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Allgemeine Zeitung. Nr. 9. Augsburg, 9. Januar 1840.

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Welt dem Christenthum zur Last. Und doch das Haupt dieser atheistischen Secte (R. Owen) ward, Angesichts von ganz England, unserer jungen arglosen Königin durch Lord Melbourne vorgestellt!" (Der Herald malt offenbar zu sehr ins Schwarze. Owens Lehre von ihrer religiösen Seite ist, mit geringen Modificationen, die der Socinianer oder Unitarier, d. h. ein nüchterner christlicher Theismus, der die kirchliche Lehre von der Trinität nicht anerkennt; ein System der Unsittlichkeit aber, wohin z. B. der Saint-Simonismus mit seinen Consequenzen führen müßte, ist sie nicht.)

Für das Drurylane-Theater wird jetzt ein Trauerspiel, "Maria Stuart," einstudirt. "Es ist," bemerkt der M. Herald, "keine Uebersetzung des Schiller'schen Trauerspiels, wie man gesagt hat, sondern eine Originaldichtung von Hrn. Haynes, der bereits durch mehrere andere dramatische Werke bekannt ist."

Frankreich.

Der König hat dem Metropolitancapitel 12,000 Fr. für die Obsequien des Erzbischofs von Paris geschickt.

Baron Yvan, vormaliger ordentlicher Wundarzt des Kaisers Napoleon und Mitglied der Akademie der Medicin, ist in den letzten Tagen des Decembers in Paris gestorben.

(National.) Man versichert, der König habe am Neujahrstag beim Aufstehen eine Betäubung gefühlt, welche den Aerzten besorglich vorgekommen sey. Die Symptome dieses Uebelseyns sollen sich hauptsächlich bei seiner Antwort auf die Rede des Präsidenten der Deputirtenkammer gezeigt haben.

General Rumigny wird, dem Constitutionnel zufolge, ein Commando in Algier übernehmen und am 8 Jan. von Paris abreisen.

Einem Schreiben des Eclaireur de la Mediterranee aus Oran vom 12 Dec. zufolge war der Ukil Abd-El-Kaders dort fortwährend bewacht, obwohl das Gefolge des französischen Consuls in Mascara von den Franzosen wohlbehalten ausgeliefert worden. - Der Kaiser von Marokko ist in fortwährender Correspondenz mit Abd-El-Kader und seinen Agenten. Kürzlich erhielt der Ukil in Oran einen Brief von ihm, dessen Siegel er küßte, bevor er das Schreiben öffnete. Die Araber sagten, der Kaiser habe den Emir Abd-El-Kader zum Sultan gemacht. Den Marokkanern ist bei Todesstrafe verboten, ihre Schiffe nach französischen Häfen zu führen. Kürzlich ankerte eine Barke sechs Meilen von Mers-El-Kabir mit Waaren. Der marokkanische Capitän wagte aber nicht, in den Hafen einzulaufen, sondern ließ seine Ladung durch ein sardinisches Fahrzeug holen. Eine Karawane, welche kürzlich mit Kriegsmunition von Marokko an den Emir abging, wurde von den Bewohnern der Steppen von Angad geplündert. Abd-El-Kader schickte einen seiner Khalifas ab, um diese Insulte zu rächen.

