Allgemeine Zeitung. Nr. 11. Augsburg, 11. Januar 1840.
* In der Sitzung der Pairskammer am 6 Jan. waren von den Ministern die HH. Passy, Teste und Schneider anwesend. Zuerst geschah die Aufnahme und Beeidigung des Hrn. Beranger. Sodann begann die Erörterung der Adresse, die von dem Berichterstatter, Hrn. v. Portalis, vorgelesen ward. Während der Verlesung füllte sich die Ministerbank. Man sah unter den Zuhörern die HH. Thiers, Berryer, Odilon-Barrot, Bugeaud, Garnier Pages. Die wichtigsten Stellen des Adreßentwurfs sind folgende: "Sire, der Friede des Orients ist von hoher Bedeutung für die Ruhe und den Handel der Welt. In diesem großen Interesse haben sich die glücklichen Folgen der zwischen Frankreich und Großbritannien zum gemeinschaftlichen Vortheil beider Länder bestehenden Verbindung kürzlich fühlbar gemacht, indem sie den Feindseligkeiten Einhalt thaten, welche die unmittelbare Sicherheit des ottomanischen Reichs compromittiren konnten. Eine erleuchtete und voraussehende Politik räth uns für die Erhaltung und Unabhängigkeit jenes Reichs zu wachen, und wir sehnen uns mit allen unsern Wünschen nach dem Augenblick, wo ihm die Eintracht der großen Mächte die innere Ruhe wieder geben wird. Wir wünschen, daß die Anordnungen, die zur Sicherung derselben getroffen werden, unter gerechter Würdigung der Interessen Frankreichs jene Bedingungen der Dauer enthalten mögen, ohne welche der Zweck, den sich Europa vorsetzt, nicht erreicht werden würde. - Die kürzlich in Spanien vorgekommenen Ereignisse haben eine große Aenderung in der Lage jenes Königreichs hervorgebracht. Der in ihm wüthende Bürgerkrieg ist nicht mehr so bedeutend; er bedroht die Stätigkeit des constitutionellen Throns nicht mehr. Man darf hoffen, daß die Wiederversöhnung der Bürger in den Nordprovinzen das Vorspiel einer allgemeinen Wiederversöhnung seyn wird. Wir fühlen uns glücklich bei dem Gedanken, daß die Regierung Ew. Maj. zu diesem Resultate durch die Bemühungen mitgewirkt hat, die sie, so wie die Regierung Ihrer brittischen Maj. auf die pünktliche Vollziehung der Tractate von 1834 verwendet hat. - So erfreut wir sind, zu erfahren, daß Mexico die mit uns eingegangenen Verpflichtungen erfüllt, so sehr beklagen wir, Sire, daß sich die Regierung der argentinischen Republik fortwährend weigert, uns die gebührenden Genugthuungen zu geben. Ihre Hartnäckigkeit muß besiegt werden. Die edelste Anwendung, welche eine große Nation von ihrer Macht machen kann, ist die, den Sieg des Rechts zu sichern. - Wir bedauern die in Afrika mit Verletzung der Tractate und unserer Rechte ausgebrochenen Feindseligkeiten. Die Pairskammer wird sich beeifern, sich den Maaßregeln beizugesellen, welche den Zweck haben, der Regierung Ew. Maj. die Mittel an die Hand zu geben, den schnellen Erfolg unserer Waffen zu sichern, und den treuen Stämmen, so wie allen Einwohnern eines Landes, welches die französische Herrschaft nicht mehr verlassen darf, einen kräftigen Schutz zu verbürgen." Hr. Karl v. Dupin erhielt zuerst das Wort gegen die Adresse. Er wundert sich darüber, daß die Thronrede nicht mit einem Worte die gegenwärtige Noth des Handels erwähnt hat, die freilich der französischen Regierung nicht vorgeworfen werden könne, da sie auch in Holland und bei andern Mächten fühlbar sey, deren financielle Unvorsichtigkeiten die Krise begonnen hätten. Der Redner spricht sich gegen eine Rentenreduction aus, indem die Gemüther jetzt einem solchen Vorschlage nicht geneigt seyn würden. Die Eisenbahnen, die man seiner Ansicht nach vielmehr Goldbahnen nennen sollte, empfiehlt er der vollen Aufmerksamkeit der Regierung. In Betreff der Canäle empfiehlt er große Vorsicht, namentlich bei dem, der von der Garonne