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Allgemeine Zeitung. Nr. 9. Augsburg, 9. Januar 1840.

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Zeitungen - voraus der Erzähler - vermehren das Mißtrauen auf das emsigste durch unermüdete Entstellungen und falsche Nachrichten. Im Wallis drängen inzwischen die Elemente auseinander. Die deutsche Bevölkerung des Oberwallis findet sich behaglicher bei den althergebrachten Einrichtungen und will sich nicht fügen unter die Herrschaft der neuern Ideen des Unterwallis. Dieses steht unter dem Einflusse der französischen Staatstheorie und will sich nicht zurückhalten lassen durch die Oberwalliser. Wie weit dasselbe in dieser Richtung geht, zeigt am besten die Bestimmung der neuen Verfassung vom 3 Aug. 1839, daß die Mitglieder der Regierung nicht Sitz noch Stimme haben dürfen im Großen Rathe: das n einem Alpenthale, das überaus arm ist an Männern, welche sich auch nur einigermaßen auf Staatsgeschäfte verstehen. Nur in der Mitte des Wallis - vorzüglich in Sitten und dessen Umgegend, da wo früher der Mittelpunkt beider Bevölkerungen war - ist das vereinigende zusammenhaltende Element noch stark. Nur von da aus und durch die Geistlichkeit, deren Bischof wieder in Sitten residirt, ist eine Vereinigung noch möglich. Was wird nun aber die Tagsatzung dazu sagen? Wird sie auch da zwei Halbkantone zulassen, bloß um sich die Schwierigkeit des Nachdenkens und einen kräftigen Entschluß zu ersparen? Wir zweifeln. Denn politisch muß der Kanton dem Bunde gegenüber in seiner Einheit verbleiben. Nicht bloß das Wallis, die ganze Schweiz ist sehr dabei interessirt, daß nicht eine fortwährende Zerbröckelung unausweichlichen Untergang nach sich ziehe. Und doch wird nichts Anderes übrig bleiben, als Vermittlung, bis das Ziel erreicht seyn wird und wieder ein Kanton Wallis dasteht, mit einer Verfassung, in der die divergirenden Interessen beider Theile gewahrt seyn werden. Denn dem Unterwallis die Verfassung von 1815 von Bundes wegen aufzudringen ist eben so unmöglich und unzulässig als dem Oberwallis die Verfassung vom 3 August 1839 aufzuhalsen.

Deutschland.

In der Mitte des November ist in diesem Jahre der Landtag zu Sternberg eröffnet, und, wie man erfährt, sehr zahlreich besucht worden. Wahrscheinlich wird die Dauer desselben bis gegen Weihnachten sich erstrecken, da wohl noch nie so viele wichtige Gegenstände zur Verhandlung vorgelegen haben, so daß man deren Resultate mit der größten Spannung erwartet. Darunter sind besonders die Gesetzesentwürfe über den Beweis im Criminalproceß, über den Gerichtsstand des begangenen Verbrechens und über Jagdbeeinträchtigungen, über Paßwesen und Einrichtung der Wanderbücher zu zählen. Nicht minder interessant ist der vom Landesherrn ausgegangene Vorschlag zu einer Veränderung der Branntwein- und Biersteuer. Es ist nicht zu verkennen, daß besonders durch die Einführung des Kartoffelbranntweins und die dadurch entstandene Wohlfeilheit dieses Products die Consumtion desselben zu einer unerhörten Höhe gestiegen, daß durch dessen zu häufigen und übertriebenen Genuß die Bande der geselligen Ordnung sehr locker gemacht sind, und die geringere Classe sehr demoralisirt zu werden anfängt. Leider aber hört man schon, daß für dießmal über diesen so wichtigen Punkt wohl kein Beschluß zu Stande kommen werde, weil zu viele Privatinteressen der einzelnen Rittergutsbesitzer dabei concurriren. Endlich ist noch eines zur Berathung vorliegenden Gegenstandes zu erwähnen, nämlich die schon früher besprochene Verlegung des Oberappellationsgerichts von Parchim nach Rostock, worüber vor der Eröffnung und während des Landtags fünf Druckschriften erschienen sind, von denen einige das unerfreuliche Schauspiel gewähren, Männer von bedeutender Stellung und Beruf sich in Privatzänkereien verlieren und dabei einen Ton anstimmen zu sehen, welcher in frühern Zeiten wohl den gelehrten Streitigkeiten eigen seyn mochte, gegenwärtig aber und bei Männern solchen Berufs gar nicht mehr vorkommen sollte. So viel ist gewiß, daß die beiden Landesherrschaften sich entschieden für die Verlegung des Gerichts ausgesprochen, und die allgemeine Stimme sich ebenfalls dafür entschieden hat. Das Corps der Ritterschaft hat eine Summe von 25,000 Rthlr. dazu bewilligt, und nur die Landschaft hat bisher einen