Die Anreden der öffentlichen Autoritäten an den König bei Gelegenheit ihres Glückwunsches zum neuen Jahr und die darauf erfolgten Antworten sind gestern und heute in allen Pariser Blättern Gegenstand der Auslegung, der Rechtfertigung oder des Angriffs, des Lobes oder Tadels gewesen. Dieses Neujahrschauspiel ist einzig in seiner Art. Zwar sagen die Hofblätter: die Neujahrsfeierlichkeiten gingen nur in absolut regierten Staaten unter banalen Phrasen von Statten; in constitutionellen benützten die öffentlichen Autoritäten diese Gelegenheit, ihre politischen Gesinnungen und Ansichten auszusprechen. Diese Sentenz, die von den Oppositionsblättern als baare Münze hingenommen wird, ist indessen eine grundfalsche. Das englische Oberhaus dürfte wohl dem Mann auf dem Wollsack schlechten Dank wissen, wenn er sich erlaubte, ohne besondern Auftrag die politischen Gesinnungen der Lords gegen die Königin auszusprechen, und die Königin von England wird sich wohl hüten, am Neujahrstage die Mitglieder des Unterhauses zu warnen, sie sollten sich nicht in Parteien zusammenthun, nicht zum voraus Verbindlichkeiten eingehen, sondern einzig nach ihren individuellen Ueberzeugungen stimmen und handeln. Wir wollen nicht entscheiden, ob solcher Austausch von politischen Ansichten, Andeutungen, Anspielungen, Censuren und Lobesertheilungen nützlich oder schädlich, passend oder unpassend sey, zur constitutionellen Ordnung aber gehört er ganz gewiß nicht. Im Gegentheil, dieser Neujahrverkehr, wie er hier vor uns liegt, beweist, mehr als alle andern Anzeichen der neuern Zeit, daß in Frankreich kein selbstständiges Oberhaus besteht wie in England, daß die französische Deputirtenkammer keinen entschiedenen Charakter hat, wie das englische Haus der Gemeinen, und daß die executiven Gewalten in Frankreich und England zwei ganz verschiedene Dinge sind. Offenbar hat an diesen Antworten das beharrliche System sein Programm ausgesprochen. Man wird in den Wegen wandeln, auf welchen man seit neun Jahren gewandelt, und zu einem so schönen Ziele gelangt ist. Nur von dem Aufhören der Parteien in der Kammer, von der Anschließung der Individuen an die das Wohl des Landes befördernde Gewalt ist Heil zu erwarten; die Preßmißbräuche müssen unterdrückt werden. Die Opposition ereifert sich höchlich über diese Sprache, die sie der constitutionellen Fiction zufolge den Ministern zuschreibt. Man läßt ihr das unschuldige Vergnügen des Fingirens, und begnügt sich mit dem Bewußtseyn, daß man das Heft in der Hand hat, und die Mittel besitzt, alle Umtriebe gegen die persönliche Regierung zu vereiteln. Im Uebrigen weist dieses Programm auf eine Hinneigung des Systems zu Hrn. Guizot, dessen Pedanterei einer obersten Person zwar immer zuwider bleiben wird, in dem man aber neuerlich wieder köstliche Eigenschaften zu Bildung und Kräftigung einer Regierung im Sinne des Systems entdeckt hat.

Das Dampfboot von Algier ist noch nicht angekommen. Heute ankerte das Paketboot Acheron, welches Stora am 29 Dec. verlassen hatte, auf unserer Rhede. Auf keinem Punkt der Provinz Constantine sind bis jetzt Feindseligkeiten ausgebrochen. Die Seuchen haben nachgelassen und die Zahl der Kranken in den Spitälern von Philippeville und den Lagern der Umgegend nahm immer mehr ab. Man verdankt dieß theils dem schönen Wetter, theils der bessern Pflege, welche die Soldaten erhalten, seitdem der Herzog von Orleans die Provinz besuchte. Die Befestigungsarbeiten von Philippeville werden fortgesetzt; 200 Kabylen sind dabei beschäftigt und scheinen sehr zufrieden mit ihrem Loos. - Das Paketboot aus der Levante ist dießmal früher eingetroffen, als man erwartet hatte. Die Nachrichten aus Vurla reichen bis zum 20 Dec. Beide Escadren hatten dort fortwährend die gleichen Ankerplätze. Zwischen den Mannschaften der zwei Nationen ist aber eine auffallende Kälte eingetreten. Früher gab man sich beständig Feste, Diners, Bälle; jetzt sieht man sich gegenseitig kaum, und denkt noch weniger daran, einander einzuladen. Jeder bleibt auf seinem Schiff. Am 25 Dec. sollten die Linienschiffe Genereur und Triton nach Frankreich unter Segel gehen.

Niederlande.