ausgehen, und sich in dem unmöglichen Hafen von Bayonne münden solle, der einen Aufwand von mehr als 100 Millionen erfordern würde. Er tadelt das Ueberschreiten der ordentlichen Budgets, die schon ohnehin so hoch seyen und dadurch der Algierer Krieg einen neuen Zuwachs von 19 Millionen erhalten hätten. In Bezug auf die auswärtigen Verhältnisse stellt er den Grundsatz auf, daß Frankreich das Königthum vertheidigen und die Civilisation verbreiten müsse. So habe es Belgien, Griechenland und eine verfolgte Königin beschützt. In der Türkei suche ein junger Fürst seine Stärke in den Gesetzen, ohne sich, wie sein Vorgänger, bei Aenderung von Kleidertrachten aufzuhalten. Er gebe der Hälfte seines Volks bürgerliche Rechte, die ihnen bisher gefehlt. Allerdings reiche ein Hattischerif nicht zu, um sogleich eine Aenderung in den Sitten hervorzubringen, es gebe aber Concessionen, die, einmal den Völkern gemacht, nicht wieder zurückgenommen werden können. Das Jahr 1839 sey das Jahr 1789 des ottomanischen Reichs (Murren), eine politische und bürgerliche Wiedergeburt. Das türkische Reich sey für die Stabilität Europa's nothwendig, und habe alle französischen Sympathien für sich. Uebrigens wünscht der Redner die Macht Aegyptens nicht geschwächt, nur sollte Mehemed den Sultan nachahmen, das Eigenthum sichern, die Monopole abschaffen u. s. w. England habe seine eigenen Tendenzen, die man beaufsichtigen müsse, aber man müsse mit Vergnügen sehen, wenn es einen friedlichen Durchgang zwischen der alten und der neuen Welt festsetze. Endlich drückt Hr. Dupin den Wunsch aus, daß dem Sultan die heiligen Städte herausgegeben würden. Er erwähnt die von Rußland gegen die unirten griechischen Priester verübte Verfolgung, beharrt auf der Beibehaltung von Algier und dringt auf Colonisirung. Hr. Dalton Shee bekämpft in kurzer Rede das System des Ministeriums vom 15 April und vom 12 Mai. Das jetzige Ministerium decke die Krone eben so wenig, wie das vom 15 April. Hr. Dufaure, Minister der öffentlichen Arbeiten, begreift die letzten Angriffe nicht. Man müsse Thatsachen anführen, Anklagen bestimmt aufstellen, nicht ins Blaue opponiren. Erst dann könne sich das Ministerium vertheidigen, wenn bestimmte Thatsachen angeführt würden. Hr. v. Mole (auf dessen Rede wir morgen zurückkommen werden) und Hr. Dalton Shee ergriffen noch das Wort. Die allgemeine Erörterung ward dann geschlossen, und es begann die Erörterung der Artikel. Paris, 4 Jan. Die Monarchie hat viel auszustehen in Frankreich - die Reizbarkeit der öffentlichen Meinung und die Eifersucht der Kammern, die Erbitterung der Ideologen und die Knabenstreiche der Prätendenten, die Erfindungen des Parteihasses und noch Schlimmeres. Dem Allem jedoch kann ein Mann von Muth und vielgenährtem Geiste mit entschlossener Ruhe entgegentreten; was aber gewissermaßen ärger ist und bei einem Fürsten von Verstand und sparsamem Sinn in Verwendung seiner Zeit ein ganz außerordentliches Quantum von Geduld und Selbstbeherrschung fordert, das sind die tausend und ein Complimente, womit alle einheimischen und fremden Körperschaften der großen Stadt Paris dem armen König der Franzosen bei jeder estlichen Gelegenheit aufwarten. Zwar soll der Napoleon des Friedens, in Ermangelung anderer, gegen oratorische Lorbeern nicht gleichgültig seyn, und jeden Anlaß willkommen heißen, der seine Redseligkeit beschäftigt und ihm einen schicklichen Moment bietet, eine mahnende Anspielung mit beliebter Freundlichkeit zu machen -