ihr zugemutheten Beitrag entschieden abgelehnt. - Der Kampf der bürgerlichen Gutsbesitzer gegen die eingeborenen und recipirten adeligen Rittergutsbesitzer, welcher besonders auf dem vorjährigen Landtag wegen Theilnahme an mehreren Prärogativen und Berechtigungen ausbrach, die bis dahin von letztern für sich allein in Anspruch genommen und besessen wurden, ist auch dießmal wieder angeregt, jedoch mit gleich wenig günstigem Erfolg wie früher. Eine Aenderung der bisherigen Zustände möchte wohl wünschenswerth erscheinen, um so mehr als die Zahl der bürgerlichen Gutseigenthümer der der adeligen ziemlich gleich steht, und es sehr zweifelhaft erscheinen dürfte, ob die streitigen und in Anspruch genommenen Bevorrechtungen an die Persönlichkeit und nicht vielmehr an den Grundbesitz geknüpft sind. Aber so, wie es bisher versucht worden, eine Aenderung de facto dürfte wohl nie statt finden können. So soll auch eine von den bürgerlichen Rittergutsbesitzern an den Großherzog abgesendete Deputation, welche die Untersuchung ihrer Ansprüche von Seite des Landesherrn nachzusuchen beabsichtigt, gar nicht angenommen worden seyn, und zwar mit dem Bescheide, daß sie wohl als Privatpersonen zur Audienz gelangen könnten, nicht aber in der angegebenen Qualität, weil kein abgesondertes Corps der bürgerlichen Ritterschaft existire. Wie es heißt, wollen dieselben jetzt einen eigenen Consulenten annehmen und die von ihnen in Anspruch genommenen Prärogative auf dem Wege Rechtens zu erkämpfen suchen. Dieß scheint wohl, wenn keine wünschenswerthe gütliche Vereinbarung unter den streitenden Parteien statt finden kann, der einzig richtig einzuschlagende Weg zu seyn. Auch sind auf dem dießjährigen Landtage wiederum die Landeshülfen zur Erbauung mehrerer kleinen Chausseezüge bewilligt worden, so daß man hoffen darf, daß nach und nach, wenigstens bei den Hauptlandesstraßen, den frühern Klagen der Reisenden über die schlechte Beschaffenheit der Landstraßen in Mecklenburg abgeholfen werden wird. Ueber den von oben her intendirten Bau einer Kunststraße von Schwerin nach Güstrow ist aber bis jetzt noch nichts Genaueres zur Verhandlung gekommen; jedoch ist die Idee immer noch nicht aufgegeben, da dieser Straßenzug eine sehr wünschenswerthe Verbindung des Landes mit Hamburg eröffnen würde. (Oeffentl. Mittheilungen über die Landtagsverhandlungen.)



Zeitungen – voraus der Erzähler – vermehren das Mißtrauen auf das emsigste durch unermüdete Entstellungen und falsche Nachrichten. Im Wallis drängen inzwischen die Elemente auseinander. Die deutsche Bevölkerung des Oberwallis findet sich behaglicher bei den althergebrachten Einrichtungen und will sich nicht fügen unter die Herrschaft der neuern Ideen des Unterwallis. Dieses steht unter dem Einflusse der französischen Staatstheorie und will sich nicht zurückhalten lassen durch die Oberwalliser. Wie weit dasselbe in dieser Richtung geht, zeigt am besten die Bestimmung der neuen Verfassung vom 3 Aug. 1839, daß die Mitglieder der Regierung nicht Sitz noch Stimme haben dürfen im Großen Rathe: das n einem Alpenthale, das überaus arm ist an Männern, welche sich auch nur einigermaßen auf Staatsgeschäfte verstehen. Nur in der Mitte des Wallis – vorzüglich in Sitten und dessen Umgegend, da wo früher der Mittelpunkt beider Bevölkerungen war – ist das vereinigende zusammenhaltende Element noch stark. Nur von da aus und durch die Geistlichkeit, deren Bischof wieder in Sitten residirt, ist eine Vereinigung noch möglich. Was wird nun aber die Tagsatzung dazu sagen? Wird sie auch da zwei Halbkantone zulassen, bloß um sich die Schwierigkeit des Nachdenkens und einen kräftigen Entschluß zu ersparen? Wir zweifeln. Denn politisch muß der Kanton dem Bunde gegenüber in seiner Einheit verbleiben. Nicht bloß das Wallis, die ganze Schweiz ist sehr dabei interessirt, daß nicht eine fortwährende Zerbröckelung unausweichlichen Untergang nach sich ziehe. Und doch wird nichts Anderes übrig bleiben, als Vermittlung, bis das Ziel erreicht seyn wird und wieder ein Kanton Wallis dasteht, mit einer Verfassung, in der die divergirenden Interessen beider Theile gewahrt seyn werden. Denn dem Unterwallis die Verfassung von 1815 von Bundes wegen aufzudringen ist eben so unmöglich und unzulässig als dem Oberwallis die Verfassung vom 3 August 1839 aufzuhalsen.