Unser heutiges Handelsblatt enthält unter der Ueberschrift: "Revision des Grundgesetzes," folgenden Artikel: "Wie wenig man auch von dem durch die Regierung vorzulegenden Entwurf in Betreff der Revision des Grundgesetzes erwartet haben mag, einen so magern Entwurf, wie


Welt dem Christenthum zur Last. Und doch das Haupt dieser atheistischen Secte (R. Owen) ward, Angesichts von ganz England, unserer jungen arglosen Königin durch Lord Melbourne vorgestellt!“ (Der Herald malt offenbar zu sehr ins Schwarze. Owens Lehre von ihrer religiösen Seite ist, mit geringen Modificationen, die der Socinianer oder Unitarier, d. h. ein nüchterner christlicher Theismus, der die kirchliche Lehre von der Trinität nicht anerkennt; ein System der Unsittlichkeit aber, wohin z. B. der Saint-Simonismus mit seinen Consequenzen führen müßte, ist sie nicht.)

Für das Drurylane-Theater wird jetzt ein Trauerspiel, „Maria Stuart,“ einstudirt. „Es ist,“ bemerkt der M. Herald, „keine Uebersetzung des Schiller'schen Trauerspiels, wie man gesagt hat, sondern eine Originaldichtung von Hrn. Haynes, der bereits durch mehrere andere dramatische Werke bekannt ist.“

Frankreich.

Der König hat dem Metropolitancapitel 12,000 Fr. für die Obsequien des Erzbischofs von Paris geschickt.

Baron Yvan, vormaliger ordentlicher Wundarzt des Kaisers Napoleon und Mitglied der Akademie der Medicin, ist in den letzten Tagen des Decembers in Paris gestorben.

(National.) Man versichert, der König habe am Neujahrstag beim Aufstehen eine Betäubung gefühlt, welche den Aerzten besorglich vorgekommen sey. Die Symptome dieses Uebelseyns sollen sich hauptsächlich bei seiner Antwort auf die Rede des Präsidenten der Deputirtenkammer gezeigt haben.

General Rumigny wird, dem Constitutionnel zufolge, ein Commando in Algier übernehmen und am 8 Jan. von Paris abreisen.

Einem Schreiben des Eclaireur de la Mediterranée aus Oran vom 12 Dec. zufolge war der Ukil Abd-El-Kaders dort fortwährend bewacht, obwohl das Gefolge des französischen Consuls in Mascara von den Franzosen wohlbehalten ausgeliefert worden. – Der Kaiser von Marokko ist in fortwährender Correspondenz mit Abd-El-Kader und seinen Agenten. Kürzlich erhielt der Ukil in Oran einen Brief von ihm, dessen Siegel er küßte, bevor er das Schreiben öffnete. Die Araber sagten, der Kaiser habe den Emir Abd-El-Kader zum Sultan gemacht. Den Marokkanern ist bei Todesstrafe verboten, ihre Schiffe nach französischen Häfen zu führen. Kürzlich ankerte eine Barke sechs Meilen von Mers-El-Kabir mit Waaren. Der marokkanische Capitän wagte aber nicht, in den Hafen einzulaufen, sondern ließ seine Ladung durch ein sardinisches Fahrzeug holen. Eine Karawane, welche kürzlich mit Kriegsmunition von Marokko an den Emir abging, wurde von den Bewohnern der Steppen von Angad geplündert. Abd-El-Kader schickte einen seiner Khalifas ab, um diese Insulte zu rächen.