* In der Sitzung der Pairskammer am 6 Jan. waren von den Ministern die HH. Passy, Teste und Schneider anwesend. Zuerst geschah die Aufnahme und Beeidigung des Hrn. Béranger. Sodann begann die Erörterung der Adresse, die von dem Berichterstatter, Hrn. v. Portalis, vorgelesen ward. Während der Verlesung füllte sich die Ministerbank. Man sah unter den Zuhörern die HH. Thiers, Berryer, Odilon-Barrot, Bugeaud, Garnier Pages. Die wichtigsten Stellen des Adreßentwurfs sind folgende: „Sire, der Friede des Orients ist von hoher Bedeutung für die Ruhe und den Handel der Welt. In diesem großen Interesse haben sich die glücklichen Folgen der zwischen Frankreich und Großbritannien zum gemeinschaftlichen Vortheil beider Länder bestehenden Verbindung kürzlich fühlbar gemacht, indem sie den Feindseligkeiten Einhalt thaten, welche die unmittelbare Sicherheit des ottomanischen Reichs compromittiren konnten. Eine erleuchtete und voraussehende Politik räth uns für die Erhaltung und Unabhängigkeit jenes Reichs zu wachen, und wir sehnen uns mit allen unsern Wünschen nach dem Augenblick, wo ihm die Eintracht der großen Mächte die innere Ruhe wieder geben wird. Wir wünschen, daß die Anordnungen, die zur Sicherung derselben getroffen werden, unter gerechter Würdigung der Interessen Frankreichs jene Bedingungen der Dauer enthalten mögen, ohne welche der Zweck, den sich Europa vorsetzt, nicht erreicht werden würde. – Die kürzlich in Spanien vorgekommenen Ereignisse haben eine große Aenderung in der Lage jenes Königreichs hervorgebracht. Der in ihm wüthende Bürgerkrieg ist nicht mehr so bedeutend; er bedroht die Stätigkeit des constitutionellen Throns nicht mehr. Man darf hoffen, daß die Wiederversöhnung der Bürger in den Nordprovinzen das Vorspiel einer allgemeinen Wiederversöhnung seyn wird. Wir fühlen uns glücklich bei dem Gedanken, daß die Regierung Ew. Maj. zu diesem Resultate durch die Bemühungen mitgewirkt hat, die sie, so wie die Regierung Ihrer brittischen Maj. auf die pünktliche Vollziehung der Tractate von 1834 verwendet hat. – So erfreut wir sind, zu erfahren, daß Mexico die mit uns eingegangenen Verpflichtungen erfüllt, so sehr beklagen wir, Sire, daß sich die Regierung der argentinischen Republik fortwährend weigert, uns die gebührenden Genugthuungen zu geben. Ihre Hartnäckigkeit muß besiegt werden. Die edelste Anwendung, welche eine große Nation von ihrer Macht machen kann, ist die, den Sieg des Rechts zu sichern. – Wir bedauern die in Afrika mit Verletzung der Tractate und unserer Rechte ausgebrochenen Feindseligkeiten. Die Pairskammer wird sich beeifern, sich den Maaßregeln beizugesellen, welche den Zweck haben, der Regierung Ew. Maj. die Mittel an die Hand zu geben, den schnellen Erfolg unserer Waffen zu sichern, und den treuen Stämmen, so wie allen Einwohnern eines Landes, welches die französische Herrschaft nicht mehr verlassen darf, einen kräftigen Schutz zu verbürgen.“ Hr. Karl v. Dupin erhielt zuerst das Wort gegen die Adresse. Er wundert sich darüber, daß die Thronrede nicht mit einem Worte die gegenwärtige Noth des Handels erwähnt hat, die freilich der französischen Regierung nicht vorgeworfen werden könne, da sie auch in Holland und bei andern Mächten fühlbar sey, deren financielle Unvorsichtigkeiten die Krise begonnen hätten. Der Redner spricht sich gegen eine Rentenreduction aus, indem die Gemüther jetzt einem solchen Vorschlage nicht geneigt seyn würden. Die Eisenbahnen, die man seiner Ansicht nach vielmehr Goldbahnen nennen sollte, empfiehlt er der vollen Aufmerksamkeit der Regierung. In Betreff der Canäle empfiehlt er große Vorsicht, namentlich bei dem, der von der Garonne ausgehen, und sich in dem unmöglichen Hafen von Bayonne münden solle, der einen Aufwand von mehr als 100 Millionen erfordern würde. Er tadelt das Ueberschreiten der ordentlichen Budgets, die schon ohnehin so hoch seyen und dadurch der Algierer Krieg einen neuen Zuwachs von 19 Millionen erhalten