem Falle aber wird dieselbe außerhalb des Sitzungssaales der Generalstaaten fortgeführt werden. Die niederländische Nation überläßt vertrauungsvoll und ruhig den Staatsgewalten die Sorge für ihr Interesse. Französische und belgische Zeitungen mögen, wenn diese Staats-Gewalten bei ihnen aufhören vollkommen einig zu seyn, von Aufstand und Abfall träumen; der ruhige besonnene Niederländer aber hat einen Abscheu vor allen Volksdemonstrationen, die sehr oft zur Zerstörung, niemals aber zur Erhöhung der Volkswohlfahrt führen." Aus dem Haag, 30 Dec. Der diesseitige Gesandte am k. französischen Hofe, Baron Fagel, ist nach Paris abgereist. - Gestern sprach man davon, daß die Regierung schon in heutiger Sitzung der zweiten Kammer der Generalstaaten einen Gesetzesentwurf bezüglich der Revision des Grundgesetzes vorlegen wolle.
Amsterdam, 27 Dec. Im Handelsblad liest man: „In Brüsseler und Pariser Zeitungen befinden sich Privatmittheilungen, angeblich aus dem Haag, über einen Volksauflauf im Westende dieser Residenz, über eine Bekanntmachung des Bürgermeisters, der die Einwohner zur Ruhe auffordert, und über das Einwerfen der Fenster bei dem Bürgermeister in Amsterdam u. s. w. – Nachrichten, die wir mit Stillschweigen übergehen würden, wenn nicht zu gleicher Zeit in jenen Mittheilungen von einem Zustande der Spannung die Rede wäre, der in diesem Augenblick in den Niederlanden herrschen soll. Für niederländische Leser wird es genügen, dieser Mittheilung belgischer Blätter zu erwähnen, um ein mitleidiges Achselzucken bei ihnen zu erregen; für den Ausländer jedoch, der das Verhältniß unsrer gegenwärtigen Lage weniger kennt, scheint eine Berichtigung nothwendig. Es herrscht in Niederland nichts weniger als eine Spannung der Gemüther. Das Einzige, was vorhanden, ist über einige Punkte eine Differenz zwischen der Regierung und der Landes-Vertretung – eine Differenz, zu der die unglückselige belgische Revolution und ihre traurigen Folgen Anlaß gaben. Diese Differenz wird und muß binnen kurzem ausgeglichen seyn. In keinem Falle aber wird dieselbe außerhalb des Sitzungssaales der Generalstaaten fortgeführt werden. Die niederländische Nation überläßt vertrauungsvoll und ruhig den Staatsgewalten die Sorge für ihr Interesse. Französische und belgische Zeitungen mögen, wenn diese Staats-Gewalten bei ihnen aufhören vollkommen einig zu seyn, von Aufstand und Abfall träumen; der ruhige besonnene Niederländer aber hat einen Abscheu vor allen Volksdemonstrationen, die sehr oft zur Zerstörung, niemals aber zur Erhöhung der Volkswohlfahrt führen.“ Aus dem Haag, 30 Dec. Der diesseitige Gesandte am k. französischen Hofe, Baron Fagel, ist nach Paris abgereist. – Gestern sprach man davon, daß die Regierung schon in heutiger Sitzung der zweiten Kammer der Generalstaaten einen Gesetzesentwurf bezüglich der Revision des Grundgesetzes vorlegen wolle. <TEI> <text> <body> <div type="jArticle" n="1"> <p><pb facs="#f0005" n="0045"/><lb/> überträgt. Die stärksten Schulden wurden daher auf den Vorausempfang der Colonialproducte gemacht, und auf diese Art gelang es der Regierung, den Ständen das immer bedenklichere Anwachsen der Schuld zu verbergen. Alle Jahre erklärte der Finanzminister der zweiten Kammer, daß die Producte von Java hinreichend seyen, das Deficit zu decken. Wie groß aber war das Erstaunen der Kammer, als durch die letzten Discussionen der kritische Zustand des Credits an den Tag kam! Die Thronrede, welche mit einem gewissen Zaudern bemerkte, daß die Finanzen in einem bessern Zustand seyen, als man zu hoffen geglaubt, hatte die Gemüther wohl auf die Erklärung eines