Die Anreden der öffentlichen Autoritäten an den König bei Gelegenheit ihres Glückwunsches zum neuen Jahr und die darauf erfolgten Antworten sind gestern und heute in allen Pariser Blättern Gegenstand der Auslegung, der Rechtfertigung oder des Angriffs, des Lobes oder Tadels gewesen. Dieses Neujahrschauspiel ist einzig in seiner Art. Zwar sagen die Hofblätter: die Neujahrsfeierlichkeiten gingen nur in absolut regierten Staaten unter banalen Phrasen von Statten; in constitutionellen benützten die öffentlichen Autoritäten diese Gelegenheit, ihre politischen Gesinnungen und Ansichten auszusprechen. Diese Sentenz, die von den Oppositionsblättern als baare Münze hingenommen wird, ist indessen eine grundfalsche. Das englische Oberhaus dürfte wohl dem Mann auf dem Wollsack schlechten Dank wissen, wenn er sich erlaubte, ohne besondern Auftrag die politischen Gesinnungen der Lords gegen die Königin auszusprechen, und die Königin von England wird sich wohl hüten, am Neujahrstage die Mitglieder des Unterhauses zu warnen, sie sollten sich nicht in Parteien zusammenthun, nicht zum voraus Verbindlichkeiten eingehen, sondern einzig nach ihren individuellen Ueberzeugungen stimmen und handeln. Wir wollen nicht entscheiden, ob solcher Austausch von politischen Ansichten, Andeutungen, Anspielungen, Censuren und Lobesertheilungen nützlich oder schädlich, passend oder unpassend sey, zur constitutionellen Ordnung aber gehört er ganz gewiß nicht. Im Gegentheil, dieser Neujahrverkehr, wie er hier vor uns liegt, beweist, mehr als alle andern Anzeichen der neuern Zeit, daß in Frankreich kein selbstständiges Oberhaus besteht wie in England, daß die französische Deputirtenkammer keinen entschiedenen Charakter hat, wie das englische Haus der Gemeinen, und daß die executiven Gewalten in Frankreich und England zwei ganz verschiedene Dinge sind. Offenbar hat an diesen Antworten das beharrliche System sein Programm ausgesprochen. Man wird in den Wegen wandeln, auf welchen man seit neun Jahren gewandelt, und zu einem so schönen Ziele gelangt ist. Nur von dem Aufhören der Parteien in der Kammer, von der Anschließung der Individuen an die das Wohl des Landes befördernde Gewalt ist Heil zu erwarten; die Preßmißbräuche müssen unterdrückt werden. Die Opposition ereifert sich höchlich über diese Sprache, die sie der constitutionellen Fiction zufolge den Ministern zuschreibt. Man läßt ihr das unschuldige Vergnügen des Fingirens, und begnügt sich mit dem Bewußtseyn, daß man das Heft in der Hand hat, und die Mittel besitzt, alle Umtriebe gegen die persönliche Regierung zu vereiteln. Im Uebrigen weist dieses Programm auf eine Hinneigung des Systems zu Hrn. Guizot, dessen Pedanterei einer obersten Person zwar immer zuwider bleiben wird, in dem man aber neuerlich wieder köstliche Eigenschaften zu Bildung und Kräftigung einer Regierung im Sinne des Systems entdeckt hat.

Das Dampfboot von Algier ist noch nicht angekommen. Heute ankerte das Paketboot Acheron, welches Stora am 29 Dec. verlassen hatte, auf unserer Rhede. Auf keinem Punkt der Provinz Constantine sind bis jetzt Feindseligkeiten ausgebrochen. Die Seuchen haben nachgelassen und die Zahl der Kranken in den Spitälern von Philippeville und den Lagern der Umgegend nahm immer mehr ab. Man verdankt dieß theils dem schönen Wetter, theils der bessern Pflege, welche die Soldaten erhalten, seitdem der Herzog von Orleans die Provinz besuchte. Die Befestigungsarbeiten von Philippeville werden fortgesetzt; 200 Kabylen sind dabei beschäftigt und scheinen sehr zufrieden mit ihrem Loos. – Das Paketboot aus der Levante ist dießmal früher eingetroffen, als man erwartet hatte. Die Nachrichten aus Vurla reichen bis zum 20 Dec. Beide Escadren hatten dort fortwährend die gleichen Ankerplätze. Zwischen den Mannschaften der zwei Nationen ist aber eine auffallende Kälte eingetreten. Früher gab man sich beständig Feste, Diners, Bälle; jetzt sieht man sich gegenseitig kaum, und denkt noch weniger daran, einander einzuladen. Jeder bleibt auf seinem Schiff. Am 25 Dec. sollten die Linienschiffe Généreur und Triton nach Frankreich unter Segel gehen.

Niederlande.