hätten. In Bezug auf die auswärtigen Verhältnisse stellt er den Grundsatz auf, daß Frankreich das Königthum vertheidigen und die Civilisation verbreiten müsse. So habe es Belgien, Griechenland und eine verfolgte Königin beschützt. In der Türkei suche ein junger Fürst seine Stärke in den Gesetzen, ohne sich, wie sein Vorgänger, bei Aenderung von Kleidertrachten aufzuhalten. Er gebe der Hälfte seines Volks bürgerliche Rechte, die ihnen bisher gefehlt. Allerdings reiche ein Hattischerif nicht zu, um sogleich eine Aenderung in den Sitten hervorzubringen, es gebe aber Concessionen, die, einmal den Völkern gemacht, nicht wieder zurückgenommen werden können. Das Jahr 1839 sey das Jahr 1789 des ottomanischen Reichs (Murren), eine politische und bürgerliche Wiedergeburt. Das türkische Reich sey für die Stabilität Europa's nothwendig, und habe alle französischen Sympathien für sich. Uebrigens wünscht der Redner die Macht Aegyptens nicht geschwächt, nur sollte Mehemed den Sultan nachahmen, das Eigenthum sichern, die Monopole abschaffen u. s. w. England habe seine eigenen Tendenzen, die man beaufsichtigen müsse, aber man müsse mit Vergnügen sehen, wenn es einen friedlichen Durchgang zwischen der alten und der neuen Welt festsetze. Endlich drückt Hr. Dupin den Wunsch aus, daß dem Sultan die heiligen Städte herausgegeben würden. Er erwähnt die von Rußland gegen die unirten griechischen Priester verübte Verfolgung, beharrt auf der Beibehaltung von Algier und dringt auf Colonisirung. Hr. Dalton Shee bekämpft in kurzer Rede das System des Ministeriums vom 15 April und vom 12 Mai. Das jetzige Ministerium decke die Krone eben so wenig, wie das vom 15 April. Hr. Dufaure, Minister der öffentlichen Arbeiten, begreift die letzten Angriffe nicht. Man müsse Thatsachen anführen, Anklagen bestimmt aufstellen, nicht ins Blaue opponiren. Erst dann könne sich das Ministerium vertheidigen, wenn bestimmte Thatsachen angeführt würden. Hr. v. Molé (auf dessen Rede wir morgen zurückkommen werden) und Hr. Dalton Shee ergriffen noch das Wort. Die allgemeine Erörterung ward dann geschlossen, und es begann die Erörterung der Artikel. Paris, 4 Jan. Die Monarchie hat viel auszustehen in Frankreich – die Reizbarkeit der öffentlichen Meinung und die Eifersucht der Kammern, die Erbitterung der Ideologen und die Knabenstreiche der Prätendenten, die Erfindungen des Parteihasses und noch Schlimmeres. Dem Allem jedoch kann ein Mann von Muth und vielgenährtem Geiste mit entschlossener Ruhe entgegentreten; was aber gewissermaßen ärger ist und bei einem Fürsten von Verstand und sparsamem Sinn in Verwendung seiner Zeit ein ganz außerordentliches Quantum von Geduld und Selbstbeherrschung fordert, das sind die tausend und ein Complimente, womit alle einheimischen und fremden Körperschaften der großen Stadt Paris dem armen König der Franzosen bei jeder estlichen Gelegenheit aufwarten. Zwar soll der Napoleon des Friedens, in Ermangelung anderer, gegen oratorische Lorbeern nicht gleichgültig seyn, und jeden Anlaß willkommen heißen, der seine Redseligkeit beschäftigt und ihm einen schicklichen Moment bietet, eine mahnende Anspielung mit beliebter Freundlichkeit zu machen – <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <p><pb facs="#f0004" n="0084"/><lb/> In der Commission ward darüber discutirt, ob die Kammer sich nicht gegen die Abreise des Herzogs von Orleans nach Algier aussprechen solle. Nach langen Debatten über diesen Punkt ward beschlossen, gar nicht davon zu sprechen.