Deficits vorbereitet, aber nie hatte man geahnt, daß dasselbe so bedeutend seyn könne. Die Discussion wurde durch Vorlegung eines Anleihe-Entwurfs auf die Producte Java's eröffnet. Aus den unvollständigen Erläuterungen, welche die Minister der Commission zu geben genöthigt waren, ging hervor, daß die Regierung auf diese Anleihe der Handelsgesellschaft 40 Millionen herauszuzahlen hatte, welche auf die Producte Java's für das Jahr 1840 aufgenommen worden; daß überdieß das Tilgungssyndicat eines neuen jährlichen Zuschusses von 4 Millionen bedürfe, welches demnach ein Capital von 80 Millionen erforderte; beides zusammen bildete ein Gesammtcapital von 120 Millionen, die ohne Autorisation der Generalstaaten ausgegeben worden sind, und für welche die Regierung keine gesetzliche Rechtfertigung beibringen kann. Außerdem hatte die Regierung vor zwei Jahren einen Gesetzesentwurf hinsichtlich der Eisenbahn von Amsterdam nach Arnheim vorgelegt, den die Kammer verwarf. Kurze Zeit darauf aber eröffnete der König für diesen Entwurf einen Credit von 10 Millionen durch Ordonnanz. Der Finanzminister sah sich nun, durch die Fragen der Commission gedrängt, genöthigt, zu gestehen, daß diese 10 Millionen, wie alle übrigen, durch die Kriegskosten aufgezehrt wurden. Dieß ist der Finanzzustand Hollands, welcher die zweite Kammer zu ihren letzten Beschlüssen bewog. In dieser ganzen Angelegenheit zeigte sie eine unerwartete Entschlossenheit, man könnte fast sagen, eine außerordentliche Strenge. Dem Entwurf der Regierung antwortete sie: „Wir wissen wohl uns nach den Umständen zu richten, wir werden nöthigenfalls den verlangten Credit bewilligen, aber wir thun dieß nicht ohne Bedingungen. Wir werden für diese Mißbräuche eine Amnestie nur dann gewähren, wenn wir die Gewißheit erlangt haben, daß sie sich nicht mehr erneuern können. Wir wollen die Unterdrückung des Tilgungssyndicats, die Vereinfachung und Regulirung der Finanzen, die Verbesserung der constitutionellen Institutionen, endlich die Revision des Staatsgrundgesetzes. Auch wollen wir nicht, wie groß auch der Reichthum der Colonien seyn mag, daß ungewisse Einnahmen die alleinige Garantie gegen einen Bankerott bilden; nicht durch Anleihen, sondern durch Ersparnisse wollen wir das Deficit decken. Die Krone machte anfangs einige Concessionen. Sie ließ der Kammer antworten: der König werde, als Modification des Art. 60, der Kammer alljährlich von dem Ueberschuß der Einnahme der Colonien Rechnung ablegen, und durch ein besonderes Gesetz solle über diesen Ueberschuß verfügt werden. Auch werde im Laufe der Session ein Gesetzesentwurf vorgelegt werden zur Unterdrückung des Tilgungssyndicats. Die Kammer war aber dadurch noch nicht befriedigt. Wir wollen, sagte sie, Garantien für die Zukunft. Wir haben zwar in den König Wilhelm alles Vertrauen, wir wollen aber nicht der Willkür seiner Nachfolger eine so gefährliche Gewalt überlassen. Wir verlangen eine Unterdrückung des Art. 60, und da derselbe einen Theil der Constitution ausmacht und nur auf gesetzlichem Wege beseitigt werden kann, so verlangen wir die Revision des Staatsgrundgesetzes. Vergebens erklärte der Finanzminister öffentlich, daß die Verwerfung des Gesetzesentwurfs ein erster Schritt zu einem Bankerott sey; vergebens kündigte der Minister der Colonien, General van den Bosch, an, er werde genöthigt seyn, die Leitung des Departements, welchem er vierzig Jahre seines Lebens gewidmet, zu verlassen, weil es ihm unmöglich würde, die widerstreitenden Meinungen des Königs und der Kammer zu vereinigen. Alle diese Worte schreckten die Kammer nicht zurück, und eine