Deutschland.

In der Mitte des November ist in diesem Jahre der Landtag zu Sternberg eröffnet, und, wie man erfährt, sehr zahlreich besucht worden. Wahrscheinlich wird die Dauer desselben bis gegen Weihnachten sich erstrecken, da wohl noch nie so viele wichtige Gegenstände zur Verhandlung vorgelegen haben, so daß man deren Resultate mit der größten Spannung erwartet. Darunter sind besonders die Gesetzesentwürfe über den Beweis im Criminalproceß, über den Gerichtsstand des begangenen Verbrechens und über Jagdbeeinträchtigungen, über Paßwesen und Einrichtung der Wanderbücher zu zählen. Nicht minder interessant ist der vom Landesherrn ausgegangene Vorschlag zu einer Veränderung der Branntwein- und Biersteuer. Es ist nicht zu verkennen, daß besonders durch die Einführung des Kartoffelbranntweins und die dadurch entstandene Wohlfeilheit dieses Products die Consumtion desselben zu einer unerhörten Höhe gestiegen, daß durch dessen zu häufigen und übertriebenen Genuß die Bande der geselligen Ordnung sehr locker gemacht sind, und die geringere Classe sehr demoralisirt zu werden anfängt. Leider aber hört man schon, daß für dießmal über diesen so wichtigen Punkt wohl kein Beschluß zu Stande kommen werde, weil zu viele Privatinteressen der einzelnen Rittergutsbesitzer dabei concurriren. Endlich ist noch eines zur Berathung vorliegenden Gegenstandes zu erwähnen, nämlich die schon früher besprochene Verlegung des Oberappellationsgerichts von Parchim nach Rostock, worüber vor der Eröffnung und während des Landtags fünf Druckschriften erschienen sind, von denen einige das unerfreuliche Schauspiel gewähren, Männer von bedeutender Stellung und Beruf sich in Privatzänkereien verlieren und dabei einen Ton anstimmen zu sehen, welcher in frühern Zeiten wohl den gelehrten Streitigkeiten eigen seyn mochte, gegenwärtig aber und bei Männern solchen Berufs gar nicht mehr vorkommen sollte. So viel ist gewiß, daß die beiden Landesherrschaften sich entschieden für die Verlegung des Gerichts ausgesprochen, und die allgemeine Stimme sich ebenfalls dafür entschieden hat. Das Corps der Ritterschaft hat eine Summe von 25,000 Rthlr. dazu bewilligt, und nur die Landschaft hat bisher einen ihr zugemutheten Beitrag entschieden abgelehnt. – Der Kampf der bürgerlichen Gutsbesitzer gegen die eingeborenen und recipirten adeligen Rittergutsbesitzer, welcher besonders auf dem vorjährigen Landtag wegen Theilnahme an mehreren Prärogativen und Berechtigungen ausbrach, die bis dahin von letztern für sich allein in Anspruch genommen und besessen wurden, ist auch dießmal wieder angeregt, jedoch mit gleich wenig günstigem Erfolg wie früher. Eine Aenderung der bisherigen Zustände möchte wohl wünschenswerth erscheinen, um so mehr als die Zahl der bürgerlichen Gutseigenthümer der der adeligen ziemlich gleich steht, und es sehr zweifelhaft erscheinen dürfte, ob die streitigen und in Anspruch genommenen Bevorrechtungen an die Persönlichkeit und nicht vielmehr an den Grundbesitz geknüpft sind. Aber so, wie es bisher versucht worden, eine Aenderung de facto dürfte wohl nie statt finden können. So soll auch eine von den bürgerlichen Rittergutsbesitzern an den Großherzog abgesendete Deputation, welche die Untersuchung ihrer Ansprüche von Seite des Landesherrn nachzusuchen beabsichtigt, gar nicht angenommen worden seyn, und zwar mit dem Bescheide, daß sie wohl als Privatpersonen zur Audienz gelangen könnten, nicht aber in der angegebenen Qualität, weil kein abgesondertes Corps der bürgerlichen Ritterschaft existire. Wie es heißt, wollen dieselben jetzt einen eigenen Consulenten annehmen und die von ihnen in Anspruch genommenen Prärogative auf dem Wege Rechtens zu erkämpfen suchen. Dieß scheint wohl, wenn keine wünschenswerthe gütliche Vereinbarung unter den