</p><lb/> <p>* In der Sitzung der <hi rendition="#g">Pairskammer</hi> am 6 Jan. waren von den Ministern die HH. Passy, Teste und Schneider anwesend. Zuerst geschah die Aufnahme und Beeidigung des Hrn. Béranger. Sodann begann die Erörterung der Adresse, die von dem Berichterstatter, Hrn. v. Portalis, vorgelesen ward. Während der Verlesung füllte sich die Ministerbank. Man sah unter den Zuhörern die HH. Thiers, Berryer, Odilon-Barrot, Bugeaud, Garnier Pages. Die wichtigsten Stellen des Adreßentwurfs sind folgende: „Sire, der Friede des Orients ist von hoher Bedeutung für die Ruhe und den Handel der Welt. In diesem großen Interesse haben sich die glücklichen Folgen der zwischen Frankreich und Großbritannien zum gemeinschaftlichen Vortheil beider Länder bestehenden Verbindung kürzlich fühlbar gemacht, indem sie den Feindseligkeiten Einhalt thaten, welche die unmittelbare Sicherheit des ottomanischen Reichs compromittiren konnten. Eine erleuchtete und voraussehende Politik räth uns für die Erhaltung und Unabhängigkeit jenes Reichs zu wachen, und wir sehnen uns mit allen unsern Wünschen nach dem Augenblick, wo ihm die Eintracht der großen Mächte die innere Ruhe wieder geben wird. Wir wünschen, daß die Anordnungen, die zur Sicherung derselben getroffen werden, unter gerechter Würdigung der Interessen Frankreichs jene Bedingungen der Dauer enthalten mögen, ohne welche der Zweck, den sich Europa vorsetzt, nicht erreicht werden würde. – Die kürzlich in Spanien vorgekommenen Ereignisse haben eine große Aenderung in der Lage jenes Königreichs hervorgebracht. Der in ihm wüthende Bürgerkrieg ist nicht mehr so bedeutend; er bedroht die Stätigkeit des constitutionellen Throns nicht mehr. Man darf hoffen, daß die Wiederversöhnung der Bürger in den Nordprovinzen das Vorspiel einer allgemeinen Wiederversöhnung seyn wird. Wir fühlen uns glücklich bei dem Gedanken, daß die Regierung Ew. Maj. zu diesem Resultate durch die Bemühungen mitgewirkt hat, die sie, so wie die Regierung Ihrer brittischen Maj. auf die pünktliche Vollziehung der Tractate von 1834 verwendet hat. – So erfreut wir sind, zu erfahren, daß Mexico die mit uns eingegangenen Verpflichtungen erfüllt, so sehr beklagen wir, Sire, daß sich die Regierung der argentinischen Republik fortwährend weigert, uns die gebührenden Genugthuungen zu geben. Ihre Hartnäckigkeit muß besiegt werden. Die edelste Anwendung, welche eine große Nation von ihrer Macht machen kann, ist die, den Sieg des Rechts zu sichern. – Wir bedauern die in Afrika mit Verletzung der Tractate und unserer Rechte ausgebrochenen Feindseligkeiten. Die Pairskammer wird sich beeifern, sich den Maaßregeln beizugesellen, welche den Zweck haben, der Regierung Ew. Maj. die Mittel an die Hand zu geben, den schnellen Erfolg unserer Waffen zu sichern, und den treuen Stämmen, so wie allen Einwohnern eines Landes, welches die französische Herrschaft nicht mehr verlassen darf, einen kräftigen Schutz zu verbürgen.“ Hr. Karl v. <hi rendition="#g">Dupin</hi> erhielt zuerst das Wort gegen die Adresse. Er wundert sich darüber, daß die Thronrede nicht mit einem Worte die gegenwärtige Noth des Handels erwähnt hat, die freilich der französischen Regierung nicht vorgeworfen werden könne, da sie auch in Holland und bei andern Mächten fühlbar sey, deren financielle Unvorsichtigkeiten die Krise begonnen hätten. Der Redner spricht sich gegen eine Rentenreduction aus, indem die Gemüther jetzt einem solchen Vorschlage nicht geneigt seyn würden. Die Eisenbahnen, die man seiner Ansicht nach vielmehr <hi rendition="#g">Goldbahnen</hi> nennen sollte, empfiehlt er der vollen Aufmerksamkeit der Regierung. In Betreff der Canäle empfiehlt er große Vorsicht, namentlich bei dem, der von der Garonne ausgehen, und sich in dem unmöglichen Hafen von Bayonne münden solle, der einen Aufwand von mehr als 100 Millionen erfordern würde. Er tadelt das Ueberschreiten der ordentlichen Budgets, die