starke Majorität verwarf den Entwurf. Nach diesem Vorfall glaubte man, der König werde ein neues Finanzsystem für 1840 vorlegen. Aber man vergaß dabei den Charakter des Königs Wilhelm. Unmittelbar nach der Verwerfung seines ersten Gesetzesentwurfs ließ er einen zweiten vorlegen, nach welchem eine neue Schuld von 16 Millionen Gulden auf das große Buch geschrieben werden sollte. Man wollte also durch Creirung einer ewigen Schuld den Entwurf der Anleihe auf die Colonien ersetzen. Die Kammer erwiederte die königliche Beharrlichkeit durch gleiche Hartnäckigkeit, und am Ende wurde das Budget für 1840 einstimmig verworfen. – Der letzte gesetzliche Schritt ist somit in Holland geschehen. Weiter kann man nicht gehen ohne eine Revolution. Nicht von einer Finanzfrage handelt es sich dort, sondern von einer radicalen Reform der Constitution. Es wurden in dieser Discussion als Grundfragen aufgeregt: das Princip der ministeriellen Verantwortlichkeit, das Recht der Initiative für die Kammern und directe Wahlen. Es ist dieß ein Ereigniß von hoher Bedeutung. ...</p><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline><hi rendition="#b">Amsterdam,</hi> 27 Dec.</dateline> <p> Im Handelsblad liest man: „In Brüsseler und Pariser Zeitungen befinden sich Privatmittheilungen, angeblich aus dem Haag, über einen Volksauflauf im Westende dieser Residenz, über eine Bekanntmachung des Bürgermeisters, der die Einwohner zur Ruhe auffordert, und über das Einwerfen der Fenster bei dem Bürgermeister in Amsterdam u. s. w. – Nachrichten, die wir mit Stillschweigen übergehen würden, wenn nicht zu gleicher Zeit in jenen Mittheilungen von einem Zustande der Spannung die Rede wäre, der in diesem Augenblick in den Niederlanden herrschen soll. Für niederländische Leser wird es genügen, dieser Mittheilung belgischer Blätter zu erwähnen, um ein mitleidiges Achselzucken bei ihnen zu erregen; für den Ausländer jedoch, der das Verhältniß unsrer gegenwärtigen Lage weniger kennt, scheint eine Berichtigung nothwendig. Es herrscht in Niederland nichts weniger als eine Spannung der Gemüther. Das Einzige, was vorhanden, ist über einige Punkte eine Differenz zwischen der Regierung und der Landes-Vertretung – eine Differenz, zu der die unglückselige belgische Revolution und ihre traurigen Folgen Anlaß gaben. Diese Differenz wird und muß binnen kurzem ausgeglichen seyn. In keinem Falle aber wird dieselbe außerhalb des Sitzungssaales der Generalstaaten fortgeführt werden. Die niederländische Nation überläßt vertrauungsvoll und ruhig den Staatsgewalten die Sorge für ihr Interesse. Französische und belgische Zeitungen mögen, wenn diese Staats-Gewalten bei ihnen aufhören vollkommen einig zu seyn, von Aufstand und Abfall träumen; der ruhige besonnene Niederländer aber hat einen Abscheu vor allen Volksdemonstrationen, die sehr oft zur Zerstörung, niemals aber zur Erhöhung der Volkswohlfahrt führen.“</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <byline>*✝</byline> <dateline><hi rendition="#b">Aus dem Haag,</hi> 30 Dec.</dateline> <p> Der diesseitige Gesandte am k. französischen Hofe, Baron Fagel, ist nach Paris abgereist. – Gestern sprach man davon, daß die Regierung schon in heutiger Sitzung der zweiten Kammer der Generalstaaten einen Gesetzesentwurf bezüglich der Revision des Grundgesetzes vorlegen wolle.</p><lb/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0045/0005]