Unser heutiges Handelsblatt enthält unter der Ueberschrift: „Revision des Grundgesetzes,“ folgenden Artikel: „Wie wenig man auch von dem durch die Regierung vorzulegenden Entwurf in Betreff der Revision des Grundgesetzes erwartet haben mag, einen so magern Entwurf, wie

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[0067/0003] Welt dem Christenthum zur Last. Und doch das Haupt dieser atheistischen Secte (R. Owen) ward, Angesichts von ganz England, unserer jungen arglosen Königin durch Lord Melbourne vorgestellt!“ (Der Herald malt offenbar zu sehr ins Schwarze. Owens Lehre von ihrer religiösen Seite ist, mit geringen Modificationen, die der Socinianer oder Unitarier, d. h. ein nüchterner christlicher Theismus, der die kirchliche Lehre von der Trinität nicht anerkennt; ein System der Unsittlichkeit aber, wohin z. B. der Saint-Simonismus mit seinen Consequenzen führen müßte, ist sie nicht.) Für das Drurylane-Theater wird jetzt ein Trauerspiel, „Maria Stuart,“ einstudirt. „Es ist,“ bemerkt der M. Herald, „keine Uebersetzung des Schiller'schen Trauerspiels, wie man gesagt hat, sondern eine Originaldichtung von Hrn. Haynes, der bereits durch mehrere andere dramatische Werke bekannt ist.“ Frankreich. Paris, 4 Jan. Der König hat dem Metropolitancapitel 12,000 Fr. für die Obsequien des Erzbischofs von Paris geschickt. Baron Yvan, vormaliger ordentlicher Wundarzt des Kaisers Napoleon und Mitglied der Akademie der Medicin, ist in den letzten Tagen des Decembers in Paris gestorben. (National.) Man versichert, der König habe am Neujahrstag beim Aufstehen eine Betäubung gefühlt, welche den Aerzten besorglich vorgekommen sey. Die Symptome dieses Uebelseyns sollen sich hauptsächlich bei seiner Antwort auf die Rede des Präsidenten der Deputirtenkammer gezeigt haben. General Rumigny wird, dem Constitutionnel zufolge, ein Commando in Algier übernehmen und am 8 Jan. von Paris abreisen. Einem Schreiben des Eclaireur de la Mediterranée aus Oran vom 12 Dec. zufolge war der Ukil Abd-El-Kaders dort fortwährend bewacht, obwohl das Gefolge des französischen Consuls in Mascara von den Franzosen wohlbehalten ausgeliefert worden. – Der Kaiser von Marokko ist in fortwährender Correspondenz mit Abd-El-Kader und seinen Agenten. Kürzlich erhielt der Ukil in Oran einen Brief von ihm, dessen Siegel er küßte, bevor er das Schreiben öffnete. Die Araber sagten, der Kaiser habe den Emir Abd-El-Kader zum Sultan gemacht. Den Marokkanern ist bei Todesstrafe verboten, ihre Schiffe nach französischen Häfen zu führen. Kürzlich ankerte eine Barke sechs Meilen von Mers-El-Kabir mit Waaren. Der marokkanische Capitän wagte aber nicht, in den Hafen einzulaufen, sondern ließ seine Ladung durch ein sardinisches Fahrzeug holen. Eine Karawane, welche kürzlich mit Kriegsmunition von Marokko an den Emir abging, wurde von den Bewohnern der Steppen von Angad geplündert. Abd-El-Kader schickte einen seiner Khalifas ab, um diese Insulte zu rächen. △ Paris, 4 Jan. Die Anreden der öffentlichen Autoritäten an den König bei Gelegenheit ihres Glückwunsches zum neuen Jahr und die darauf erfolgten Antworten sind gestern und heute in allen Pariser Blättern Gegenstand der Auslegung, der Rechtfertigung oder des Angriffs, des Lobes oder Tadels gewesen. Dieses Neujahrschauspiel ist einzig in seiner Art. Zwar sagen die Hofblätter: die Neujahrsfeierlichkeiten gingen nur in absolut regierten Staaten unter banalen Phrasen von Statten; in constitutionellen benützten die öffentlichen Autoritäten diese Gelegenheit, ihre politischen Gesinnungen und Ansichten auszusprechen. Diese Sentenz, die von den Oppositionsblättern als baare Münze hingenommen wird, ist indessen eine grundfalsche. Das englische Oberhaus dürfte wohl dem Mann auf dem Wollsack schlechten Dank wissen, wenn er sich erlaubte, ohne