schon ohnehin so hoch seyen und dadurch der Algierer Krieg einen neuen Zuwachs von 19 Millionen erhalten hätten. In Bezug auf die auswärtigen Verhältnisse stellt er den Grundsatz auf, daß Frankreich das Königthum vertheidigen und die Civilisation verbreiten müsse. So habe es Belgien, Griechenland und eine verfolgte Königin beschützt. In der Türkei suche ein junger Fürst seine Stärke in den Gesetzen, ohne sich, wie sein Vorgänger, bei Aenderung von Kleidertrachten aufzuhalten. Er gebe der Hälfte seines Volks bürgerliche Rechte, die ihnen bisher gefehlt. Allerdings reiche ein Hattischerif nicht zu, um sogleich eine Aenderung in den Sitten hervorzubringen, es gebe aber Concessionen, die, einmal den Völkern gemacht, nicht wieder zurückgenommen werden können. Das Jahr 1839 sey das Jahr 1789 des ottomanischen Reichs (Murren), eine politische und bürgerliche Wiedergeburt. Das türkische Reich sey für die Stabilität Europa's nothwendig, und habe alle französischen Sympathien für sich. Uebrigens wünscht der Redner die Macht Aegyptens nicht geschwächt, nur sollte Mehemed den Sultan nachahmen, das Eigenthum sichern, die Monopole abschaffen u. s. w. England habe seine eigenen Tendenzen, die man beaufsichtigen müsse, aber man müsse mit Vergnügen sehen, wenn es einen friedlichen Durchgang zwischen der alten und der neuen Welt festsetze. Endlich drückt Hr. Dupin den Wunsch aus, daß dem Sultan die heiligen Städte herausgegeben würden. Er erwähnt die von Rußland gegen die unirten griechischen Priester verübte Verfolgung, beharrt auf der Beibehaltung von Algier und dringt auf Colonisirung. Hr. <hi rendition="#g">Dalton Shee</hi> bekämpft in kurzer Rede das System des Ministeriums vom 15 April und vom 12 Mai. Das jetzige Ministerium decke die Krone eben so wenig, wie das vom 15 April. Hr. <hi rendition="#g">Dufaure</hi>, Minister der öffentlichen Arbeiten, begreift die letzten Angriffe nicht. Man müsse Thatsachen anführen, Anklagen bestimmt aufstellen, nicht ins Blaue opponiren. Erst dann könne sich das Ministerium vertheidigen, wenn bestimmte Thatsachen angeführt würden. Hr. v. <hi rendition="#g">Molé</hi> (auf dessen Rede wir morgen zurückkommen werden) und Hr. <hi rendition="#g">Dalton Shee</hi> ergriffen noch das Wort. Die allgemeine Erörterung ward dann geschlossen, und es begann die Erörterung der Artikel.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <byline>♂</byline> <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 4 Jan.</dateline> <p> Die Monarchie hat viel auszustehen in Frankreich – die Reizbarkeit der öffentlichen Meinung und die Eifersucht der Kammern, die Erbitterung der Ideologen und die Knabenstreiche der Prätendenten, die Erfindungen des Parteihasses und noch Schlimmeres. Dem Allem jedoch kann ein Mann von Muth und vielgenährtem Geiste mit entschlossener Ruhe entgegentreten; was aber gewissermaßen ärger ist und bei einem Fürsten von Verstand und sparsamem Sinn in Verwendung seiner Zeit ein ganz außerordentliches Quantum von Geduld und Selbstbeherrschung fordert, das sind die tausend und ein Complimente, womit alle einheimischen und fremden Körperschaften der großen Stadt Paris dem armen König der Franzosen bei jeder estlichen Gelegenheit aufwarten. Zwar soll der Napoleon des Friedens, in Ermangelung anderer, gegen oratorische Lorbeern nicht gleichgültig seyn, und jeden Anlaß willkommen heißen, der seine Redseligkeit beschäftigt und ihm einen schicklichen Moment bietet, eine mahnende Anspielung mit beliebter Freundlichkeit zu machen –<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0084/0004]
In der Commission ward darüber discutirt, ob die Kammer sich nicht gegen die Abreise des Herzogs von Orleans nach Algier aussprechen solle. Nach langen Debatten über diesen Punkt ward beschlossen, gar nicht davon zu sprechen.