streitenden Parteien statt finden kann, der einzig richtig einzuschlagende Weg zu seyn. Auch sind auf dem dießjährigen Landtage wiederum die Landeshülfen zur Erbauung mehrerer kleinen Chausseezüge bewilligt worden, so daß man hoffen darf, daß nach und nach, wenigstens bei den Hauptlandesstraßen, den frühern Klagen der Reisenden über die schlechte Beschaffenheit der Landstraßen in Mecklenburg abgeholfen werden wird. Ueber den von oben her intendirten Bau einer Kunststraße von Schwerin nach Güstrow ist aber bis jetzt noch nichts Genaueres zur Verhandlung gekommen; jedoch ist die Idee immer noch nicht aufgegeben, da dieser Straßenzug eine sehr wünschenswerthe Verbindung des Landes mit Hamburg eröffnen würde. (Oeffentl. Mittheilungen über die Landtagsverhandlungen.)


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[0070/0012] Zeitungen – voraus der Erzähler – vermehren das Mißtrauen auf das emsigste durch unermüdete Entstellungen und falsche Nachrichten. Im Wallis drängen inzwischen die Elemente auseinander. Die deutsche Bevölkerung des Oberwallis findet sich behaglicher bei den althergebrachten Einrichtungen und will sich nicht fügen unter die Herrschaft der neuern Ideen des Unterwallis. Dieses steht unter dem Einflusse der französischen Staatstheorie und will sich nicht zurückhalten lassen durch die Oberwalliser. Wie weit dasselbe in dieser Richtung geht, zeigt am besten die Bestimmung der neuen Verfassung vom 3 Aug. 1839, daß die Mitglieder der Regierung nicht Sitz noch Stimme haben dürfen im Großen Rathe: das n einem Alpenthale, das überaus arm ist an Männern, welche sich auch nur einigermaßen auf Staatsgeschäfte verstehen. Nur in der Mitte des Wallis – vorzüglich in Sitten und dessen Umgegend, da wo früher der Mittelpunkt beider Bevölkerungen war – ist das vereinigende zusammenhaltende Element noch stark. Nur von da aus und durch die Geistlichkeit, deren Bischof wieder in Sitten residirt, ist eine Vereinigung noch möglich. Was wird nun aber die Tagsatzung dazu sagen? Wird sie auch da zwei Halbkantone zulassen, bloß um sich die Schwierigkeit des Nachdenkens und einen kräftigen Entschluß zu ersparen? Wir zweifeln. Denn politisch muß der Kanton dem Bunde gegenüber in seiner Einheit verbleiben. Nicht bloß das Wallis, die ganze Schweiz ist sehr dabei interessirt, daß nicht eine fortwährende Zerbröckelung unausweichlichen Untergang nach sich ziehe. Und doch wird nichts Anderes übrig bleiben, als Vermittlung, bis das Ziel erreicht seyn wird und wieder ein Kanton Wallis dasteht, mit einer Verfassung, in der die divergirenden Interessen beider Theile gewahrt seyn werden. Denn dem Unterwallis die Verfassung von 1815 von Bundes wegen aufzudringen ist eben so unmöglich und unzulässig als dem Oberwallis die Verfassung vom 3 August 1839 aufzuhalsen. Deutschland. Aus Mecklenburg, 16 Dec. In der Mitte des November ist in diesem Jahre der Landtag zu Sternberg eröffnet, und, wie man erfährt, sehr zahlreich besucht worden. Wahrscheinlich wird die Dauer desselben bis gegen Weihnachten sich erstrecken, da wohl noch nie so viele wichtige Gegenstände zur Verhandlung vorgelegen haben, so daß man deren Resultate mit der größten Spannung erwartet. Darunter sind besonders die Gesetzesentwürfe über den Beweis im Criminalproceß, über den Gerichtsstand des begangenen Verbrechens und über Jagdbeeinträchtigungen, über Paßwesen und Einrichtung der Wanderbücher zu zählen. Nicht minder interessant ist der vom Landesherrn ausgegangene Vorschlag zu einer Veränderung der Branntwein- und Biersteuer. Es ist nicht zu verkennen, daß besonders durch die Einführung des Kartoffelbranntweins und die dadurch entstandene Wohlfeilheit dieses Products die Consumtion desselben zu einer unerhörten Höhe gestiegen, daß durch dessen zu häufigen und