besondern Auftrag die politischen Gesinnungen der Lords gegen die Königin auszusprechen, und die Königin von England wird sich wohl hüten, am Neujahrstage die Mitglieder des Unterhauses zu warnen, sie sollten sich nicht in Parteien zusammenthun, nicht zum voraus Verbindlichkeiten eingehen, sondern einzig nach ihren individuellen Ueberzeugungen stimmen und handeln. Wir wollen nicht entscheiden, ob solcher Austausch von politischen Ansichten, Andeutungen, Anspielungen, Censuren und Lobesertheilungen nützlich oder schädlich, passend oder unpassend sey, zur constitutionellen Ordnung aber gehört er ganz gewiß nicht. Im Gegentheil, dieser Neujahrverkehr, wie er hier vor uns liegt, beweist, mehr als alle andern Anzeichen der neuern Zeit, daß in Frankreich kein selbstständiges Oberhaus besteht wie in England, daß die französische Deputirtenkammer keinen entschiedenen Charakter hat, wie das englische Haus der Gemeinen, und daß die executiven Gewalten in Frankreich und England zwei ganz verschiedene Dinge sind. Offenbar hat an diesen Antworten das beharrliche System sein Programm ausgesprochen. Man wird in den Wegen wandeln, auf welchen man seit neun Jahren gewandelt, und zu einem so schönen Ziele gelangt ist. Nur von dem Aufhören der Parteien in der Kammer, von der Anschließung der Individuen an die das Wohl des Landes befördernde Gewalt ist Heil zu erwarten; die Preßmißbräuche müssen unterdrückt werden. Die Opposition ereifert sich höchlich über diese Sprache, die sie der constitutionellen Fiction zufolge den Ministern zuschreibt. Man läßt ihr das unschuldige Vergnügen des Fingirens, und begnügt sich mit dem Bewußtseyn, daß man das Heft in der Hand hat, und die Mittel besitzt, alle Umtriebe gegen die persönliche Regierung zu vereiteln. Im Uebrigen weist dieses Programm auf eine Hinneigung des Systems zu Hrn. Guizot, dessen Pedanterei einer obersten Person zwar immer zuwider bleiben wird, in dem man aber neuerlich wieder köstliche Eigenschaften zu Bildung und Kräftigung einer Regierung im Sinne des Systems entdeckt hat. * Toulon, 1 Jan. Das Dampfboot von Algier ist noch nicht angekommen. Heute ankerte das Paketboot Acheron, welches Stora am 29 Dec. verlassen hatte, auf unserer Rhede. Auf keinem Punkt der Provinz Constantine sind bis jetzt Feindseligkeiten ausgebrochen. Die Seuchen haben nachgelassen und die Zahl der Kranken in den Spitälern von Philippeville und den Lagern der Umgegend nahm immer mehr ab. Man verdankt dieß theils dem schönen Wetter, theils der bessern Pflege, welche die Soldaten erhalten, seitdem der Herzog von Orleans die Provinz besuchte. Die Befestigungsarbeiten von Philippeville werden fortgesetzt; 200 Kabylen sind dabei beschäftigt und scheinen sehr zufrieden mit ihrem Loos. – Das Paketboot aus der Levante ist dießmal früher eingetroffen, als man erwartet hatte. Die Nachrichten aus Vurla reichen bis zum 20 Dec. Beide Escadren hatten dort fortwährend die gleichen Ankerplätze. Zwischen den Mannschaften der zwei Nationen ist aber eine auffallende Kälte eingetreten. Früher gab man sich beständig Feste, Diners, Bälle; jetzt sieht man sich gegenseitig kaum, und denkt noch weniger daran, einander einzuladen. Jeder bleibt auf seinem Schiff. Am 25 Dec. sollten die Linienschiffe Généreur und Triton nach Frankreich unter Segel gehen. Niederlande. Amsterdam, 1 Jan. Unser heutiges Handelsblatt enthält unter der Ueberschrift: „Revision des Grundgesetzes,“ folgenden Artikel: „Wie wenig man auch von dem durch die Regierung vorzulegenden Entwurf in Betreff der Revision des Grundgesetzes erwartet haben mag, einen so magern Entwurf, wie

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 9. Augsburg, 9. Januar 1840, S. 0067. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_009_18400109/3>, abgerufen am 27.04.2024.