überträgt. Die stärksten Schulden wurden daher auf den Vorausempfang der Colonialproducte gemacht, und auf diese Art gelang es der Regierung, den Ständen das immer bedenklichere Anwachsen der Schuld zu verbergen. Alle Jahre erklärte der Finanzminister der zweiten Kammer, daß die Producte von Java hinreichend seyen, das Deficit zu decken. Wie groß aber war das Erstaunen der Kammer, als durch die letzten Discussionen der kritische Zustand des Credits an den Tag kam! Die Thronrede, welche mit einem gewissen Zaudern bemerkte, daß die Finanzen in einem bessern Zustand seyen, als man zu hoffen geglaubt, hatte die Gemüther wohl auf die Erklärung eines Deficits vorbereitet, aber nie hatte man geahnt, daß dasselbe so bedeutend seyn könne. Die Discussion wurde durch Vorlegung eines Anleihe-Entwurfs auf die Producte Java's eröffnet. Aus den unvollständigen Erläuterungen, welche die Minister der Commission zu geben genöthigt waren, ging hervor, daß die Regierung auf diese Anleihe der Handelsgesellschaft 40 Millionen herauszuzahlen hatte, welche auf die Producte Java's für das Jahr 1840 aufgenommen worden; daß überdieß das Tilgungssyndicat eines neuen jährlichen Zuschusses von 4 Millionen bedürfe, welches demnach ein Capital von 80 Millionen erforderte; beides zusammen bildete ein Gesammtcapital von 120 Millionen, die ohne Autorisation der Generalstaaten ausgegeben worden sind, und für welche die Regierung keine gesetzliche Rechtfertigung beibringen kann. Außerdem hatte die Regierung vor zwei Jahren einen Gesetzesentwurf hinsichtlich der Eisenbahn von Amsterdam nach Arnheim vorgelegt, den die Kammer verwarf. Kurze Zeit darauf aber eröffnete der König für diesen Entwurf einen Credit von 10 Millionen durch Ordonnanz. Der Finanzminister sah sich nun, durch die Fragen der Commission gedrängt, genöthigt, zu gestehen, daß diese 10 Millionen, wie alle übrigen, durch die Kriegskosten aufgezehrt wurden. Dieß ist der Finanzzustand Hollands, welcher die zweite Kammer zu ihren letzten Beschlüssen bewog. In dieser ganzen Angelegenheit zeigte sie eine unerwartete Entschlossenheit, man könnte fast sagen, eine außerordentliche Strenge. Dem Entwurf der Regierung antwortete sie: „Wir wissen wohl uns nach den Umständen zu richten, wir werden nöthigenfalls den verlangten Credit bewilligen, aber wir thun dieß nicht ohne Bedingungen. Wir werden für diese Mißbräuche eine Amnestie nur dann gewähren, wenn wir die Gewißheit erlangt haben, daß sie sich nicht mehr erneuern können. Wir wollen die Unterdrückung des Tilgungssyndicats, die Vereinfachung und Regulirung der Finanzen, die Verbesserung der constitutionellen Institutionen, endlich die Revision des Staatsgrundgesetzes. Auch wollen wir nicht, wie groß auch der Reichthum der Colonien seyn mag, daß ungewisse Einnahmen die alleinige Garantie gegen einen Bankerott bilden; nicht durch Anleihen, sondern durch Ersparnisse wollen wir das Deficit decken. Die Krone machte anfangs einige Concessionen. Sie ließ der Kammer antworten: der König werde, als Modification des Art. 60, der Kammer alljährlich von dem Ueberschuß der Einnahme der Colonien Rechnung ablegen, und durch ein besonderes Gesetz solle über diesen Ueberschuß verfügt werden. Auch werde im Laufe der Session ein Gesetzesentwurf vorgelegt werden zur Unterdrückung des Tilgungssyndicats. Die Kammer war aber dadurch noch nicht befriedigt. Wir wollen, sagte sie, Garantien für die Zukunft. Wir haben zwar in den König Wilhelm alles Vertrauen, wir wollen aber nicht der Willkür seiner Nachfolger eine so gefährliche Gewalt überlassen. Wir verlangen eine Unterdrückung des Art. 60, und da derselbe einen Theil der Constitution ausmacht und nur auf gesetzlichem Wege beseitigt werden kann, so verlangen wir die Revision des Staatsgrundgesetzes. Vergebens erklärte der Finanzminister