übertriebenen Genuß die Bande der geselligen Ordnung sehr locker gemacht sind, und die geringere Classe sehr demoralisirt zu werden anfängt. Leider aber hört man schon, daß für dießmal über diesen so wichtigen Punkt wohl kein Beschluß zu Stande kommen werde, weil zu viele Privatinteressen der einzelnen Rittergutsbesitzer dabei concurriren. Endlich ist noch eines zur Berathung vorliegenden Gegenstandes zu erwähnen, nämlich die schon früher besprochene Verlegung des Oberappellationsgerichts von Parchim nach Rostock, worüber vor der Eröffnung und während des Landtags fünf Druckschriften erschienen sind, von denen einige das unerfreuliche Schauspiel gewähren, Männer von bedeutender Stellung und Beruf sich in Privatzänkereien verlieren und dabei einen Ton anstimmen zu sehen, welcher in frühern Zeiten wohl den gelehrten Streitigkeiten eigen seyn mochte, gegenwärtig aber und bei Männern solchen Berufs gar nicht mehr vorkommen sollte. So viel ist gewiß, daß die beiden Landesherrschaften sich entschieden für die Verlegung des Gerichts ausgesprochen, und die allgemeine Stimme sich ebenfalls dafür entschieden hat. Das Corps der Ritterschaft hat eine Summe von 25,000 Rthlr. dazu bewilligt, und nur die Landschaft hat bisher einen ihr zugemutheten Beitrag entschieden abgelehnt. – Der Kampf der bürgerlichen Gutsbesitzer gegen die eingeborenen und recipirten adeligen Rittergutsbesitzer, welcher besonders auf dem vorjährigen Landtag wegen Theilnahme an mehreren Prärogativen und Berechtigungen ausbrach, die bis dahin von letztern für sich allein in Anspruch genommen und besessen wurden, ist auch dießmal wieder angeregt, jedoch mit gleich wenig günstigem Erfolg wie früher. Eine Aenderung der bisherigen Zustände möchte wohl wünschenswerth erscheinen, um so mehr als die Zahl der bürgerlichen Gutseigenthümer der der adeligen ziemlich gleich steht, und es sehr zweifelhaft erscheinen dürfte, ob die streitigen und in Anspruch genommenen Bevorrechtungen an die Persönlichkeit und nicht vielmehr an den Grundbesitz geknüpft sind. Aber so, wie es bisher versucht worden, eine Aenderung de facto dürfte wohl nie statt finden können. So soll auch eine von den bürgerlichen Rittergutsbesitzern an den Großherzog abgesendete Deputation, welche die Untersuchung ihrer Ansprüche von Seite des Landesherrn nachzusuchen beabsichtigt, gar nicht angenommen worden seyn, und zwar mit dem Bescheide, daß sie wohl als Privatpersonen zur Audienz gelangen könnten, nicht aber in der angegebenen Qualität, weil kein abgesondertes Corps der bürgerlichen Ritterschaft existire. Wie es heißt, wollen dieselben jetzt einen eigenen Consulenten annehmen und die von ihnen in Anspruch genommenen Prärogative auf dem Wege Rechtens zu erkämpfen suchen. Dieß scheint wohl, wenn keine wünschenswerthe gütliche Vereinbarung unter den streitenden Parteien statt finden kann, der einzig richtig einzuschlagende Weg zu seyn. Auch sind auf dem dießjährigen Landtage wiederum die Landeshülfen zur Erbauung mehrerer kleinen Chausseezüge bewilligt worden, so daß man hoffen darf, daß nach und nach, wenigstens bei den Hauptlandesstraßen, den frühern Klagen der Reisenden über die schlechte Beschaffenheit der Landstraßen in Mecklenburg abgeholfen werden wird. Ueber den von oben her intendirten Bau einer Kunststraße von Schwerin nach Güstrow ist aber bis jetzt noch nichts Genaueres zur Verhandlung gekommen; jedoch ist die Idee immer noch nicht aufgegeben, da dieser Straßenzug eine sehr wünschenswerthe Verbindung des Landes mit Hamburg eröffnen würde. (Oeffentl. Mittheilungen über die Landtagsverhandlungen.)

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 9. Augsburg, 9. Januar 1840, S. 0070. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_009_18400109/12>, abgerufen am 28.04.2024.