* In der Sitzung der Pairskammer am 6 Jan. waren von den Ministern die HH. Passy, Teste und Schneider anwesend. Zuerst geschah die Aufnahme und Beeidigung des Hrn. Béranger. Sodann begann die Erörterung der Adresse, die von dem Berichterstatter, Hrn. v. Portalis, vorgelesen ward. Während der Verlesung füllte sich die Ministerbank. Man sah unter den Zuhörern die HH. Thiers, Berryer, Odilon-Barrot, Bugeaud, Garnier Pages. Die wichtigsten Stellen des Adreßentwurfs sind folgende: „Sire, der Friede des Orients ist von hoher Bedeutung für die Ruhe und den Handel der Welt. In diesem großen Interesse haben sich die glücklichen Folgen der zwischen Frankreich und Großbritannien zum gemeinschaftlichen Vortheil beider Länder bestehenden Verbindung kürzlich fühlbar gemacht, indem sie den Feindseligkeiten Einhalt thaten, welche die unmittelbare Sicherheit des ottomanischen Reichs compromittiren konnten. Eine erleuchtete und voraussehende Politik räth uns für die Erhaltung und Unabhängigkeit jenes Reichs zu wachen, und wir sehnen uns mit allen unsern Wünschen nach dem Augenblick, wo ihm die Eintracht der großen Mächte die innere Ruhe wieder geben wird. Wir wünschen, daß die Anordnungen, die zur Sicherung derselben getroffen werden, unter gerechter Würdigung der Interessen Frankreichs jene Bedingungen der Dauer enthalten mögen, ohne welche der Zweck, den sich Europa vorsetzt, nicht erreicht werden würde. – Die kürzlich in Spanien vorgekommenen Ereignisse haben eine große Aenderung in der Lage jenes Königreichs hervorgebracht. Der in ihm wüthende Bürgerkrieg ist nicht mehr so bedeutend; er bedroht die Stätigkeit des constitutionellen Throns nicht mehr. Man darf hoffen, daß die Wiederversöhnung der Bürger in den Nordprovinzen das Vorspiel einer allgemeinen Wiederversöhnung seyn wird. Wir fühlen uns glücklich bei dem Gedanken, daß die Regierung Ew. Maj. zu diesem Resultate durch die Bemühungen mitgewirkt hat, die sie, so wie die Regierung Ihrer brittischen Maj. auf die pünktliche Vollziehung der Tractate von 1834 verwendet hat. – So erfreut wir sind, zu erfahren, daß Mexico die mit uns eingegangenen Verpflichtungen erfüllt, so sehr beklagen wir, Sire, daß sich die Regierung der argentinischen Republik fortwährend weigert, uns die gebührenden Genugthuungen zu geben. Ihre Hartnäckigkeit muß besiegt werden. Die edelste Anwendung, welche eine große Nation von ihrer Macht machen kann, ist die, den Sieg des Rechts zu sichern. – Wir bedauern die in Afrika mit Verletzung der Tractate und unserer Rechte ausgebrochenen Feindseligkeiten. Die Pairskammer wird sich beeifern, sich den Maaßregeln beizugesellen, welche den Zweck haben, der Regierung Ew. Maj. die Mittel an die Hand zu geben, den schnellen Erfolg unserer Waffen zu sichern, und den treuen Stämmen, so wie allen Einwohnern eines Landes, welches die französische Herrschaft nicht mehr verlassen darf, einen kräftigen Schutz zu verbürgen.“ Hr. Karl v. Dupin erhielt zuerst das Wort gegen die Adresse. Er wundert sich darüber, daß die Thronrede nicht mit einem Worte die gegenwärtige Noth des Handels erwähnt hat, die freilich der französischen Regierung nicht vorgeworfen werden könne, da sie auch in Holland und bei andern Mächten fühlbar sey, deren financielle Unvorsichtigkeiten die Krise begonnen hätten. Der Redner spricht sich gegen eine Rentenreduction aus, indem die Gemüther jetzt einem solchen Vorschlage nicht geneigt seyn würden. Die Eisenbahnen, die man seiner Ansicht nach vielmehr Goldbahnen nennen sollte, empfiehlt er der vollen Aufmerksamkeit der Regierung. In Betreff der Canäle empfiehlt er große