öffentlich, daß die Verwerfung des Gesetzesentwurfs ein erster Schritt zu einem Bankerott sey; vergebens kündigte der Minister der Colonien, General van den Bosch, an, er werde genöthigt seyn, die Leitung des Departements, welchem er vierzig Jahre seines Lebens gewidmet, zu verlassen, weil es ihm unmöglich würde, die widerstreitenden Meinungen des Königs und der Kammer zu vereinigen. Alle diese Worte schreckten die Kammer nicht zurück, und eine starke Majorität verwarf den Entwurf. Nach diesem Vorfall glaubte man, der König werde ein neues Finanzsystem für 1840 vorlegen. Aber man vergaß dabei den Charakter des Königs Wilhelm. Unmittelbar nach der Verwerfung seines ersten Gesetzesentwurfs ließ er einen zweiten vorlegen, nach welchem eine neue Schuld von 16 Millionen Gulden auf das große Buch geschrieben werden sollte. Man wollte also durch Creirung einer ewigen Schuld den Entwurf der Anleihe auf die Colonien ersetzen. Die Kammer erwiederte die königliche Beharrlichkeit durch gleiche Hartnäckigkeit, und am Ende wurde das Budget für 1840 einstimmig verworfen. – Der letzte gesetzliche Schritt ist somit in Holland geschehen. Weiter kann man nicht gehen ohne eine Revolution. Nicht von einer Finanzfrage handelt es sich dort, sondern von einer radicalen Reform der Constitution. Es wurden in dieser Discussion als Grundfragen aufgeregt: das Princip der ministeriellen Verantwortlichkeit, das Recht der Initiative für die Kammern und directe Wahlen. Es ist dieß ein Ereigniß von hoher Bedeutung. ...
Amsterdam, 27 Dec. Im Handelsblad liest man: „In Brüsseler und Pariser Zeitungen befinden sich Privatmittheilungen, angeblich aus dem Haag, über einen Volksauflauf im Westende dieser Residenz, über eine Bekanntmachung des Bürgermeisters, der die Einwohner zur Ruhe auffordert, und über das Einwerfen der Fenster bei dem Bürgermeister in Amsterdam u. s. w. – Nachrichten, die wir mit Stillschweigen übergehen würden, wenn nicht zu gleicher Zeit in jenen Mittheilungen von einem Zustande der Spannung die Rede wäre, der in diesem Augenblick in den Niederlanden herrschen soll. Für niederländische Leser wird es genügen, dieser Mittheilung belgischer Blätter zu erwähnen, um ein mitleidiges Achselzucken bei ihnen zu erregen; für den Ausländer jedoch, der das Verhältniß unsrer gegenwärtigen Lage weniger kennt, scheint eine Berichtigung nothwendig. Es herrscht in Niederland nichts weniger als eine Spannung der Gemüther. Das Einzige, was vorhanden, ist über einige Punkte eine Differenz zwischen der Regierung und der Landes-Vertretung – eine Differenz, zu der die unglückselige belgische Revolution und ihre traurigen Folgen Anlaß gaben. Diese Differenz wird und muß binnen kurzem ausgeglichen seyn. In keinem Falle aber wird dieselbe außerhalb des Sitzungssaales der Generalstaaten fortgeführt werden. Die niederländische Nation überläßt vertrauungsvoll und ruhig den Staatsgewalten die Sorge für ihr Interesse. Französische und belgische Zeitungen mögen, wenn diese Staats-Gewalten bei ihnen aufhören vollkommen einig zu seyn, von Aufstand und Abfall träumen; der ruhige besonnene Niederländer aber hat einen Abscheu vor allen Volksdemonstrationen, die sehr oft zur Zerstörung, niemals aber zur Erhöhung der Volkswohlfahrt führen.“
*✝ Aus dem Haag, 30 Dec. Der diesseitige Gesandte am k. französischen Hofe, Baron Fagel, ist nach Paris abgereist. – Gestern sprach man davon, daß die Regierung schon in heutiger Sitzung der zweiten Kammer der Generalstaaten einen Gesetzesentwurf bezüglich der Revision des Grundgesetzes vorlegen wolle.
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