Vorsicht, namentlich bei dem, der von der Garonne ausgehen, und sich in dem unmöglichen Hafen von Bayonne münden solle, der einen Aufwand von mehr als 100 Millionen erfordern würde. Er tadelt das Ueberschreiten der ordentlichen Budgets, die schon ohnehin so hoch seyen und dadurch der Algierer Krieg einen neuen Zuwachs von 19 Millionen erhalten hätten. In Bezug auf die auswärtigen Verhältnisse stellt er den Grundsatz auf, daß Frankreich das Königthum vertheidigen und die Civilisation verbreiten müsse. So habe es Belgien, Griechenland und eine verfolgte Königin beschützt. In der Türkei suche ein junger Fürst seine Stärke in den Gesetzen, ohne sich, wie sein Vorgänger, bei Aenderung von Kleidertrachten aufzuhalten. Er gebe der Hälfte seines Volks bürgerliche Rechte, die ihnen bisher gefehlt. Allerdings reiche ein Hattischerif nicht zu, um sogleich eine Aenderung in den Sitten hervorzubringen, es gebe aber Concessionen, die, einmal den Völkern gemacht, nicht wieder zurückgenommen werden können. Das Jahr 1839 sey das Jahr 1789 des ottomanischen Reichs (Murren), eine politische und bürgerliche Wiedergeburt. Das türkische Reich sey für die Stabilität Europa's nothwendig, und habe alle französischen Sympathien für sich. Uebrigens wünscht der Redner die Macht Aegyptens nicht geschwächt, nur sollte Mehemed den Sultan nachahmen, das Eigenthum sichern, die Monopole abschaffen u. s. w. England habe seine eigenen Tendenzen, die man beaufsichtigen müsse, aber man müsse mit Vergnügen sehen, wenn es einen friedlichen Durchgang zwischen der alten und der neuen Welt festsetze. Endlich drückt Hr. Dupin den Wunsch aus, daß dem Sultan die heiligen Städte herausgegeben würden. Er erwähnt die von Rußland gegen die unirten griechischen Priester verübte Verfolgung, beharrt auf der Beibehaltung von Algier und dringt auf Colonisirung. Hr. Dalton Shee bekämpft in kurzer Rede das System des Ministeriums vom 15 April und vom 12 Mai. Das jetzige Ministerium decke die Krone eben so wenig, wie das vom 15 April. Hr. Dufaure, Minister der öffentlichen Arbeiten, begreift die letzten Angriffe nicht. Man müsse Thatsachen anführen, Anklagen bestimmt aufstellen, nicht ins Blaue opponiren. Erst dann könne sich das Ministerium vertheidigen, wenn bestimmte Thatsachen angeführt würden. Hr. v. Molé (auf dessen Rede wir morgen zurückkommen werden) und Hr. Dalton Shee ergriffen noch das Wort. Die allgemeine Erörterung ward dann geschlossen, und es begann die Erörterung der Artikel.
♂ Paris, 4 Jan. Die Monarchie hat viel auszustehen in Frankreich – die Reizbarkeit der öffentlichen Meinung und die Eifersucht der Kammern, die Erbitterung der Ideologen und die Knabenstreiche der Prätendenten, die Erfindungen des Parteihasses und noch Schlimmeres. Dem Allem jedoch kann ein Mann von Muth und vielgenährtem Geiste mit entschlossener Ruhe entgegentreten; was aber gewissermaßen ärger ist und bei einem Fürsten von Verstand und sparsamem Sinn in Verwendung seiner Zeit ein ganz außerordentliches Quantum von Geduld und Selbstbeherrschung fordert, das sind die tausend und ein Complimente, womit alle einheimischen und fremden Körperschaften der großen Stadt Paris dem armen König der Franzosen bei jeder estlichen Gelegenheit aufwarten. Zwar soll der Napoleon des Friedens, in Ermangelung anderer, gegen oratorische Lorbeern nicht gleichgültig seyn, und jeden Anlaß willkommen heißen, der seine Redseligkeit beschäftigt und ihm einen schicklichen Moment bietet, eine mahnende Anspielung mit beliebter Freundlichkeit zu machen –
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-06-28T11:37:15Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-28T11:37:15Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |